Sharon Nuni ist seit 2015 Sendungschefin der "Liebesg'schichten und Heiratssachen", sie leitet außerdem die ORF-TV-Kulturdokumentationen.

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Wien – Wenn man Sharon Nuni fragt, welches Resümee sie am Ende der 24. Staffel der "Liebesg'schichten und Heiratssachen" gerne lesen würde, sagt die Sendungsverantwortliche: "Das ORF-Format ist Kult, der Kult lebt mit Nina Horowitz erfolgreich weiter und ist ein Publikumshit wie eh und je." Zuvor heißt es hoffen, dass das Publikum die erneuerte Sendung annimmt. Die Chancen stehen nicht so schlecht, denn der Charakter des Formats hat sich nicht groß verändert – Kuppelshow bleibt Kuppelshow –, neu ist aber die Gestalterin und Interviewerin: Nina Horowitz tritt in die großen Fußstapfen von Elizabeth T. Spira.

Dass es ab Montag, 6. Juli, um 20.15 Uhr in ORF 2 überhaupt zu einer neuen Staffel der "Liebesg'schichten und Heiratssachen" kommt, war nach dem Tod Elizabeth T. Spiras im März 2019 alles andere als klar: "Wir haben uns Zeit gelassen, das zu entscheiden. Wir wollten erst die von Toni begonnene Staffel zu Ende führen und dann über die Zukunft nachdenken", erklärt Sharon Nuni. Sie leitet die Sendung seit dem Jahr 2015 und ist außerdem Leiterin der ORF-TV-Kulturdokumentationen.

Es geht um die Singles

Weil das Format "ein bisschen heilig" sei und für viele Zuseher untrennbar mit dem Namen Elizabeth T. Spira verbunden, fiel die Entscheidung zur Fortsetzung erst im Herbst 2019. "Es geht in der Sendung aber um die Leute und nicht um die Präsentation. Es war auch nie eine Personality-Show von Elizabeth T. Spira. Es ist zu Kult und zu Spiras Sendung geworden, das war nicht von Haus aus so", sagt Nuni im Gespräch mit dem STANDARD. Spira habe immer betont, dass nicht sie die Geschichte sei, sondern die Singles, die ihr Liebesglück suchen: "Also jene, die sonst überhaupt keinen Scheinwerfer haben."

"Wertschätzender Blick" auf Kandidatinnen und Kandidaten

Dass der Scheinwerfer manchmal sehr direkt auf ihre Protagonisten fiel, brachte Spira aber nicht nur viel Bewunderung ein, sondern auch regelmäßig Kritik. Während ihre Fans sie als Chronistin der österreichischen Seele feierten, war bei anderen von Sozialpornos oder Bloßstellen von Leuten die Rede – speziell bei ihren Milieureportagen, den "Alltagsgeschichten", aber auch den "Liebesg'schichten". Ein Vorwurf, den Nuni nicht nachvollziehen kann: "Unser Blick ist immer wertschätzend und liebevoll. Es geht ja tatsächlich darum, die Menschen in ihrer Einsamkeit zu sehen und ihnen zu helfen, diese zu durchbrechen." Das ganze Team halte den Kandidaten die Daumen und wünsche ihnen das Glück zu zweit.

Elizabeth Toni Spira starb im März 2019. Sie erreichte mit ihren "Alltagsgeschichten" und "Liebesg'schichten und Heiratssachen" große Popularität.
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"Ich denke, dass gerade wir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen diese Balance halten können", so Nuni: "Spira war einzigartig, sie war die Grande Dame der österreichischen Reportage und hat als solche einige Formate geprägt. Sie war mutig, humorvoll und hatte keine Berührungsängste."

"Große Nähe"

Für die Spira-Nachfolge gab es zehn Kandidatinnen und Kandidaten, erzählt Nuni. Dass die Wahl nach einem Casting auf die langjährige "Am Schauplatz"-Redakteurin Nina Horowitz fiel, ist für Nuni ein Glücksfall: "Nina ist ebenso einzigartig in ihrer Herangehensweise. Sie schafft eine große Nähe zu ihren Protagonistinnen und Protagonisten. Sie entwickelt eine eigene Handschrift, und die ist großartig." Horowitz räumt den Kandidaten mehr Sendezeit ein und geht damit mehr in die Tiefe: Statt sieben pro Sendung werden nur mehr sechs porträtiert. "Bei Nina finde ich sehr schön, dass sie ein bisschen ausschweifender als Spira über den Background redet. So bekommt man von den Menschen mehr mit."

Nina Horowitz (43) ist die Nachfolgerin von Elizabeth T. Spira.
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Was geändert wurde

Dass pro Folge ein Kandidat weniger zu sehen ist, ist nicht die einzige Änderung. Wie berichtet, wurde noch an anderen Schrauben gedreht. So wurden Titel- und Schlusslied verändert und das prägnante Kussgeräusch beim Kandidatenwechsel gestrichen. Statt Hans Krankls Interpretation von Paul Ankas "Lonely Boy" hören die Zuseherinnen und Zuseher jetzt Roy Black, und statt der Torte kündigt ein roter Luftballon in Herzform den Namen des nächsten Singles an. Die Interviews in den eigenen vier Wänden bleiben erhalten, sie werden mit mehr Außenaufnahmen garniert. Für Sendungschefin Nuni ist das ein bewusster Bruch, um dem Format eine neue Färbung zu geben: "Es ist jetzt zeitgemäßer, hat aber noch den Kitschfaktor." Und: "Nina ist sehr musikaffin und sucht sich mit ihrem Team die passende Musik aus, die den Charakter der Sendung erheblich mitprägt."

Das Erfolgsformat "Liebesg'schichten und Heiratssachen" katapultiert Jahr für Jahr die ORF-Sommerquoten in lichte Höhen: Die zehn Folgen der 23. Staffel sahen im Schnitt 888.000 Zuseher.
Grafik: ORF

Charakter der Sendung

Als die "Liebesg'schichten" 1997 erstmals auf Sendung gingen, waren die Kandidatinnen meist "so Mutterln, Witwen, Hausmeisterinnen", sagt Nuni und betont: "Ich meine das nicht despektierlich." Bereits seit einigen Jahren seien komplett unterschiedliche Schichten vertreten: Von der Lehre bis zum Uni-Abschluss ist alles vorhanden. Das Milieu spiele keine Rolle. Ebenso wenig wie die sexuelle Orientierung: "Es ist okay, zu den 'Liebesg'schichten' zu gehen." Spira habe hier Pionierarbeit geleistet, sagt Nuni: "Die Toni war die Erste, die Transgender-Menschen gezeigt hat, heute ist das gang und gäbe. Vor 15 Jahren gab es das nicht." Dass man heute im Hauptabend sagen könne "Hallo, ich bin der Florian, ich suche einen Partner", sei auch Spiras Vermächtnis.

Dass es im Laufe der Sendungsjahre so wenige Kandidatinnen und Kandidaten mit Migrationshintergrund gegeben habe, bedauert Nuni, eine Erklärung dafür hat sie aber nicht: "Vielleicht traut man sich das nicht, weil es so österreichisch ist." Dass es eine Hemmschwelle gebe, glaubt sie schon, an Rassismus als Grund aber nicht: "Wir hatten einmal eine schwarze Kandidatin, die dann gleich mehrere Männer kennengelernt hat. Das war weit weg von Rassismus. Vielleicht hat es einfach nur etwas mit dem Fernsehverhalten zu tun?" (Oliver Mark, 5.7.2020)