Sigmar Gabriel steht wegen seines Beraterjobs bei Tönnies zu Recht in der Kritik.

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Die SPD kann einem leidtun. Sie kommt nicht und nicht in die Höhe. Auch der langwierige und kostspielige Prozess zur Wahl des neuen Spitzenduos Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hat nicht viel gebracht, was zum Wohlergehen dieser einst so stolzen Arbeiterpartei hätte beitragen können. Und jetzt versetzt ihr auch noch ein prominenter ehemaliger SPD-Chef einen schweren Hieb. Sigmar Gabriel, einst Vizekanzler, ist unter die Berater gegangen. Das ist nicht verwerflich, das tun viele Politiker, wenn sie ihre Karriere beenden. Er hat sogar die Schamfrist von 18 Monaten beim Wechsel eingehalten.

Und dennoch: Der Job beim deutschen Großschlachter ist – um im Bilde zu bleiben – ein Ausschlachten von Möglichkeiten, wie es einfach nicht sein darf. Ausgerechnet die Fleischbranche, ausgerechnet Tönnies hat sich Gabriel, der schon für einige Überraschungen gut war, ausgesucht.

Entscheidung für das Kapital

Man weiß seit Jahren um die Missstände dort. Es wäre natürlich ehrbar gewesen, hätte sich der Genosse Gabriel auf die Seite und in den Dienst der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestellt und für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft. Aber der Ex-Vizekanzler entschied dich für die andere Seite, für das Kapital, das in dem Fall durch Ausbeutung von Arbeitern angehäuft wird.

Muss man noch mehr sagen? Leider ja. Denn als ob diese Instinkt- und Taktlosigkeit nicht schon genug wäre, macht Gabriel es mit seiner Selbstverteidigung nur noch schlimmer. 10.000 Euro als Honorar seien ja nicht so viel, sagt er. Also schon für "normale" Menschen. Aber nicht für einen wie ihn, der nun Berater und Privatier ist.

Es ist rätselhaft, wie weit sich einer, der immer die Zwei-Klassen-Gesellschaft überwinden wollte, von Seinesgleichen entfernt hat. Arme SPD, sie hat schon unter dem russischen Engagement von Gerhard Schröder schwer gelitten. "Gazprom-Gerd" nennt man ihn heute. Man möchte gar nicht wissen, was dem Volk mit seinem Hang zur Alliteration bei Sigmar und den Schweinen alles einfällt. (Birgit Baumann, 3.7.2020)