Der Ibiza-Untersuchungsausschuss beschäftigt sich nicht nur mit der Affäre, die in einer Finca in Spanien ihren Anfang nahm, sondern auch mit den Postenbesetzungen der türkis-blauen Regierung in staatsnahen Betrieben. Stellvertretend dafür stehen der frühere Wiener FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo und die Frage, ob bei seiner Bestellung zum Vorstand der Casinos AG im Vorjahr alles mit rechten Dingen zuging (siehe unten). Immerhin leitete er für einige Monate ein Millionenunternehmen.

Wie abgesprochen das Prozedere teils ist, zeigte die Befragung von FPÖ-Chef Norbert Hofer. So hätten sich ÖVP und FPÖ die Posten für Aufsichtsräte, denen eine Kontrollfunktion zukommt, nach einem 2:1-Schlüssel aufgeteilt. Das ließe sich seriöser regeln.

Der Ibiza-U-Ausschuss gewährt einen Einblick in die Vergabe staatsnaher Jobs durch die türkis-blaue Regierung.
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Dubioser Aufstieg zum Finanzvorstand der Casinos: Die Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzvorstand der teilstaatlichen Casinos Austria AG steht im Mittelpunkt der Postenschacher-Affäre, die seit einem Jahr Justiz und Öffentlichkeit bewegt. Der FPÖ-Mann soll trotz negativen Personalgutachtens in seinen Posten gehievt worden sein. Die Behörden vermuten, dass es einen Deal zwischen Novomatic und der FPÖ gab: Glücksspiellizenzen gegen Posten. Ende letzten Jahres wurde Sidlo vom Aufsichtsrat der Casinos wieder abberufen. Er selbst bestritt im U-Ausschuss die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.
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1. Öffentliche Hearings vor der Bestellung

Beinahe unbemerkt avancierte Katrin Völk zur Chefin der Bundesgärten. Das teilte das Landwirtschaftsministerium in einer kurzen Meldung Ende Juni mit. Die 39-jährige studierte Biologin und Zoologin sei "von einer weisungsfreien Bestellungskommission als bestgereihte Kandidatin empfohlen worden". Sie sei in verschiedensten wissenschaftlichen, agrarischen und Managementfunktionen auf nationaler und internationaler Ebene tätig gewesen.

Für Außenstehende ist das aber nicht nachvollziehbar, und verschwiegen wird, dass Völk davor stellvertretende Kabinettschefin von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zu türkis blauen Zeiten war und sich auch davor im Umfeld Köstingers bewegt hatte.

Dass das nicht offengelegt wird, verstärkt für den Anwalt und Vorstand von Transparency International, Georg Krakow, den Anschein, dass Völk durch Parteinähe etwas geworden sein könnte, selbst wenn die Qualifikation passt. Krakow schlägt öffentliche Hearings vor, um Transparenz in die Bestellvorgänge zu bringen.

2. Veröffentlichung der Vorschlagsbegründung

Damit könnte sich die Öffentlichkeit bereits schon früh im Prozess ein besseres Urteil bilden. Ein solches Hearing fand etwa 2016 vor der Bestellung von Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker statt. Zwar gab es auch hier im Vorfeld parteipolitisches Gerangel. Aber dadurch, dass es öffentlich war, gab es eine "mediale Abstrafung" dafür, sagt der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik, der sich schon lange mit Postenschacher beschäftigt.

Allein zuständig für Beteiligungen
des Staates: Der ÖVP-nahe Thomas Schmid war unter Türkis-Blau Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium. 2019 avanciert er zum Alleinvorstand der Staatsholding Öbag und ist damit für die Verwaltung von 20 Milliarden Euro an Beteiligungen der Republik zuständig. Die Ausschreibung für den Posten wurde perfekt auf ihn zugeschneidert, sogar unter seiner eigenen Federführung. Aus beschlagnahmten Chat-Protokolle Schmids leiten Behörden zudem seine Involvierung in den mutmaßlichen FPÖ-Novomatic-Deal ab. Es gilt die Unschuldsvermutung.
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In diesem Zusammenhang fände es Krakow, einst Kabinettschef im Justizministerium, sinnvoll, dass staatliche Unternehmen eine Begründung veröffentlichen, warum gerade diese Person letztlich für den Staatsjob am geeignetsten gehalten wurde oder eben nicht. "Dann kann ich mir einen Reim darauf machen, ob das plausibel ist oder gekünstelt wurde." Ein subjektives Element der Entscheidungsfindung ließe sich dennoch nie ganz vermeiden. Ist es etwa besser, wenn der nächste Operndirektor Erfahrung aus Linz und New York mitbringt oder doch aus Berlin? Welcher Kandidat für eine Managementposition die bessere Strategie präsentiert hat, wird die Zukunft weisen.

3. Stärkere Kontrolle der Parteienfinanzierung

"Es geht darum, dass nichts geheim gehalten wird", sagt Krakow. Auch bei Parteispenden. Wenn kein Jobvorteil entstehe, sei das kein Ausschlussgrund, auch wenn es "abträglich" wirke. Stephanie Krisper, Neos-Fraktionsführerin im U-Ausschuss, veröffentlichte eine Liste mit Personen, die unter Türkis-Blau staatsnahe Jobs bekamen, aber zum Teil selbst oder ihr Umfeld an eine Partei spendeten. Die Spendenobergrenzen wurden inzwischen zwar auf 7500 Euro pro Jahr pro Spender verschärft. "Umgehungsmöglichkeiten" über formal getrennte Vereine sind aber weiterhin möglich. Krakow hielte eine zusätzliche Prüfung der Parteifinanzen durch den Rechnungshof für hilfreich.

4. Cooling-off-Phase nach dem Regierungsamt

Die Neos fordern, dass Regierungsmitglieder nicht sofort in eine Führungs- oder Kontrollfunktion staatsnaher Stellen wechseln können sollen. Zuletzt kritisierten sie, dass Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) kurz nach seiner Amtszeit Verfassungsrichter wurde. Hätte er Präsident oder Vize-Präsident des Verfassungsgerichtshofs werden wollen, wäre eine fünfjährige Abkühlphase nötig gewesen.

Mit dem blauen Ticket auf
allerlei Posten: Die neoliberale Ökonomin und ehemalige freiheitliche Politikerin Barbara Kolm war bei den Verhandlungen der Kurz-Strache-Koalition als blaue Wirtschaftsexpertin beteiligt. Während der Regierungszeit akkumulierte sie zahlreiche Posten in staatsnahen Aufsichtsräten. Bei der von der Regierung beschlossenen Umfärbung der Nationalbank ergatterte sie ein FPÖ-Ticket im Generalrat als Vizepräsidentin. Auflerdem wurde sie von der Regierung in den Universitätsrat der Wiener Wirtschaftsuni entsandt. Auch zur ÖBB-Aufsichtsrätin wurde sie gemacht.
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Für Krakow wäre eine Frist für Ex-Minister generell sinnvoll, um sicherzustellen, dass sie ihre Kontakte aus der öffentlichen Verwaltung in ihrer neuen Tätigkeit weniger beeinflussen können. Die Parteidurchdringung der Gremien sei damit aber nicht gelöst, sagt Ennser-Jedenastik.

5. Interessenkonflikte durchleuchten

Noch ein Problem lässt sich anhand der Casinos AG gut festmachen: Das Finanzministerium ist für das Glücksspielgesetz zuständig, aber auch für die Österreichische Beteiligungs AG (Öbag), die Casinos-Aktionärin ist.

Aus Krakows Sicht gibt es Möglichkeiten, diesen Interessenkonflikt zu entflechten. Man könnte die Öbag aus "der Verwaltung entkoppeln". Damit wäre sie für die Rechenschaftsberichte der strategischenFirmenaufträge zuständig, aber nicht mehr etwa für Aufsichtsratsposten der Casinos.

Ein anderer Vorschlag: die Zuständigkeit für die Öbag auf die gesamte Bundesregierung zu verteilen und nicht nur auf das Finanzressort. "Dadurch macht nicht mehr nur ein Minister oder eine Abteilung etwas mit der Staatsholding aus", sagt Krakow. (Theo Anders, Jan Michael Marchart, 5.7.2020)