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Lemonade legte einen spektakulären Start an der Börse hin und verdoppelte am zweiten Tag bereits die Firmenbewertung.

Foto: AP/Mark Lennihan

New York – Sich mit Versicherungen, Polizzen oder den etwaigen Maklern zu beschäftigen, kostet die meisten Menschen viele Nerven. Sogenannte Insurtechs, Versicherungs-Start-ups sozusagen, versuchen, diese Branche weiterzuentwickeln und ins digitale Zeitalter zu hieven. An der New Yorker Börse dürfte man Vertrauen in diese Thematik haben, denn das US-Unternehmen Lemonade hat einen fulminanten Börsenstart hingelegt.

Ausgegeben wurden die Papiere am Donnerstag zu 29 Dollar – und damit schon über der zuvor angehobenen Angebotsspanne von 26 bis 28 Dollar. Die Aktie sprang gleich um 72 Prozent in die Höhe auf 50,06 Dollar. Somit hatte Lemonade zum Ausgabepreis eine Bewertung von rund 1,6 Milliarden Dollar zu Buche stehen, zum ersten Kurs waren es schon 2,75 Milliarden Dollar (2,46 Mrd. Euro). Am Freitag ging der Höhenflug weiter, und die Aktie stieg vorübergehend auf fast 70 Dollar. Insgesamt sollen elf Millionen Aktien ausgegeben werden. Zum Börsenstart flossen 319 Millionen Dollar in die Kasse des Start-ups.

Große Ziele im US-Stil

Lemonade verfolgt ambitionierte Pläne. Mit typisch US-amerikanischer Zuversicht erklärte das Start-up bei der Registrierungserklärung an der Börse, der "meistgeliebte Versicherer der Welt" werden zu wollen. "Wir haben einen langen Weg vor uns, von kurzfristigen Kurssprüngen lasse ich mich nicht beeindrucken", meint Geschäftsführer Daniel Schreiber.

Ganz ohne Makler können Kunden Haftpflicht-, Pensions- oder Hausratsversicherungen abschließen. Die Risikosituation des Verbrauchers beurteilt Lemonade mit einem Algorithmus, also mittels künstlicher Intelligenz. Ein Chatbot namens Maya stellt dem Kunden dazu üblicherweise dreizehn Fragen.

Rasantes Wachstum

Das 2016 gegründete Unternehmen wächst rasant, aber noch um den Preis steigender Verluste. Trotzdem gilt das Unternehmen als einer der vielversprechendsten Insurtechs. Anders als viele dieser Neugründungen, die nur Verträge vermitteln oder verwalten, hat Lemonade eine eigene Versicherungslizenz. Das Start-up hat nach eigenen Angaben den gesamten Versicherungsprozess digitalisiert. Für eine Deckungszusage brauchen die Algorithmen laut Lemonade 90 Sekunden, für die Schadenabwicklung drei Minuten.

In den USA nutzen rund 500.000 Menschen den Dienst des Digitalversicherers, der nun auch in Europa expandiert. Weitere 229.000 Kunden kommen aus anderen Teilen der Welt. Vor einem Jahr startete das Unternehmen in Deutschland, jetzt strebt es in die Niederlande. Vor allem bei Millennials findet das Angebot Anklang. Firmenangaben zufolge sind drei Viertel der Kunden noch keine 35 Jahre alt und hatten Schreiber zufolge davor noch nie eine Versicherung.

Police für den guten Zweck

Ein Viertel der Prämieneinnahmen fließt in Verwaltung, Werbung und den Gewinn des Unternehmens. Vom Rest der Prämie, die nach Abzug verbleibt, zahlt der Versicherer die Schäden. Das danach noch übrige Geld geht an eine gemeinnützige Organisation, die der Kunde selbst bestimmen kann. Damit solle man das Gefühl bekommen, mit der Police etwas Gutes zu tun.

Hauptaktionär des Start-ups ist der japanische Technologieinvestor Softbank mit 27,3 Prozent. An der jüngsten, 300 Millionen Dollar schweren Finanzierungsrunde vor gut einem Jahr hatten sich auch die Allianz und die Venture-Capital-Sparte der Google-Mutter Alphabet, GV, beteiligt. Damals wurde Lemonade mit 2,1 Milliarden bewertet. (Andreas Danzer, 4.7.2020)