Zwei Urgroßonkel der Sauropoden: links Schleitheimia, rechts Plateosaurus. Im Vordergrund sehen wir zwei Vertreter ganz anderer Dynastien: links ein Synapside (also ein Vorläufer der Säugetiere), rechts vermutlich ein Tier aus der Ahnenreihe der Krokodile.
Foto: Beat Scheffold

Schleitheimia schutzi ist der klingende Name eines rund 225 Millionen Jahre alten Urzeitriesen, den Forscher nun im "Swiss Journal of Geoscience" vorgestellt haben. Benannt wurde er nach der kleinen Ortschaft Schleitheim im Schweizer Kanton Schaffhausen, in deren Nähe die Reste bereits 1954 gefunden wurden. Mit dem Zusatz wird der Finder geehrt, der Privatsammler Emil Schutz (1916–1974), wie die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns berichten.

Das Interessante an Schleitheimia: Er gehörte zu jenem Zweig der Dinosaurier, aus dem sich später die Sauropoden entwickeln sollten. Zu seinen Lebzeiten gab es diese ikonisch gewordenen Tiere noch nicht, aber dafür eine recht diverse Gruppe von Arten mit Merkmalen, die bereits an die späteren Giganten erinnerten: massiger Körper, winziger Kopf, langer Hals und ein mächtiger Schwanz. Manche Arten aus dieser Gruppe liefen auch bereits auf vier Beinen, während andere sich nach Art vieler anderer Dinosauriergruppen zweibeinig bewegten.

Die Verwandtschaft

Die frühesten Vertreter der Großgruppe der Sauropodomorpha, zu denen die Sauropoden gehören, tauchen vor etwa 225 Millionen Jahren in der oberen Trias auf und verbreiteten sich rasch. Zu dieser Gruppe gehört unter anderem die Gattung Plateosaurus, die aus zahlreichen Fundstellen Mitteleuropas bekannt ist. Trotz Längen von bis zu zehn Metern und einer Masse von bis zu vier Tonnen liefen diese Tiere die meiste Zeit auf den Hinterbeinen. Bis zum Auftreten der ersten echten Sauropoden vor etwa 190 Millionen Jahren waren sie die typischen großen Pflanzenfresser und die Riesen ihrer Zeit.

Auch in der Schweiz wurden schon Plateosaurus-Fossilien gefunden. Bei der Untersuchung einiger unvollständiger Reste aus der Sammlung der Universität Zürich erlebte der Münchener Paläontologe Oliver Rauhut nun aber eine Überraschung: Die vermeintlichen Plateosaurus-Fossilien stammten von einer bisher unbekannten Art – und die trägt nun den Namen Schleitheimia.

Auf dem Weg zur Größe

Mit einer Körperlänge von geschätzt neun bis zehn Metern wäre Schleitheimia so groß wie die allergrößten Plateosaurier gewesen und hätte ihnen auch recht ähnlich gesehen. Allerdings schließen die Forscher aus der Anatomie, dass er sich vermutlich auf allen Vieren fortbewegte. Die Analyse kam zum Ergebnis, dass Schleitheimia offenbar der nächste bekannte Verwandte der echten Sauropoden ist.

Eine neue Ausgrabung in der direkten Nähe der ursprünglichen Fundstelle, die 2016 unter der Leitung von Heinz Furrer stattfand, brachte weitere Reste von Sauropodomorpha zu Tage, die unter anderem zeigten, dass auch Plateosaurus hier vorkam. Zudem deuten weitere Funde aus dem Nachlass von Emil Schutz das Vorhandensein einer dritten, bisher noch nicht bestimmbaren Art an.

Aus den fossilen Knochen, den ermittelten Verwandtschaftsverhältnissen und dem bisher bekannten Fossilbericht der Sauropodomorpha schließen Rauhut und seine Kollegen, dass die frühen Sauropoden offenbar über mehr als 20 Millionen Jahre neben ihren primitiveren Verwandten gelebt haben. Erst nach deren Aussterben begann die Erfolgsgeschichte der echten Sauropoden, die sie zu den größten und in vielen Ökosystemen wichtigsten Pflanzenfressern des Erdmittelalters machen sollte. (red, 2. 7. 2020)