Als erster wurde am Mittwoch Peter Sidlo vom U-Ausschuss befragt – fünft Stunden lang.

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Postenschacher ist ein österreichisches Wort, wie der Duden festhält. Es ist negativ konnotiert und meint Vergaben von Posten ohne öffentliche Ausschreibung. Allerdings wird der Terminus hierzulande auch mit einem ganz bestimmten Namen konnotiert, wie die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli am Mittwoch bei ihrem morgendlichen Statement sagte: mit dem Namen Peter Sidlo, dem ersten Geladenen in der vierten Woche des Ibiza-U-Ausschusses. (Siehe Info-Kasten unten zur Chronologie der Causa Postenschacher).

Sidlo war im März letzten Jahres zum Finanzvorstand der Casinos Austria berufen worden. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts, hinter seiner Bestellung sei ein politischer Deal zwischen FPÖ und Novomatic gestanden: Posten gegen Glücksspiellizenzen. Mit der ÖVP sei dieser Deal abgesprochen worden, so der politische Verdacht. Die Beschuldigten in der Causa bestreiten dies, und freilich gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Sidlo hält sich für qualifiziert

Entsprechend stand am Mittwoch zuerst die Frage nach Sidlos Qualifikation im Vordergrund. Auch weil nach seiner Bestellung ein Gutachten des Personalberaters Egon Zehnder publik wurde, der dem ehemaligen blauen Wiener Bezirksrat die Qualifikation für den Posten im Casinos-Vorstand absprach. Ungenügende Branchenkenntnisse, zu wenig Erfahrung an der Spitze eines großen Unternehmens, so die grobe Zusammenfassung. Sidlo kenne den Bericht erst aus den Akten, so der vormalige Bezirkspolitiker.

Er bedaure jedenfalls zutiefst, dass er in den schwierigen Zeiten nicht in der Casag und bei ihren Mitarbeitern sein könne, sagte Sidlo. Am 2. Dezember vergangenen Jahres wurde Sidlo vom Casinos-Aufsichtsrat wieder abbestellt. Grund: Vertrauensverlust. "Das war ungerechtfertigt, und das habe ich auch eingeklagt", so Sido. Ihm sei kein Fehlverhalten bewusst. Auch seine Qualifikation sei vorhanden, bekräftigte Sidlo vor dem Ausschuss mehrfach. Das hätten auch diverse Gutachten ergeben, etwa das interne Gutachten der Anwaltskanzlei Schima. Er sei zwischen alle Fronten geraten, bedauert er und verweist auf streitende Aktionäre, Ibiza-Folgen und Medien, die teilweise reißerisch berichten würden.

Im Generalrat der Nationalbank hat Sidlo nach eigenen Angaben Bettina Glatz-Kremsner kennengelernt. Die ehemalige Casinos-Vorständin habe ihn dann weiter an den Aufsichtsrat verwiesen, so Sidlo am Mittwoch als erklärte, wie es zu seiner Bewerbung für den Vorstandsposten beim Glücksspiel-Anbieter kam.
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Motivation für Bewerbung

Dass sich Sidlo überhaupt bei den Casinos beworben hat, kam laut seinen Schilderungen so: Im März 2018 zog Sidlo bereits auf einem blauen Ticket in den Generalrat der Nationalbank (OeNB) ein. Dort habe er Casinos-Vorstandschefin Bettina Glatz-Kremsner (ÖVP) kennengelernt und mit dieser rasch ein "vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut". Diese habe ihn wiederum an Casag-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner verwiesen, der bereits vergangene Woche im Untersuchungsausschuss zur Causa befragt wurde.

Ob eine gewisse politische Zugehörigkeit einen Ausschlag für Sidlos erfolgreichen Weg in den Casag-Vorstand gegeben hat, bleibt für ihn selbst "offen", wie er sagte. Er verwies auf zahlreiche Unterstützer, die er im Laufe seines Bewerbungsverfahrens gewonnen habe.

Einer davon war der ehemalige blaue Vizekanzler Heinz-Christian Strache, den Sidlo laut eigenen Aussagen bereits seit 25 Jahren kennt. Dieser sei dem Personalberater als Auskunftsperson zur Verfügung gestanden, habe ihn, Sidlo, aber als Person und nicht als Partei unterstützt.

Auch Sidlos Novomatic-Bezug wurde thematisiert. "Saßen Sie auf einem Novomatic-Ticket im Vorstand?", wollte Tomaselli von Sidlo wissen. Er wolle nicht sagen, er sei nicht von der Novomatic gekommen, sagte Sidlo, er habe dorthin weder beruflich noch privat Kontakte gehabt, aber die Novomatic habe letztlich seine Unterlagen vorgelegt. Auch habe er Ex-Novomatic-Chef Neumann kontaktiert, weil dieser als Casag-Aufsichtsratsmitglied für die Vorstandsbestellung auch mit zuständig gewesen sei. Neumann habe sich "Hintergrund und Fachwissen in mehreren Gesprächen angesehen" und habe ihn dann ins Rennen geschickt, indem er seine, Sidlos, Bewerbungsunterlagen weitergeleitet habe.

In der Funktion als Finanzvorstand habe er dann hauptsächlich mit seiner Expertise in den Bereichen Corporate Governance und Compliance punkten könne, wie er schilderte. Er habe sich außerdem sehr für den Spielerschutz engagiert und die Casag so aufgestellt, dass Geld gespart wurde.

Zahlreiche Entschlagungen

Nicht unrichtig lag jedenfalls Wolfgang Gerstl bei seinem Statement vor Sidlos Befragung. Der ÖVP-Fraktionsführer hatte prophezeit, dass ein Ausschuss-Tag voller Entschlagungen bevorstünde – schließlich wird gegen Sidlo und die anderen für den Mittwoch geladenen Auskunftspersonen ermittelt. Das gilt für Ex-Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ), der im Finanzministerium für Glücksspielfragen zuständig war, genauso wie für Bernhard K., den einstigen Novomatic-Sprecher.

Fragen der Mandatare rund um das illegale Glücksspiel in Österreich beantwortete Sidlo zwar noch ausführlich – wenngleich er wenig neue Erkenntnisse lieferte. Bei anderen Nachfragen entschlug sich der ehemalige Casinos-Vorstand dann aber gleich mehrfach. So etwa bei Fragen zu sichergestellten Chats. Ebenso wenig wollte er sagen, über wen er Ex-Novomatic-Sprecher K. kennt.

Auch als Fragen zur Firma Polimedia kamen, an der Sidlo so wie der Ex-FPÖ-Abgeordnete Markus Tschank und K. beteiligt war, nahm Sidlo nicht Stellung, da diese in Liquidation befindliche Firma Teil der Casag-Ermittlungen sei, wie Sidlo erklärte. Die Beratungsgesellschaft soll auch Rechnungen an Tschanks Institut für Sicherheitspolitik (ISP) gestellt haben, das ebenso im Fokus des Ibiza-U-Ausschusses steht – allerdings in der Causa Vereine. Das ISP wiederum hatte eine Kooperationsvereinbarung mit der Novomatic.

Marathon-Sitzung

Ihr Ende erreichte die Befragung nicht, weil den Mandataren die Fragen ausgegangen sind. Im Gegenteil: Nach fünf Stunden war die Maximalzeit erreicht.

Fünf Stunden dauerte die Befragung Sidlos.
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Als zweite Auskunftsperson trat am Mittwoch Hubert Fuchs vor den Ausschuss. Weil dieser zur Zeit der Bestellung Sidlos Finanzstaatssekretär der FPÖ in der türkis-blauen Regierung war, erhofften sich die Mandatare von ihm Erkenntnisse über etwaige Absprachen. Fuchs soll ja bei der Durchführung des angeblichen Sidlo-Deals eine entscheidende Rolle gespielt haben, vermutet die Staatsanwaltschaft, und den ausgehandelten Sidlo-Deal praktisch umgesetzt haben. Er bestreitet die Vorwürfe, und es gilt auch hier die Unschuldsvermutung.

Musste warten: Hubert Fuchs.
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Angesprochen auf ein Treffen in London mit Novomatic-Vertretern im Rahmen einer Glücksspielmesse im Vorfeld von Sidlos Bestellung sagte Fuchs, er habe weder über einen Deal Sidlo-Konzession gesprochen, noch sei ihm auch ein Vorteil versprochen worden. In die Sidlo-Bestellung sei er nie eingebunden gewesen.

Wenn er der Drehpunkt für all das gewesen sei, der angebliche Deal-Maker von "Sidlo gegen Glücksspiellizenzen" gewesen sein soll: "Warum hat sich dann bei mir niemand bedankt?", fragte Fuchs unter Hinweis auf etliche Danksagungen in diversen publik gewordenen Chats. Er sei dem Minister untergeordnet gewesen, warum hätte man ihn einbinden sollen, fragte Fuchs.

Opposition lädt Sobotka

Die Opposition hat am Mittwoch erneut den Rückzug des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) gefordert. Spätestens nach seiner offiziellen Ladung als Auskunftsperson könne Sobotka nicht mehr den Vorsitz führen, hieß es – und die folgte prompt.

Schon am Nachmittag präsentierten SPÖ und Neos ihren Plan für den Herbst, der einiges an Prominenz in den U-Ausschuss bringen wird. Die beiden Parteien haben gemeinsam Ladungsrecht.

Auf der Ladungsliste: Wolfgang Sobotka.
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Den Auftakt macht am 9. September eben Sobotka, unter anderem wegen des Alois-Mock-Instituts. Das von Sobotka gegründete Institut habe 2019 zweimal 2500 Euro von der Novomatic bekommen, 2018 sei auch Geld geflossen. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat jüngst Ermittlungen bestätigt, für den Fortgang interessiert sich nun die ihr vorgesetzte Behörde, die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien. Sie hat um Erstattung eines sogenannten Informationsberichts ersucht, erklärt der OStA-Sprecher dem STANDARD auf Anfrage. Man bezieht sich dabei auf den Berichtspflichtenerlass. Weisungen seien der WKStA nicht erteilt worden in der Causa.

ÖVP-Großspender kommen

Nach dem Sobotka-Termin kommen im Herbst ÖVP-Spender wie KTM-Chef Stefan Pierer und der Industrielle Klaus Ortner. Auch René Benko, der zwar nicht an Kurz spendete, aber als Berater gilt, wird im U-Ausschuss erscheinen müssen; ebenso probiert man erneut, Heidi Goëss-Horten und Novomatic-Gründer Johann Graf zu befragen. Einen Themenblock wird offenbar das "Projekt Edelstein" einnehmen, also der geplante Verkauf des Bundesrechenzentrums an die Post, der von STANDARD, ORF und Profil aufgedeckt wurde. Außerdem soll jener Kanzleramtsmitarbeiter, der unter falschem Namen Festplatten schreddern ließ, in den Ausschuss kommen; genau wie Bernhard Bonelli, Kabinettschef von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Die Opposition bleibt also bei ihrem Fokus auf die ÖVP, das blaue Regierungshandeln taucht aber auch auf – beispielsweise beim Themenblock Privatklinikfonds Prikraf .

Frage der Verfahrensrichter-Nachfolge

Wer all diesen Befragungen als Verfahrensrichterin vorsteht, ist nach wie vor unklar. Eine Präsidiale am Mittwoch brachte keine Einigung; am Donnerstag wollen es die Fraktionsführer wieder probieren. Verfahrensrichterin Ilse Huber hat sich wegen persönlicher Angriffe und der Stimmung im U-Ausschuss zurückgezogen.

Am Mittwoch vertrat Wolfgang Pöschl die zurückgetretene Verfahrensrichterin Ilse Huber.
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Huber sprach sich in einem Kurier-Interview für Live-Übertragungen wichtiger Befragungen aus. Dieser Ansicht folgten alle Parteien außer der ÖVP. Die Neos erneuerten ihren Wunsch nach öffentlichen Befragungen am Mittwochmorgen. Der SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer meinte mit Blick auf Finanzminister Gernot Blümels (ÖVP) Auftritt: "Vor dem Fernsehen würde sich ein Minister nicht 84-mal zu sagen trauen, ,Ich erinnere mich an nichts‘."

Auch FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker schlug in dieselbe Kerbe. Genau wie seine pinke Kollegin Stephanie Krisper plädierte er dafür, dass die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) den Ausschuss übernehmen soll. Anders sieht all diese Sachen naturgemäß der ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl. Er sprach von "permanentem Sobotka-Bashing". (Renate Graber, Fabian Schmid, Aloysius Widmann, 2.7.2020)