Asylsuchende im Eingangsbereich des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen. Ihre Rechtsberatung wurde nun auf neue Beine gestellt.

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Wien – Die neue Asylagentur ist umstritten, und zwar seit ihrem Beschluss durch Türkis-Blau, der nur einen Tag vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos erfolgte. Flüchtlingshelfer und Rechtsexperten stießen sich vor allem an der Verstaatlichung der Gratisrechtsberatung für Asylsuchende, die auf Grundlage von EU-Richtlinienbestimmungen zu Verfahrensbeginn, in der Berufung und vor einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat darauf ein Recht haben.

Die Arbeit wird bis dato einerseits durch die Diakonie und die Volkshilfe beschickten Arbeitsgemeinschaft, andererseits durch den Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) gestemmt.

Furcht um Unabhängigkeit

Staatlich organisierte Rechtsberatung sei keine unabhängige Rechtsberatung, sondern stehe unter dem Einfluss der Regierenden – ganz besonders in einem politisch derart umstrittenen Bereich wie dem Asylwesen, brachten die Kritiker vor, unter ihnen etwa Maria Berger, Exjustizminister der SPÖ und danach Richterin am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Asylsuchende hätten dann keine Möglichkeit einer für sie leistbaren unabhängigen juristischen Vertretung mehr.

NGOs arbeiteten bereits an einer Asylrechtsberatungsstruktur auf eigene Kosten außerhalb der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU). Im Rahmen der Initiative #fairlassen kritisierten sie die Verstaatlichungspläne. Doch der vorgesehene Zeitplan zur Umsetzung der BBU wurde in der Übergangsregierungszeit vom Justizministerium, wo die Asylrechtsberatung ressortiert, sowie vom Innenministerium straff durchgezogen.

"Wirklich gute Arbeit geleistet"

Nun hingegen, ein halbes Jahr später, herrscht zwischen dem Justizministerium und den Kritikern Entspannung. "Ich freue mich, dass wir es geschafft haben, die Rechtsberatung auf unabhängige Beine zu stellen und ihre Qualität zu sichern", sagt Justizministerin Alma Zadić (Grüne) im STANDARD-Gespräch. "Das Justizministerium hat wirklich gute Arbeit geleistet", meint auch Lukas Gahleitner-Gertz vom NGO-Zusammenschluss Asylkoordination.

Zwar halten er und andere Asylexperten, etwa Christoph Riedl, an der prinzipiellen Kritik an der neuen Struktur fest, aber: "In wichtigen Punkten wurden unsere Bedenken von Zadić ernst genommen. So wie die Asylrechtsberatung jetzt aufgestellt wird, besteht die gute Chance, dass die Angebote für die Asylwerber im Vergleich zur Tätigkeit des Vereins Menschenrechte Österreich sogar besser werden." Was es nun aber brauche, sei "eine ausreichende Finanzierung".

Justizministerin Alma Zadić führte monatelange Gespräche mit Experten und Flüchtlingshelfern, sagte sie dem STANDARD.
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Leiter wird Stephan Klammer von der Diakonie

Was ist geschehen, was hat sich verändert? In der Zwischenzeit haben monatelange Gespräche von Experten und Flüchtlingshelfern mit Zadić stattgefunden. "Das Zusammenspiel mit den NGOs ist mir wichtig", sagt sie.

Mit dem Ziel, die "fachliche Weisungsfreiheit" der Rechtsberatung sicherzustellen, sei für diese innerhalb der BBU eine eigene Abteilung geschaffen worden. Zu deren Leiter wurde ab Jänner 2021 Stephan Klammer bestimmt. Derzeit steht er dem Bereich Beratung und Rechtsberatung im Flüchtlingsdienst der Diakonie vor, hat also jahrelange NGO-Erfahrung in diesem Bereich.

Neuer Qualitätsbeirat

Chef der BBU-Rückkehrberatung, die ebenfalls Teil der Asylrechtberatung ist, wird Günter Ecker, Vorsitzender des Vereins Menschenrechte Österreich (VMÖ). Die Organisation erfüllt diese Aufgabe schon jetzt in weiten Teilen. Eckers Stellvertreter oder Stellvertreterin wird eine von der Caritas kommende Person sein.

Am Freitag verkündete Zadić die neue Rechtsberatungsstruktur. Deren Weisungsfreiheit sei zusätzlich durch eine Veto-Möglichkeit des Justizministeriumsvertreters im BBU-Aufsichtsrat abgesichert, sagte sie dem STANDARD. Die Einspruchermächtigung auf Aufforderung Klammers soll in Fällen benutzt werden, in denen der neue Rechtsberatungsleiter fachliche Einschränkungen seiner Weisungsfreiheit befürchtet, etwa durch dienstliche Anweisungen.

Neben dem im BBU-Gesetz vorgesehenen Aufsichtsrat der Agentur, in dem unter anderem Vertreter des Justiz- und des Innenministeriums sitzen, wird zusätzlich ein Qualitätsbeirat gegründet.

Qualifiziertere Rechtsberaterinnen und -berater

Zum BBU-Geschäftsführer war schon im Dezember 2019 Andreas Achrainer ernannt worden, ein Gesundheitsexperte, der davor Landesgeschäftsführer des Roten Kreuzes in Niederösterreich und dem Burgenland war.

Präzisiert und erhöht wurden zuletzt auch die nötigen Qualifikationen für Asylrechtsberater. Neu einzustellende Personen müssen ein abgeschlossenes Jus-Studium und ein abgeschlossenes Gerichtsjahr vorweisen. Die bisher tätigen Rechtsberaterinnen und -berater werden alle übernommen, jene von der Arge ebenso wie jene vom VMÖ. (Irene Brickner, 3.7.2020)