Es handle sich um den "Eintritt in ein neues Zeitalter", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, bevor er das neue Screeningprogramm – also die Corona-Teststrategie für die kommenden Monate – vorstellte. Bisher wurden bundesweit insgesamt 628.000 Testungen durchgeführt. Die Anzahl soll ab nächster Woche erhöht werden: Bis zu 30.000 Tests sollen zusätzlich pro Woche durchgeführt werden. Im März gab die Bundesregierung als Ziel 15.000 Tests pro Tag aus. Derzeit liege man bei etwa 6.000 Tests pro Tag, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Die Kosten für das Screeningprogramm bis Ende 2020 liegen bei 240 Millionen Euro.

25.000 bis 30.000 Tests sollen zusätzlich pro Woche durchgeführt werden.
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Neu in den Fokus rücken sollen vor allem Personen, die sich in prekären Lebenssituationen befinden. Das können Mitarbeiter in Schlachtbetrieben oder Logistikfirmen sein, aber auch Bewohner von Asylunterkünften oder Obdachlose. Ebenso soll in Alten- und Pflegeheimen erneut getestet werden, aber auch "exponierte Personen im Gesundheitswesen" sollen die Möglichkeit zur Testung bekommen. Auch Personen, die enge (Reise-)Kontakte in den Westbalkan haben, sollen verstärkt Tests angeboten werden. Der Plan, diese Personengruppen gezielt zu testen, sei mit den Ländern akkordiert, hieß es. Die Testungen können aber nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden.

Kriterien gelockert

Weiterhin getestet werden einerseits Kontaktpersonen, die sich eines Tests im Fall des Falles auch nicht entziehen können, sowie Personen, die aufgrund diverser Krankheitssymptome als Verdachtsfälle gelten. Die Kriterien hierfür wurden seit Beginn der Pandemie gelockert, mittlerweile zählen dazu auch Husten oder Halsschmerzen, wenn es dafür keine andere Ursache gibt, sowie Verlust des Geschmacks- oder Geruchssinns.

Damit wird im Wesentlichen nun bundesweit das umgesetzt, was in Wien schon vor ein paar Wochen begonnen wurde. "Ich war ja nie einer derjenigen, der das Vorgehen der Wiener Behörden offensiv kritisiert hat", sagte Anschober in diesem Zusammenhang.

Oberösterreich "alles andere als erfreulich"

Die "aktuellen Entwicklungen im regionalen Bereich", also der Anstieg der Fälle in Oberösterreich, seien zwar "alles andere als erfreulich". Am Vortag wurden dort 61 positive Testergebnisse verzeichnet, am Donnerstag waren es 42. Dem müsse man nun mit intensivem Containing und Kontaktpersonenrückverfolgung entgegentreten. Auch das Gesundheitsministerium steht hinter der Entscheidung zu Schul- und Kindergartenschließungen in fünf oberösterreichischen Bezirken.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte bei der Pressekonferenz am Donnerstag, dass es nach wie vor sinnvoll sei, eine Maske zu tragen.
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69 Menschen werden derzeit wegen Covid-19 in österreichischen Spitälern versorgt, sieben davon auf Intensivstationen. Insgesamt stieg die Zahl der positiv getesteten Fälle seit Beginn der Epidemie auf 17.941. Bis Donnerstagfrüh wurden 68 neue Fälle verzeichnet. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stellte am Donnerstag klar, dass es wegen der regionalen Anstiege zu keinen bundesweiten Maßnahmen kommen werde.

Prinzipiell befinde sich der Anstieg aber im Bereich dessen, was in der aktuellen Phase zu erwarten gewesen sei, sagte Anschober. Nicht zuletzt auch mit der Öffnung Richtung Tourismus werde man sich auf einzelne Steigerungen einstellen müssen. Verschieben will man aber vorerst weitere Öffnungen in der Nachtgastronomie: "Wir wollen noch etwas zuwarten und jede Woche prüfen."

Derzeit in Phase 3

Zur Erinnerung: Die Phase 1 bestand aus dem bundesweiten Lockdown, in dieser Zeit wurden die meisten täglichen Neuinfektionen verzeichnet. Während dieser Phase wurde das exponentielle Wachstum abgesenkt. Am 14. April begann die erste schrittweise Öffnung mit immer mehr Lockerungen, die alle zwei Wochen vollzogen wurden, und damit der Eintritt in Phase 2. Derzeit befinden wir uns in Phase 3 mit dem Ziel der Stabilisierung der Situation. Unmittelbar nach den letzten Lockerungsschritten sei auch kein Anstieg der Fälle registriert worden, betonte Anschober am Donnerstag. Doch mit leichter Verzögerung scheint dies nun doch der Fall zu sein – wiewohl der Großteil auf den Freikirchen-Cluster in Oberösterreich zurückzuführen ist.

Im Herbst soll planmäßig die vierte Phase beginnen. Es ist die Zeit, die die Regierung als größte Herausforderung betrachtet – schließlich wird es in den kommenden Wochen darum gehen, ob man die Situation so weit stabilisieren kann, dass bei anhaltenden Lockerungen die Infektionen trotz vermehrter Indoor-Aufenthalte nicht steigen. Dementsprechend ist auch die präsentierte Teststrategie als Vorbereitung auf den Herbst zu sehen. Er sei überzeugt, dass man die zweite Welle verhindern könne, sagte Anschober.

Österreich startet mit kommender Woche in allen Bundesländern ein großes Screeningprogramm auf SARS-CoV-2.
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Masken nicht verboten

Er erinnerte aber auch an drei Voraussetzungen, die aus seiner Sicht gegeben sein müssen, um einen zweiten Lockdown zu verhindern. Erstens: Bei einem dramatischen Anstieg wird seitens der Bundesregierung "rasch die Notbremse gezogen". Zweitens: Bei regionalen Clustern wird ein rasche Kontaktpersonenverfolgung durchgeführt. Drittens: Die Bevölkerung setzt die geltenden Regeln (Stichwort Mindestabstand) nach wie vor um. Hier habe das "Bewusstsein abgenommen", sagte der Gesundheitsminister und betonte gleichzeitig, dass das Tragen einer Maske in Bereichen, in denen sie nicht mehr verpflichtend ist, auch nicht verboten sei.

Kritik von der Opposition

Von der Opposition kommt Kritik, sowohl an der Teststrategie als auch an den Schulschließungen in Oberösterreich. Die SPÖ fordert eine "schnelle Virusbremse", als dessen zentrales Element Parteichefin Pamela Rendi-Wagner die Erhöhung der Testungen auf mindestens 15.000 Stück pro Tag sieht. Um zu schnelleren Ergebnissen zu kommen, sollten zudem die Amtsärzte, die die Tests durchführen, massiv aufgestockt und die Auswertung auf digitalem Weg bereitgestellt werden.

Auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisiert, dass die Regierung das Ziel von 15.000 Tests pro Tag nicht erreicht habe: "Da ist viel versprochen, aber nicht gehalten worden." Kritik gibt es zudem an den Schulschließungen in Oberösterreich: Dass als erste Maßnahme ausgerechnet die flächendeckende Schließung von Schulen und Kindergärten durchgeführt wurde, lässt für Parteichefin Beate Meinl-Reisinger nichts Gutes für den Herbst erwarten. "Wir wissen, dass Kinder nicht die Hauptüberträger dieser Krankheit sind", sagte Meinl-Reisinger. "Ich finde es inakzeptabel, wie diskussions- und kritiklos Kinderbetreuung und Bildung ins Private verschoben werden", kritisierte Meinl-Reisinger. (Vanessa Gaigg, 2.7.2020)