Die nicht rechtskräftigen Freisprüche für die Kuratoriumsmitglieder des Wiener Stadterweiterungsfonds sind etwas überraschend. Die vier Akademiker, drei davon Juristen und Sektionschefs des Innenministeriums, hätten mit den Spenden ihre Befugnisse nicht wissentlich missbraucht und niemanden schädigen wollen, begründete die Vorsitzende des Schöffensenats die Entscheidung.

Verhandlungssaal vor Prozessbeginn in der Causa Stadterweiterungsfonds im Straflandesgericht Wien.
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Dass dem ehrenamtlichen Geschäftsführer des Fonds auf Vorschlag der anderen drei eine finanzielle "Anerkennung" ausgezahlt wurde, war demnach eine karitative Tat. Betriebsräte wird das freuen. Die üben nämlich auch ein Ehrenamt aus. Gibt es einen Betriebsratsfonds, können sie nach dieser Logik zu Geld kommen: "Wohlfahrtsmaßnahmen zugunsten der Arbeitnehmerschaft" sind sogar explizit ein Zweck des Betriebsratsfonds. Da Betriebsräte immer Arbeitnehmer sind, steht einem Geldsegen nichts im Wege.

Es mag sogar rechtmäßig gewesen sein, dass insgesamt 1,1 Millionen Euro des Baufondsvermögens ausgegeben wurden, um "Gutes zu tun", wie die verstorbene Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) es angeblich wollte. Mehr als einen Hautgout hat es aber, wenn das Kuratorium, in dem drei Mitglieder der ÖVP nahestehen, ÖVP-affine Spendenempfänger kontaktiert und diesen das Staatsgeld quasi aufgedrängt haben. Kleine Geschenke erhalten zwar die Freundschaft – doch wenn sie mit dem Geld der Allgemeinheit bezahlt werden, sind sie unmoralisch. (Michael Möseneder, 2.7.2020)