Nach der Aufregung rund um ein Hintergrundgespräch zu ihrem geplanten Bundesheerumbau lud Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Freitag mit Generalstabschef Robert Brieger zu einer hochoffiziellen Pressekonferenz, um ihren "Leitfaden für eine moderne Landesverteidigung" zu verkünden – Letztere stand ja bekanntlich kurz zur Disposition.

Doch ab sofort will sich Tanner in den kommenden drei Jahren vielmehr auf konkrete Reformen konzentrieren, damit das Militär den aktuellen Bedrohungen besser entgegentreten kann, denn: Mittlerweile gibt es hierzulande an die fünfzig Cyberangriffe am Tag, doch der Kalte Krieg sei mittlerweile seit drei Jahrzehnten vorbei, dazu kämen neue Krisenfälle, siehe Corona-Misere, Migrationsandrang und Naturkatastrophen.

Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) mit Generalstabschef Robert Brieger am Freitag: Ab sofort wird klar kommuniziert.
Foto: APA / Robert Jaeger

Zunächst räumte Tanner erneut ein, dass die Kommunikation in den vergangenen Tagen "diskussionswürdig" und "nicht optimal" war – das sei nicht das gewesen, was sich "das Bundesheer und die Soldaten verdient haben". Selbstverständlich werde sich das Bundesheer auch hinkünftig allen verfassungsmäßigen Aufgaben widmen, stellte sie klar. Danach sprach die Verteidigungsministerin in auffallend ruhigem Ton über ihre Pläne (siehe Infobox unten).

Bessere Ausstattung für Freiwillige

Neben dem Fokus auf Cyberdefense will sich Tanner unter anderem auch um die Stärkung der Truppe kümmern: Zwei Tauglichkeitstufen für die Grundwehrdiener (voll- und teiltauglich) sollen ab kommendem Jahr 2.000 bis 3.000 mehr junge Männer in den Militärdienst bringen. Für die Stärkung der Miliz, die im Zuge der Corona-Krise erstmals mobilisiert wurde, habe sie als ersten Schritt zusätzliche Mittel in der Höhe von 200 Millionen Euro aufbringen können, die unter anderem für deren bessere Ausstattung sorgen sollen.

Heeres-Reformpläne mit neuen Schwerpunkten.
ORF

Generalstabschef Brieger betonte, angesichts der anvisierten Pläne gelte es nun für seinen Stab, die entsprechenden Ableitungen zu treffen. Die neue Risikoanalyse für Österreich in den nächsten zehn Jahren sei schon sehr weit fortgeschritten, obwohl man – siehe Pandemie – auch "strategische Schocks" nie ausschließen könne. Auch er versprach Transparenz beim weiteren Vorgehen, konkret für die Planungen bis Jahresende – und zwar für die Bevölkerung, die Wehrsprecher der Parteien, die Medien und natürlich die Mitarbeiter des Bundesheeres, um ihnen Sorgen rund um ihre Existenzen zu nehmen.

Wo die Landesverteidigung nun in der Prioritätenliste stehe? Dazu Tanner: "Ich hätte nie gedacht, dass man so viel über eine Selbstverständlichkeit diskutieren kann." Und Brieger ergänzte: Ein "Fähigkeitskern" werde für konventionelle wie hybride Bedrohungen freilich erhalten bleiben, denn: "Wer verteidigen kann, kann auch helfen. Wer nur helfen kann, kann nicht verteidigen."

Rote Anfrage zu Miliz

Die SPÖ – allen voran ihr Wehrsprecher Robert Laimer – hat eine parlamentarische Anfrage an Tanner zur Miliz eingebracht – konkret zu deren Corona-Einsatz. Darin wird angeprangert, dass deren Mobilisierung zwei Monate lang gedauert hat, dazu sei es zu einer ungleiche Entlohnung von Soldaten im Einsatzpräsenzdienst und Milizionären gekommen. Bei den abgelaufen Budgetverhandlungen wiederum habe die Ministerin "keine finanzielle Besserstellung" des Bundesheeres insgesamt erreicht.

Deswegen wollen Laimer & Co nun unter anderem wissen: "Gibt es und gab es während des Milizeinsatzes sowohl in der Katastrophenhilfe als auch im sicherheitspolitischen Assistenzeinsatz für jede Soldatin und jeden Soldaten die vorgesehene persönliche Ausrüstung wie Warnwesten, Stichschutzwesten, Sicherheitsholster, Schutzhandschuhe, Mund-Nasen-Schutzmasken, Pfefferspray?" Und: "Wäre derzeit bei einem Terroranschlag oder einem Blackout überhaupt entsprechender Schutz für die Miliz vorhandeln?" Für die Beantwortung all dieser Fragen hat die Verteidigungsministerin nun zwei Monate Zeit.

FPÖ kritisiert nächste Nullnummer

Die FPÖ, konkret deren Wehrsprecher Reinhard Bösch, sieht in Tanners Leitfaden "die nächste Nullnummer dieser Ministerin". Unzählige Fragen blieben für ihn auch in dieser Pressekonferenz unbeantwortet: "So fand Tanner keine Worte, wie es etwa mit dem Eurofighter und einer Nachfolge der Saab 105 weitergehen soll – und auch das bereits unter Minister Mario Kunasek (FPÖ, Anm.) beschlossene Hubschrauberpaket wurde von ihr mit keinem Wort erwähnt."

Die Zusammenlegung von Kasernen (wie in Villach) sowie deren schrittweise Sanierung und Ökologisierung sei als Schwerpunkt "schon etwas schwach", so Bösch weiter – und sollen nur über geplante Schließungen hinwegtäuschen. Doch für einen parteiübergreifenden Schulterschluss für eine bessere Dotierung des Bundesheeres zeige Tanner "keinerlei Interesse". (Nina Weißensteiner, 3.7.2020)

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