Neulich, im Kanzleramt, ging es um die Corona-Warnapp. Ob sie diese auch heruntergeladen habe, wurde Angela Merkel bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung mit den Ministerpräsidenten gefragt. Sie antwortete ausweichend, dass sie grundsätzlich willens sei, diese zu nutzen.

"Ich hab’ sie", verkündete der neben ihr sitzende Markus Söder. Und draufschauen würde er auch öfter. Denn: "Während solcher Sitzungen ergibt sich hin und wieder die Gelegenheit, die Gedanken schweifen zu lassen."

Da musste Merkel einen Tadel anbringen: "Obwohl er der Vorsitzende ist und eigentlich ganz Auge und Ohr sein sollte." Söders Konter: "Man weiß ja manchmal, was gesagt wird."

Selbstbewusst, auf Augenhöhe mit der Kanzlerin, nie um einen Spruch verlegen – so präsentiert sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef gerne. Derzeit ist er auch noch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, was ihm eine hohe Präsenz in Berlin und den Medien verschafft.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU)
Foto: imago images/Marja

Doch Söder konnte sich zuletzt nicht nur Kraft seines Amtes profilieren, sondern auch mit seinem Krisenmanagement. Entschlossen war er vorangegangen, hatte den Bayern eindringlich den Ernst der Corona-Lage klargemacht und ihnen dann strengere Kontaktsperren auferlegt, als es Ministerpräsidenten anderswo taten.

Eine seiner Reden im Landtag schloss der vierfache Vater mit den Worten "Gott schütze unsere Heimat". Daraufhin bekam er aus allen Fraktionen Applaus, auch von der AfD. Als "Kümmerer" lobte ihn der Nordbayerische Kurier, als "Anti-Viren-Politiker" der Spiegel, vom "Super-Söder" schrieb Zeit Online.

Das wirkte sich auch auf die Beliebtheitswerte des 53-Jährigen aus. Im April waren 94 Prozent der Bayern mit seiner Arbeit zufrieden.

Irgendwann, als Corona ein bisschen in den Hintergrund und das Parteipolitische wieder mehr in den Vordergrund trat, begannen die Spekulationen zu blühen. Wäre vielleicht Söder der richtige Unionskanzlerkandidat für die Bundestagswahl im Jahr 2021 und nicht der künftige CDU-Chef – wer immer das sein mag?

"Unmöglich", erwiderten die Skeptiker in München wie in Berlin. Ein Bayer könne niemals in ganz Deutschland punkten, sagen sie und verweisen auf die bisherigen zwei Kanzlerkandidaten der CSU, die beide gescheitert sind: Franz Josef Strauß 1980 gegen Helmut Schmidt und Edmund Stoiber 2002 gegen Gerhard Schröder. In Bayern witzeln sie, dass der Franke Markus Söder, "der Maggus" also, froh sein müsse, wenn ihm die Oberbayern ihre Stimmen geben.

Andere hingegen verweisen auf den Wandel, den Söder hingelegt hat. "Lautsprecher" wurde der gebürtige Nürnberger, der früher als Journalist beim Bayerischen Rundfunk (BR) arbeitete, oft genannt. Als 16-Jähriger trat er der CSU bei, damals war der legendäre Strauß Ministerpräsident. Von ihm hatte Söder ein Poster über dem Bett hängen.

Besonders gerne drosch Söder auf Rot-Grün ein, vor allem in seiner Zeit als Generalsekretär (2003 bis 2007). Den grünen Ex-Umweltminister Jürgen Trittin titulierte er einen "Vorstadt-Che-Guevara", über Ex-Kanzler Gerhard Schröder sagte Söder: "Er lügt sich durchs Land."

Seiner Karriere schadete es nicht. Söder wurde Europa-, Umwelt- sowie Finanzminister in Bayern und in der CSU immer mächtiger. Am Stuhl von Horst Seehofer, der ihm einmal Charakterlosigkeit und "Schmutzeleien" unterstellte, sägte er so lange, bis er am Ziel war. 2018 wurde er bayerischer Ministerpräsident, 2019 CSU-Chef.

Seither ist seine Rhetorik gemäßigter. Er gibt den Landesvater, regiert geräuschlos mit den Freien Wählern und versucht, den oppositionellen Grünen das Wasser abzugraben, indem er sich für Bienen und Bäume einsetzt.

Zwar hat das Geschehen in Ischgl die Beziehung zwischen Wien und München getrübt, doch grundsätzlich betont Söder gern seine Freundschaft mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Sehnsucht nach Sebastian Kurz

Er ist deutlich älter als Kurz, dennoch meinen viele in der Union, Söder ähnle Kurz vom Typ her noch am ehesten, während Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet oder der Ex-Fraktionschef Friedrich Merz diesbezüglich nicht mithalten könnten. Und die Sehnsucht nach einem wie Kurz ist groß in der Union.

"Mein Platz ist in Bayern", sagte Söder lange Zeit, wenn er nach der Kanzlerkandidatur gefragt wurde. Doch nun, da ihn auch in Gesamt-Deutschland 53 Prozent für einen guten Kandidaten halten, während Laschet und Merz weit dahinter liegen, schlägt Söder neue Töne an.

"Die Frage wird voraussichtlich erst im Januar entschieden", sagte er vor kurzem über die Kanzlerkandidatur und fügte kryptisch hinzu: "Wer weiß, was bis dahin noch alles passiert." Registriert wurde auch, wie Söder seine Urlaubspläne beschrieb: "Nord- und Ostsee haben mich schon immer interessiert." Dies galt manchem als Erweiterung des Horizonts über Bayern hinaus.

Soziologe Heinz Bude bejaht die Frage, ob Söder außerhalb Bayerns wählbar wäre, übrigens mit Verweis auf Merkel: "Lange galt es als undenkbar, dass eine ostdeutsche Frau Kanzlerin wird. Dann war es doch möglich."

Markus Söder wäre der dritte CSU-Kanzlerkandidat.

Vor ihm versuchten es Franz Josef Strauß (1980) und Edmund Stoiber (2002). Beide scheiterten jedoch. Strauß unterlag Helmut Schmidt (SPD), Stoiber verlor gegen Gerhard Schröder (SPD). (Birgit Baumann, 4.7.2020)