
Norbert Hofer ist jetzt FPÖ-Chef – auch wegen des Ibiza-Videos. Zuvor war er türkis-blauer Infrastrukturminister und Regierungskoordinator.
Eine Erkenntnis des Ibiza-Untersuchungsausschusses vom Donnerstag lautet: Türkis-blaue Regierungskoordinatoren hatten keinen Laptop. Denn was sein türkises Pendant Gernot Blümel bereits eine Woche zuvor zu Protokoll gegeben hatte, gilt offenbar auch für den jetzigen FPÖ-Chef Norbert Hofer. Er war nicht nur blauer Regierungskoordinator, sondern auch türkis-blauer Infrastrukturminister und am Donnerstag vor den U-Ausschuss geladen.
Im Zentrum der Befragung stand aber freilich nicht Hofers technische Ausrüstung, sondern die Frage, wie ÖVP und FPÖ Posten besetzten. So wurde der Ex-Minister gleich eingangs mit der Aufsichtsratsbesetzung in der Austro Control mit Kathrin Glock aus der gleichnamigen Waffenproduzenten-Dynastie konfrontiert. Die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli bezeichnete diesen Vorgang im Vorfeld der Befragung als den "ersten großen Sündenfall" von Türkis-Blau.
Es sei bei Besetzungen bloß um die Qualifikation gegangen, erklärte Hofer die eigene Personalpolitik als Minister.
Dass es in der Regierung ein Übereinkommen gab, wonach Vorschlagsrechte bei Aufsichtsräten nach dem Schlüssel "zwei zu eins" aufgeteilt wurden, bestätigte der FPÖ-Chef. Für Vorstände habe das aber nicht gegolten. Jedenfalls sei auch bei Aufsichtsräten die fachliche Eignung natürlich vorausgesetzt geworden.
Posten für Spenden?
Der SPÖ-Abgeordnete Andreas Kollross fragte, ob er auch Spenden an die Partei oder parteinahe Vereine für die Besetzung von Aufsichtsratsposten ausschließen könne. Dazu meinte Hofer: "Ich habe kein Geld genommen, weder für mich noch für einen Verein."
Konkret ging es um die Spende des Unternehmers Siegfried Stieglitz an den FPÖ-nahen Verein Austria in Motion. Dieser wurde unter Türkis-Blau zum Aufsichtsrat der staatlichen Asfinag gemacht. Von der Spende habe Hofer erst "lange" nach der Bestellung des Aufsichtsrates erfahren. Auch habe er nie Leute nach Spenden gefragt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Causa, es gilt die Unschuldsvermutung.
Anders als die vergangene Woche geladenen türkisen Vertreter der vormaligen Regierung glänzte Hofer am Donnerstag nicht mit Erinnerungslücken. Bei den meisten Fragen berichtete er den Abgeordneten ausgiebig.
Wo die Erinnerung fehlte, war bei der Glücksspielnovelle, die nach wenigen Tagen Begutachtung zurückgezogen worden war. Die Staatsanwaltschaft geht ja dem Verdacht nach, dass es einen Deal zwischen FPÖ und Novomatic gegeben habe: Posten gegen Glücksspiellizenzen. Alle Parteien bestreiten die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung.
Hofer habe sich jedenfalls nie mit Novomatic-Vertretern getroffen, sagte er. Den ehemaligen blauen Wiener Bezirksrat Peter Sidlo – er wurde am Mittwoch vom U-Ausschuss befragt –, der von dem Glücksspielkonzern als Finanzvorstand der Casinos Austria vorgeschlagen wurde, habe er diese Woche zum ersten Mal gesehen. Glücksspiel sei nicht sein Thema gewesen, es interessiere ihn auch gar nicht, so Hofer: "Ich kann nicht einmal schnapsen."
Spiegelungen
Eine Mutmaßung, wie es zur Rücknahme der Novelle kam, stellte er trotzdem an: Es sei auf die Spiegelung vergessen worden, der Entwurf sei dem Vizekanzleramt nicht vorgelegt worden.
Spiegelung meint die Abklärung von Gesetzesvorschlägen mit dem Koalitionspartner. Kam ein Gesetzesvorschlag von ÖVP-Seite, ging dieser ins blaue Vizekanzleramt zur Bearbeitung. Kam er von FPÖ-Seite, ging er ins Kanzleramt. Keine Spiegelung, keine Begutachtung, wiederholte Hofer nicht nur einmal. Ohne wechselseitiges Abklären sei nichts gegangen. Auf die Spiegelung sei gerade am Anfang von Türkis-Blau immer wieder vergessen worden – nicht nur bei der Glücksspielnovelle.
Schiefer tat bei Regierungsbildung mit
Am Donnerstag wurde auch FPÖ-Urgestein Arnold Schiefer befragt. Der hielt eingangs fest, dass er nicht als Verdächtiger oder Beschuldigter geführt wird. Er sei von FPÖ-Chef Norbert Hofer und Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) gebeten worden, bei der Regierungsbildung mitzutun, als Experte für Verkehr und Infrastruktur. Er war lange im Ministerium und in der ÖBB. Er sei dann immer wieder zu Einzelfragen zu Rate gezogen worden, vor allem zu Budgetfragen, für die der nunmehrige Öbag-Chef Thomas Schmid verantwortlich gewesen sei.
Seine Rolle bei Personalentscheidungen in Staatsunternehmen sei keine große gewesen, sagte er am Donnerstag vor dem U-Ausschuss. Zum einen sei er in seiner späteren Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender in der ÖBB involviert gewesen. Zum anderen sei er um seinen Rat gefragt worden, vorwiegend in den Bereichen Infrastruktur und Verkehr sowie in Budgetfragen. "Manchmal wurde auf mich gehört, manchmal nicht", erklärte Schiefer.
ÖVP legte Ladungsliste vor
Die ÖVP legte ihre eigene Ladungsliste vor. Es sollen mutmaßliche Drahtzieher des Ibiza-Videos sowie hochrangige SPÖ-Leute befragt werden – etwa der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Ex-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda.
Die ÖVP will unter anderem Julian H. in den Untersuchungsausschuss laden. Das könnte schwierig sein, wird der mutmaßliche Drahtzieher bei der Erstellung des Ibiza-Videos doch noch per internationalem Haftbefehl gesucht. Allerdings soll auch dessen Anwalt Johannes Eisenberg aussagen, der dies von sich aus – wie auch die Übermittlung des Videomaterials an den Ausschuss – angeboten hatte.
Auch Neos-Umfeld auf Liste
Auch weitere angebliche Beteiligte beim Video-Dreh will die ÖVP im Ausschuss sehen, etwa einen weiteren Anwalt, der sich als Mitwisser ins Spiel gebracht hatte. Aussagen soll auch ein ehemaliger Kommunikationschef im Bundeskanzleramt unter SPÖ-Kanzler Christian Kern, der Berührungspunkte zu Politberater Tal Silberstein haben soll. Auch der Unternehmer Nikolaus Pelinka steht auf dem ÖVP-Verlangen für den U-Ausschuss.
Aufklärung in einer anderen Sache erhofft sich die ÖVP von Drozda, nunmehriger Abgeordneter der SPÖ. Er war Mitglied des Nominierungskomitee der Öbib und soll daher Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand Postenbesetzungen bei staatsnahen Unternehmen haben. Doskozil wiederum soll als ehemaliger Verteidigungsminister zu seinem angeblichen Tipp an die FPÖ, einen Verein zugründen, Auskunft geben.
Auch in Richtung der Neos richtet sich das Interesse der ÖVP. Hier ist deren größter Einzelspender, der Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner, auf der Liste. Er ist auch langjähriger Vorstandsvorsitzender der Strabag AG, die ebenso im Ibiza-Video angesprochen wurde.
Nicht zuletzt steht auch die Leiterin der WKStA auf der ÖVP-Liste. Während die Opposition den Ausschuss zum Bauchladen macht und schier wahllos die halbe Republik vorlädt, kehren wir zum konkreten Ursprung zurück", kommentierte Fraktionsführer Wolfgang Gerstl das eigene Verlangen.
Gerstl geht es vor allem darum, sich auf die "Hintermänner" des Ibiza-Videos zu konzentrieren – sowie auf den "angekündigten Verkauf unserer Republik". Vor allem stelle sich erneut die Frage nach dem Verbleib des Videos und dem "mit der Entstehung verbundenen kriminellen Netzwerk". Wissen will die ÖVP aber auch, ob der Glücksspielkonzern Novomatic Geld in Richtung SPÖ habe fließen lassen, denn: "Auch zu diesem Themenbereich finden sich immer wieder Hinweise in den Akten." (Renate Graber, Aloysius Widmann, APA, 2.7.2020)