Man mag ja, nach den Wochen der klerikalen Einsamkeit, den Drang zum gemeinsamen Gebet durchaus verstehen. Doch ohne Sicherheitsabstand auf engstem Raum in blindem Gottvertrauen zu lobpreisen kann sich in Zeiten der Pandemie bitter rächen. Der Ausgangspunkt ist mit einigen wenigen Großfamilien, die in mehreren Pfingstkirchen gefeiert haben, zwar überschaubar klein, die Folgen aber sind umso schwerwiegender: Die Corona-Infektionen stiegen in Oberösterreich rasant an, die Landesregierung sah sich zum kleinen Lockdown gezwungen. Für immerhin rund 81.000 Schüler hieß es am Mittwoch überraschend wieder Covid statt Ovid.

Doch in den Jubel unter den Schülern und Kindergartenkindern über den verfrühten Ferienbeginn mischte sich auch entsprechend viel Kritik. Alle Schulen und Kindergärten in sechs Bezirken wegen 42 Neuinfektionen für eine Woche dichtzumachen sei doch völlig übertrieben. Panikmache als Politikstil, der Landeshauptmann als Landesmimose. Dazu mengte sich noch das laute Stöhnen der vielen schwer Homeschooling-traumatisierten Eltern, bei denen allein der Gedanke an eine neuerliche Lernwoche mit dem Nachwuchs wohl völlig natürlich Fluchtreflexe auslöste.

Zu rasch wurde die neue Normalität normal. Masken in den Kübel, Bussi-Bussi und der Babyelefant zurück in den Zoo.
Foto: imago/Olaf Schuelke

Das Chaos an den Schulen, den Kindergärten, die Überforderung auf Eltern- und Pädagogenseite: All das kann man verstehen, muss man aber als führender Politiker eines Landes nicht als Entscheidungsgrundlage hernehmen. Wenn im oberösterreichischen Zentralraum die Corona-Infektionen drastisch nach oben schießen, gilt es die Notbremse zu ziehen. Rechtzeitig. Und das Instrument der Notbremse hat es so an sich, dass die Anwendung abrupt geschieht und ein Stillstand das gewollte Ziel ist. Da können noch am Morgen daheim die Jausenbrote für den Schultag geschmiert werden – um dann erzwungenermaßen daheim verzehrt werden zu müssen.

Übervorsicht

Natürlich lässt sich aus der Anzahl der aktuellen Fälle und den drastischen Reaktionen darauf auch ein gewisses Maß an politischer Übervorsicht ableiten. Es sind dies wohl die Lehren aus dem misslungenen Krisenmanagement und der brisanten Debatte über ein mögliches Politikversagen in der Causa Ischgl. Lieber einmal zu viel das öffentliche Leben einschränken, als einen zweiten europaweiten Hotspot zu riskieren. Ein nachvollziehbarer Weg, der letztlich nur ein Ziel haben kann: einen neuerlichen kompletten Lockdown zu verhindern und die österreichische Volkswirtschaft vor einem Kollaps zu bewahren.

Das virusbedingte Drosseln des Alltagsmotors hat aber auch eines bewirkt: Die Bevölkerung ist schlagartig wieder zurück im Wachsamkeitsmodus. Zu rasch wurde die neue Normalität normal. Masken in den Kübel, Bussi-Bussi und der Babyelefant zurück in den Zoo. Man darf Aussagen wie "Das Virus ist nicht auf Urlaub" als NLP-geschwängerte Politphrase abtun, doch eines muss uns in diesen Tagen und mit Blick auf die Situation in Oberösterreich bewusst werden: Der Lockdown ist näher, als es uns in unserer sommerlichen Unbeschwertheit bewusst ist. Und der Wille der Politik ist stark, ebenso wie deren Angst.

Wollen wir gut durch den ohnehin riskanten Herbst kommen, gilt es wachsam zu sein. Auch beim Akt religiöser Ausgelassenheit. Der Schritt von der Messe zum Superspreader-Event ist ein kleiner, und Jesus allein wird uns vor Covid-19 nicht schützen. (Markus Rohrhofer, 2.7.2020)