Sigmar Gabriel war von 2009 bis 2017 SPD-Vorsitzender.

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Berlin – Wieder einmal sorgt der Job eines prominenten deutschen Sozialdemokraten für Aufregung. Diesmal geht es um Sigmar Gabriel, der von 2009 bis 2017 SPD-Chef und von 2013 bis 2018 Vizekanzler unter Angela Merkel in der großen Koalition war.

Er hat, wie nun bekannt wurde, den Großschlachter Tönnies beraten, in der Zeit von März bis Mai 2020. Dafür bekam Gabriel ein Honorar von 10.000 Euro und nach Recherchen des ARD-Magazins Panorama für jeden Reisetag einen vierstelligen Betrag.

Seit die Nachricht in der Welt ist, herrscht bei den Sozialdemokraten ziemliche Aufregung. Tönnies ist in Deutschland vor einigen Wochen zum Synonym für die üblen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie geworden.

Lohndumping

Am Stammwerk im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück sind mehr als 1.500 Beschäftigte mit Corona infiziert. Besonders getroffen hat es viele Arbeitskräfte aus Osteuropa, die zu sehr niedrigen Löhnen bei Tönnies tätig sind und zudem in prekären Wohnverhältnissen leben. Wegen des Corona-Ausbruchs wurde in zwei Landkreisen – Gütersloh und Warendorf – wieder der Lockdown ausgerufen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geht bei seiner Kritik am Genossen Gabriel ins Persönliche. Er sagt: "Das, was er jetzt macht, ist wahrscheinlich legal. Legitim? Darüber muss man diskutieren. Ich sage es mal in den Worten meiner Mutter: Es gibt Situationen, da kommt mir das Gefühl, so was macht man nicht." Und weiter: "Ich bedauere das. Meine Mutter lebt leider nicht mehr. Sie hat Sigmar Gabriel immer sehr gerne gemocht. Die hätte ihm jetzt wahrscheinlich gesagt: Warum machst Du das?"

Auf Distanz

Auch andere führende SPD-Politiker gehen auf Distanz zu Gabriel. "Das geht gar nicht und ich glaube, das weiß Sigmar Gabriel selbst auch", meint die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig.

Ihr niedersächsischer Amtskollege Stephan Weil erklärt: "Der Vorgang ist befremdlich und peinlich. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Tönnies wie kaum ein anderes Unternehmen für die unhaltbaren Verhältnisse in der Fleischindustrie steht."

Kein normaler Mensch

Gabriel hingegen sieht in seinem Engagement nichts Verwerfliches. Er sei kein aktiver Politiker mehr und habe Tönnies angesichts drohender Exportprobleme aufgrund der afrikanischen Schweinepest beraten.

Eigentlich sei seine Tätigkeit auf zwei Jahre angelegt gewesen. Er habe sie aber selbst Ende Mai wegen einer schwierigen Krankheit und einer Operation beenden müssen.

Sein Honorar verteidigt der ehemalige SPD-Chef: "Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld. Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag. Ich bin kein Politiker mehr." Tatsächlich hat Gabriel die vorgeschriebene 18-monatige Wartefrist bis zum Wechsel von der Politik in die Wirtschaft eingehalten.

Als Wirtschaftsminister hatte er die Ausbeutung in der Fleischindustrie allerdings als "Schande für Deutschland" bezeichnet. In der Kritik ist seit Jahren auch SPD-Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Er heuerte nach Ende seiner politischen Tätigkeit bei der Gazprom-Tochter Nord Stream 2 an. (Birgit Baumann aus Berlin, 3.7.2020)