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Der Geruch von gegrilltem Kotelett erinnert mich an schöne gemeinsame Sommertage mit der Familie. Ein Schnitzel ist für mich purer Genuss, und der Biss in die Extrawurstsemmel wirft mich zurück in unbeschwerte Tage meiner Kindheit. Nein, ich bin nicht Ihr typischer Umweltschützer – auch wenn ich mich seit Jahren mit den Abgründen befasse, an denen wir stehen: Klimakrise, Artensterben, Luftverschmutzung, Wasserknappheit und so weiter.

Neben dem Umstieg von fossiler Energie auf Erneuerbare ist eine Umstellung unseres Ernährungssystems zentral, um das Ruder herumzureißen. Ich habe das in den vergangenen Jahren persönlich vor allem damit umzusetzen versucht, ordentlich mit Gemüse kochen zu lernen (etwa damit, damit und damit). Ersatzprodukte wie Veggie-Extrawurst habe ich gemieden. Ich fand sie eklig, und sie wirkten auf mich ungesund.

Wenn schon vegetarisch, dann richtig, dachte ich mir, aß aber weiter ab und zu Wurst und Co. In den vergangenen Wochen habe ich mich durch eine Vielzahl an Ersatzprodukten getestet: Speck aus Soja, Leberkäse aus Erbsen, Bratwurst aus Pilzen. Danach fuhr ich mit einem Pack an Zetteln an die Universität Wien zu Petra Rust, einer Ernährungswissenschafterin. Sie ist mit mir die getesteten Produkte durchgegangen und hat sie bewertet. Mein Resümee: Einige Ersatzprodukte sind toll und haben großes Potenzial, den Fleischkonsum zu senken.

Gericht eins: Veganer Speck von Vivera auf Sojabasis

Foto: Sator

Ich koche mir Erdäpfel, brate den Speck in Zwiebeln, Butter (ja, mit tierischem) und Olivenöl, teile die Erdäpfel, gebe Sauerrahm und Petersilie rein und garniere mit einer ordentlichen Ladung Veggie-Speck. Resultat? Schmeckt genial! Nur überhaupt nicht nach tierischem Speck. Ist das nicht egal? Will man nur Veganer erreichen, ist das wurscht, ja. Sollen die Fleischersatzprodukte aber dabei helfen, den Fleischkonsum zu senken, ist's ein Problem.

Nur wenn das Produkt ähnlich schmeckt, steigen mehr um. Der Fleischkonsum in Österreich und Deutschland muss um zwei Drittel sinken, um auf ein nachhaltiges Niveau zu kommen. Das hilft der Natur und auch dabei, den Klimawandel einzubremsen. Darum ist die Imitation des Originals für mich in diesem Test hier ein zentraler Faktor. Hier fällt das Vivera-Produkt durch. Dafür ist der tierische Speck gleich 70 (!) Mal fetter als das Ersatzprodukt.

Geschmack: 8/10 – Imitation: 3/10 – Gesundheit: deutlich besser – Nachhaltigkeit: deutlich besser – Regional: nein (Niederlande, Soja auch aus Nicht-EU-Ländern) – Preis: 23,92 € / kg – in etwa gleich (Hofstädter kostet 25 €, Stastnik 24 €, Handl 40 €)

Zutaten: 93 % rehydriertes Soja-Eiweiß, natürliche Aromen, Essig, Salz, Aroma, Raucharomen, Maltodextrin, Wasser, Farbstoff (Eisenoxid), Eisen, Vitamin B12

Gericht zwei: Vegane Bratwurst von Beyond Meat auf Erbsenbasis

Foto: Sator

Roh haben die veganen Würste eine komische Konsistenz, beim Anbraten riecht es leider auch nicht so gut wie sonst bei Bratwürsten. Sie schmecken aber! Mir ist das Original lieber. Für einen euphorischen Umstieg der Wurstgenießer auf das Veggie-Produkt reicht es noch nicht. Mir persönlich aber schon, denn die Zustände in der Schweinehaltung sind derart desaströs, dass ich bereit bin, Geschmackseinbußen in Kauf zu nehmen. Vorbildliche Schweinebauern wie dieser bestätigen als Ausnahme die Regel.

Gesundheitlich schätzt die Ernährungswissenschafterin Petra Rust Original und pflanzliche Alternative in etwa gleich ein. Die Beyond-Bratwurst ist etwas weniger fett und enthält auch weniger Salz. Zwar ist die Zutatenliste bei den veganen Würsten lang, aber das muss per se nicht schlecht sein. "Erbsenprotein ist etwa eine sehr gute Proteinalternative", sagt Rust.

Geschmack: 7/10 – Imitation: 7/10 – Gesundheit: gleich – Nachhaltigkeit: deutlich besser – Regional: nein (Niederlande) – Preis: 19,95 € / kg – deutlich teurer (Bratwürste von Radatz kosten 15 €, von Clever 10 € / kg)

Zutaten: Wasser, Erbsenprotein* (16 %), Kokosöl, Sonnenblumenöl, Aromastoffe, Reisprotein, Ackerbohnenprotein, Kartoffelstärke, Salz, Obst- und Pflanzenkonzentrate (Rote Bete, Karotte, Paprika), Apfelfaser, Stabilisatoren (Methylzellulose, Calciumalginat)

Gericht drei: Extrawurst von Die Ohne aus Ei, Milch und Erbsen

Foto: Sator

Extrawurst! Sie schmeckt nach nichts, ist sehr ungesund und kommt meistens von Tieren, die ein unwürdiges Leben geführt haben. Trotzdem liebe ich sie! Sie schreit aber am ehesten nach Disruption. Ich kaufe mir die vegetarische Extrawurst von "Die Ohne", sie besteht aus Pflanzenfett, Milch-, Erbsen- und Hühnereiweiß. Hersteller sind die Marcher Fleischwerke aus Kärnten, die ihr Geschäft sonst mit Fleisch machen. Ich packe die Veggie-Wurst mit Gurken in ein Mohnweckerl und bin begeistert! Nie wieder tierische Extrawurst.

Geschmack: 8/10 – Imitation: 10/10 – Gesundheit: gleich – Nachhaltigkeit: besser – Regional: ja – Preis: 27,38 € / kg – deutlich teurer (Clever-Extrawurst kriegt man für 6 Euro das Kilo)

Zutaten: Trinkwasser, Pflanzenfett (Sonnenblumenöl, ganz gehärtet; Sonnenblumenöl, Kokosfett), 5 % Milcheiweiß, 3 % Erbseneiweiß, Sonnenblumenöl, Hühnerei-Eiweiß, Speisesalz unjodiert, Gewürze, Gewürzextrakte, Verdickungsmittel: Carrageen und Johannisbrotkernmehl, Dextrose, Zucker, Maltodextrin, Farbstoff: Lycopin, Säureregulatoren: Natriumacetate und Natriumlactat, Geschmacksverstärker: Mononatriumglutamat, Antioxidationsmittel: Ascorbinsäure.

Gericht vier: Thunfisch "Thun Visch" von Garden Gourmet

Foto: Sator

Die Meere werden teilweise leergefischt, gerade großen Fischen wie Lachs oder Thunfisch setzt die industrielle Fischerei stark zu. Darum war ich sehr gespannt, wie das Ersatzprodukt aus Erbsen- und Weizenprotein schmeckt. In einer Bowl mit Reis und Rotkohl schmeckte er fantastisch, für mich war da kaum ein Unterschied zu Dosenthunfisch zu erkennen. Aber: Die Veggie-Version erkauft sich den Geschmack mit viel Rapsöl und hat einen 20-mal höheren Fettanteil als das tierische Produkt und dreimal mehr Kalorien.

Damit fällt sie für mich durch. Außer man vergleicht sie mit in Öl eingelegtem Thunfisch, dann ist es wiederum egal. Hier spricht aber auch der höhere Anteil an Omega-3-Fettsäuren für das tierische Produkt, sagt Petra Rust.

Geschmack: 10/10 – Imitation: 10/10 – Gesundheit: schlechter – Nachhaltigkeit: besser – Regional: nein (Niederlande, Soja auch aus Nicht-EU-Ländern) – Preis: 27,7 € / kg – teurer (Vier Diamanten 17 €, Rio Mare 22–34 €, Clever 9 € / kg)

Zutaten: Wasser, Erbsenprotein (18,6 %), Rapsöl, Weizenprotein (8 %), Aromen, Zitronenfaser, Salz

Gericht fünf: Burger mit Patty von Beyond Meat

Foto: Sator

Ich bin mir ziemlich sicher, hätte man mir ein tierisches Patty und das von Beyond Meat jeweils in einem Burger vorgesetzt, ich könnte sie nicht unterscheiden. Saftig, würzig, richtig gut! Gerade wenn Fleisch stark mariniert ist oder wie im Burger mit Salat, Gurken, Tomaten und Sauce serviert wird, merkt man den Unterschied kaum. Auch gesundheitlich sind die beiden vergleichbar. "Isst man zweimal im Monat Burger, sind beide sicherlich okay", sagt Petra Rust von der Universität Wien. Das Veggie-Patty brauche, um den Geschmack zu kopieren, mehr Aromen, enthalte dafür aber weniger Salz und ungesättigte Fette.

Ökologisch ist das Beyond-Patty deutlich besser. Erbsen und Raps anzubauen und direkt zu essen ist viel effizienter, als sie zuerst durch einen Rindermagen zu schleusen. Das ist auch der Grund, warum eine Reduktion des Fleischkonsums so zentral ist: Er verschafft Spielraum, Landwirtschaft weniger intensiv zu betreiben und Flächen zu renaturieren.

Ein Gedankenexperiment: Um in der ganzen EU den Fleischkonsum zu 100 Prozent auf Ersatzprodukte aus Erbsenprotein umzustellen, bräuchte man 7,7 Millionen Hektar Land zusätzlich für den Anbau der Erbsen. Die 67 Millionen Hektar Ackerfläche, auf denen derzeit Futtermittel für Tiere angebaut wird, könnte man sich also sparen. Das sind 88,5 Prozent weniger!

Geschmack: 10/10 – Imitation: 10/10 – Gesundheit: gleich– Nachhaltigkeit: deutlich besser – Regional: nein – Preis: 17,65 € / kg – teurer (Hofstädter 10 €, Clever 7 €)

Zutaten: Trinkwasser, Erbsenprotein* (16 %), Rapsöl, Kokosnussöl, Reisprotein, Aroma, Stabilisator (Methylcellulose), Kartoffelstärke, Apfelextrakt, Farbstoff (Betenrot), Maltodextrin, Granatapfelextrakt, Salz, Kaliumchlorid, Zitronsaftkonzentrat, Mais Essig, Karottenpulver, Emulgator (Sonnenblumenlecithin)

Gericht sechs: Leberkässemmerl bei "Eh Wurst"

Foto: Eh Wurst

Raphael Rosdobutko ist Vegetarier, hat früher aber gerne Würste, Hotdogs und Fastfood gegessen. Also gründete er das Lokal Eh Wurst im 7. Bezirk in Wien. Er hat sich durch eine Vielzahl an Ersatzprodukten getestet, "es war sehr viel dabei, was gar nicht gut war. Einige aber waren so nah am Original, dass man das in einem Blindtest wohl nicht merken würde." Nach unserem Gespräch war ich dort, die Bratwurst aus Kräutersaitlingen und Austernpilzen hat mich nicht überzeugt, dafür aber überraschenderweise die Leberkässemmel.

Das Tolle: Die Zutaten dafür kommen zu 100 Prozent aus Österreich. Das ist wichtig, denn wenn die Wertschöpfung von Ersatzprodukten großteils ins Ausland geht, dann besteht die Gefahr, dass die politisch sehr gut vernetzten Landwirte notwendige Reformen blockieren. Der vegane Leberkäse hat neunmal weniger gesättigte Fettsäuren als das tierische Original.

Die Zutatenliste ist lang. Häufig gilt: Je länger die Zutatenliste, desto schlechter ist ein Produkt für die Gesundheit. Also schauen wir uns das mal im Detail an, die Infos stammen von Petra Rust. Was ist drin? "Nix Verwerfliches", sagt sie. Der Reihe nach:

Wasser, 20 Prozent Gemüse (Zwiebel, Karfiol, Kartoffel, Rote Rübe, Paprika), dann eine Pflanzenfett-Stärke-Zubereitung (Wasser, Kokosnussöl, modifizierte Stärke, Speisesalz, Kräuter, Olivenextrakt) – das ist für die Konsistenz, mit der Stärke macht man das Produkt besser verdaulich, sie wird meist aus Mais oder Weizen gewonnen –, 14 Prozent Erbseneiweiß, Rapsöl, Verdickungsmittel: Carrageen, Methylcellulose, Johannisbrotkernmehl, Xanthan – auch hier geht es um die Konsistenz. Die Mittel sind alle zugelassen und finden häufig Anwendung, Carrageen etwa in der Marmeladeherstellung –, Glukose-Fruktose-Sirup für den Geschmack, Maltodextrin – das ist ein Stärkeabbauprodukt, das gut verdaulich ist und etwa in Spitälern für die Verköstigung eingesetzt wird –, Aroma – das kann alles sein, damit es besser schmeckt –, Gewürze, Dextrose – ein Zucker –, Roter-Rettich-Konzentrat – wohl für die Farbe –, Kaliumsorbat, damit es haltbar bleibt, und Milchsäure zur Säuerung.

Geschmack: 8/10 – Imitation: 8/10 – Gesundheit: besser– Nachhaltigkeit: deutlich besser – Regional: ja– Preis: 37,48 € / kg – teurer (Staudinger in Feinkost 19,99 €, Clever 7 €)

Foto: Sator

Was ich sonst noch probiert habe: Veggie-Fischstäbchen vom Hofer, die sind so gut, wie Fischstäbchen eben gut sein können, Nuggets von Just Veg, auch sehr in Ordnung. Beide sind laut Rust weder gesünder noch ungesünder als das Original. Nuggets esse ich ab und zu gerne, und hier werde ich auf die Veggie-Alternative umsteigen.

Auch Faschiertes von Vegavita schmeckte passabel, ist aber fetter und hat mehr Kalorien als die tierische Version. Das Hendlfilet von Garden Gourmet ist gesundheitlich laut Rust ähnlich wie das tierische Original zu bewerten und schmeckte auch ganz gut.

Es gab aber auch ein paar bittere Überraschungen in den Tests, etwa die Bratwurst von Garden Gourmet, die schmeckte gar nicht, das Steak von Green Mountain bekamen die Katzen zu fressen (scheußlich!), die vegane Currywurst beim Dönermeister auf der Alser Straße war ebenfalls für die Katz'.

Ich hatte den Vorteil, dass mir viele Menschen bereits "die guten Sachen" empfohlen haben. Wer also selbst beginnt zu testen, braucht Durchhaltevermögen. Vieles schmeckt nicht.

Mein Resümee

In Summe bin ich aber überrascht! Ich habe einiges getestet, was ich künftig sicher ab und zu kaufen werde und jedenfalls dem tierischen Original vorziehe, etwa die Extrawurst, das Burger-Patty, die Nuggets und den Leberkäse. Wenn es gleich gut schmeckt, gesundheitlich manchmal sogar besser und ökologisch vorteilhafter ist, ist das für mich nur logisch.

Die Hälfte des Fleisches in Österreich wird verarbeitet konsumiert, etwa unsere beliebte Wurst, und hier stehen einige Ersatzprodukte dem tierischen Original im Geschmack um wenig nach. Würden wir alle verarbeiteten tierischen Produkte eins zu eins ersetzen, der Konsum von Fleisch würde um die Hälfte sinken.

Das wäre aus Klima- und Umweltsicht ein enormer Fortschritt und könnte ganz neue Spielräume für mehr Tierwohl schaffen. Wer Fleisch gerne als Ganzes isst, als Steak oder ein Brathendl, macht das weiter – hier bieten die Ersatzprodukte (derzeit noch) keine Alternative.

Plan A und B

Viele tierische Produkte sind in hohen Mengen konsumiert sehr ungesund und genauso ist es auch bei den Ersatzprodukten. Die Ernährungswissenschafterin Petra Rust sagt, manche Veganer und Vegetarier würden denken, ein Produkt sei schon alleine deshalb gesünder, weil kein Fleisch, sondern etwa Erbsen oder Soja, enthalten sind. Das sei ein großer Irrtum.

Es ist immer besser, ein nicht verarbeitetes Produkt zu essen als ein verarbeitetes. Also besser Steak als Wurst. "Großangelegte Studien belegen, dass ein hoher Konsum hoch verarbeiteter Produkte absolut gesundheitsabträglich ist." Wenn man aber ein hoch verarbeitetes Produkt durch ein anderes hoch verarbeitetes Produkt ersetze, sei das jetzt auch nicht ungesünder.

Heißt übersetzt: Bei Dingen wie Speck, Wurst und Schinken, von denen wir Unmengen essen, ist das tierische Original schon so ungesund, dass das Ersatzprodukt kaum schlechter für den Körper sein kann. "Toll wäre, wenn die Leute durch die Ersatzprodukte den Absprung schaffen und mit der Zeit auf den Konsum von Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst umsteigen."

Was Rust beschreibt, ist das ideale Szenario. Die Menschen essen nur mehr selten Fleisch, dafür dann hochqualitatives, weniger Wurst, dafür ein gutes Steak, und sonst mehr Karfiol und Bohnen statt Speck und Cabanossi. Ersatzprodukte sind der Plan B. Dass es ihn braucht, zeigen aber die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte.

Denn der euphorische Wandel der Ernährungsgewohnheiten in Richtung Brokkoli und Co ist global nicht zu erkennen. Ersatzprodukte lösen also nicht alle Probleme – sie können aber einen großen Beitrag zum Bremsen des Klimawandels, zur Umkehr des Artensterbens (hier eine Studie dazu) und für weniger Leid in der Tierhaltung leisten. Das ist nicht nichts.

Preis leider sehr hoch

Was sicherlich nicht förderlich ist, ist der hohe Preis. Jedes einzelne Ersatzprodukt im Test war teurer als das tierische Original aus konventioneller Landwirtschaft. Die Entwicklung von Produkten bedeutet zuerst einmal einen hohen Finanzaufwand, und in der Zielgruppe dürften sich die Anbieter derzeit an ein wohlhabenderes Publikum richten. Je mehr ihre Produkte nachgefragt werden, desto stärker sollten sie auch im Preis fallen.

Sie sind nicht natürlich?

Was den Umstieg auf Ersatzprodukte aber noch deutlich stärker hemmt, ist die Skepsis vieler Menschen gegenüber synthetischen Produkten. An Fleischwaren haben wir uns gewöhnt, sie sind für viele von uns "natürlich". Dabei essen wir bereits hochverarbeitete Fleischwaren en masse. Und auch für alle anderen gilt: An ihrer Herstellung ist rein gar nichts natürlich.

Schweine wurden so hochgezüchtet, dass sie nicht gesund alt werden können: Ihre Gelenke könnten ihr Gewicht nicht stemmen. Die sozialen Tiere, die wie Hunde auf ihre Namen reagieren, wenn sie mit Menschen leben, hausen mit ihrer sensiblen Spürnase auf engstem Raum über ihrem eigenen Kot und Urin. Sie werden nach einem kurzen, faden Leben ohne Beschäftigung und mit viel Leiden über hunderte Kilometer zum Schlachthof transportiert, mit CO2 betäubt, verarbeitet und für Wurst dann in ihren eigenen Darm gepresst.

Für Milch, Joghurt und Käse werden hochgezüchtete Kühe, die außer in den Alpen oft kaum mehr das Freie sehen und denen etwa Mais oder Getreide gefüttert wird, was sie in der Natur nicht fressen würden, ständig künstlich geschwängert, es werden ihnen gleich nach jeder Geburt ihre Kinder weggenommen, die dann nach ihrer Mutter schreien, weil wir die von der Natur für die Kälber vorgesehene Milch selbst trinken wollen (und dann Käse daraus machen und die Kälber dann vielleicht paniert auf den Teller bringen).

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich trinke fast jeden Tag Milch, ich esse auch gerne mal ein Schnitzel – aber was soll daran bitte natürlich sein?

Zivilisatorische Errungenschaft

Die Landwirtschaft ist eine zivilisatorische Errungenschaft, es gibt einige Bauern, die etwa ihre Rinder im Freien und Kühe mit ihren Kälbern leben lassen und die fast nur Gras fressen, es gibt die Bauern, wo Schweine fast so leben können wie Wildschweine und den Luxus von Sicherheit und Futter genießen können (sie "bezahlen" das dann mit dem Leben).

Fleisch zu essen oder Milch zu trinken muss nicht unmoralisch sein. Aber Ersatzprodukte sind großteils nicht mehr oder weniger unnatürlich als tierische Produkte im Supermarkt. Zuletzt verlief die Marktentwicklung aber schleppend. Nach teilweise starken Anstiegen stagniert die Entwicklung bei Milch und Co bei 3,6 Prozent (Molkereiprodukte) und 1,4 Prozent (Fleischprodukte) des Gesamtumsatzes im Vergleich zum Vorjahr.

Der Fleischkonsum ist aber insgesamt rücklaufend, von 65 Kilo pro Kopf im Jahr 2015 auf 59 Kilo 2021. Ersatzprodukte können das beschleunigen. Fleisch zu besteuern und Betrieben Förderungen zu bezahlen, wenn sie auf pflanzliche Erzeugung umsteigen, kann dabei helfen. Viele Ersatzprodukte sind schon absolut reif für die breite Masse. Wer seinen Kindern gerne Fischstäbchen oder Chicken Nuggets serviert, sollte dringend mal die Alternative probieren.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder, der sich durchprobiert, zumindest ein, zwei Produkte findet, wo die pflanzliche Alternative überzeugt. Darum kann es helfen, vor allem in Kantinen von Krankenhäusern, Schulen oder in Pflegeheimen Probewochen zu veranstalten. Eine Studie zeigt auch, dass mehr Leute zum Ersatzprodukt greifen, wenn es in der Theke direkt neben dem tierischen Produkt liegt und nicht in einer eigenen Veggie-Abteilung.

Und was ist mit den Bauern?

Ein großes Hindernis für einen breiten Umstieg auf Ersatzprodukte könnte auch sein, dass landwirtschaftliche Betriebe damit deutlich weniger Geld verdienen würden. Denn wer im Stall Tiere stehen hat, kann mit weniger Grund viel mehr erwirtschaften, als wenn man nur Erbsen, Soja und Weizen anbaut und verkauft, heißt es von der Landwirtschaftskammer.

"Ein Bio-Milchviehbetrieb kann von 25 Hektar Grünland leben. Ein Ackerbauer im Vollerwerb braucht mindestens 200 Hektar Fläche, um rentabel wirtschaften zu können", sagt Christian Jochum von der Landwirtschaftskammer. Die Abkehr vom Fleischkonsum würde sich also auf den ländlichen Raum auswirken. Andererseits: Der wandelt sich ja dauernd – und auch ein ungebremster Klimawandel würde Äcker und Wiesen nicht mehr wiedererkennbar machen.

Gleichzeitig setzen aber immer mehr Betriebe auf Qualität statt auf die reine Masse. "Wer ein Spezialprodukt aus Rindfleisch oder Bioeier verkauft, bekommt dafür einen höheren Preis", sagt Jochum. Damit verdiene man mehr, sodass das den Absatzrückgang ausgleichen kann.

Dass die heimische Landwirtschaft Ersatzprodukte aber nicht mit offenen Armen begrüßt, hat auch noch einen anderen Grund. Derzeit fließt noch sehr viel Geld dafür ins Ausland. Denn die Hersteller sind teilweise Konzerne, die möglichst billig einkaufen. Heimische Molkereien springen aber auf den Zug auf, es gibt etwa Schärdinger Hafermilch.

Die beste Hafermilch kommt aber von Oatly aus Schweden (mein Tipp: Barista Edition). Hier müssen die heimischen Anbieter rasch nachziehen. Denn: Die Ernährungsgewohnheiten ändern sich. Die Ersatzprodukte sind im Regelfall nicht ungesünder als das verarbeitete tierische Original, nicht unnatürlicher und besser für Natur, Klima und die Tierwelt.

Die Politik ist gefordert, mit Anreizen und Förderungen dafür zu sorgen, dass ich in ein paar Jahren ein dem Original ähnliches, halbwegs gesundes und nachhaltiges veganes Burger-Patty aus Österreich kaufen kann – den regionalen Veggie-Leberkäse gibt es ja schon.

Im nächsten Beitrag der Serie geht es darum. Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an, um ihn nicht zu verpassen. (Andreas Sator, 5.12.2022)