Wie es mit Wirecard weitergeht, ist unsicher, es zeichnet sich aber eine Filetierung ab. Die Deutsche Bank klopft bereits an.
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Während der Wirecard-Bilanzskandal immer weitere Kreise zieht, musste am Freitag auch eine österreichische Konzerngesellschaft Insolvenz anmelden. Dabei handelt es sich um die Wirecard Central Eastern Europe GmbH in Graz, die mit rund 150 Dienstnehmern das Osteuropageschäft betreut. Laut den den Kreditschützern AKV, KSV 1870 und Creditreform sind 70 Gläubiger betroffen, die Überschuldung beläuft sich demnach auf etwa 0,6 Millionen Euro. Eine Fortführung ist dem AKV zufolge nicht angedacht.

Ausgeweitet hat unterdessen die Münchener Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungen. Der Süddeutschen Zeitung zufolge wird nun auch wegen Untreueverdachts gegen den ehemaligen Vorstandschef, den Österreicher Markus Braun, und weitere Manager ermittelt. Dabei geht es um den Vorwurf, dass dreistellige Millionensummen von Wirecard-Konten an Firmen in Asien und auf Mauritius geflossen sein sollen. "Wir ermitteln weiterhin gegen Herrn Braun und mögliche Mittäter wegen aller in Betracht kommenden Straftaten", hieß es dazu von der Staatsanwaltschaft. Zuvor wurde sie wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Betrug tätig.

Deutsche Aufsichtsreform

Zudem wird es in Deutschland zu einer Reform der Finanzaufsicht kommen, wie das Finanzministerium bekanntgab. Das Land steht unter enormen Druck, da nach Auffliegen des Bilanzskandals die EU-Kommission bereits eine Prüfung ankündigte, ob es in Deutschland aufsichtsrechtliche Versäumnisse gegeben habe. In weiterer Folge könnte die Bafin von Brüssel angewiesen werden, ihre Prüfpraktiken zu ändern. Dem will nun das deutsche Finanzministerium offenbar zuvorkommen, die Reformpläne sollen in den nächsten Tagen präsentiert werden.

Allerdings zeichnet sich bereits ab, dass das zweistufige Prüfsystem für die Rechnungslegung von kapitalmarktorientierten Unternehmen zum Auslaufmodell wird. Derzeit beauftragt die Bafin die auch als Bilanzpolizei bezeichnete DPR, ein privatrechtlicher Verein, mit den Prüfungen, auf deren Basis die Bafin behördlich tätig wird. Die DPR weist zwar alle Vorwürfe zurück, steht aber unter massiver Kritik: Obwohl die Financial Times seit Februar 2019 wiederholt über Bilanzunregelmäßigkeiten berichtete, soll Wirecard von der Bilanzpolizei phasenweise nur von einer Person geprüft worden sein.

Wo wird die Prüfung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen angesiedelt sein? Wahrscheinlich bei der Bafin oder einer eigenen Behörde.
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Nach dem Auffliegen des Skandals, bei dem Wirecard ein 1,9 Milliarden großen Bilanzloch einräumte, kündigte Deutschland den Vertrag mit der Bilanzpolizei per Ende 2021. Es zeichnet sich ab, dass danach auch Deutschland – wie fast in der ganzen EU – die Aufsicht gänzlich einer Behörde überträgt, entweder der Bafin oder einer eigenen Prüfstelle. Auch damit könnte der Wirecard-Skandal Auswirkungen auf Österreich abstrahlen: Dann wäre das Land der einzige EU-Staat mit einem zweistufigen Prüfsystem, der Finanzmarktaufsicht als Behörde und der Österreichischen Prüfstelle für Rechnungslegung als Bilanzpolizei – was dann wohl kaum mehr aufrechtzuerhalten wäre.

Werden künftig auch sogenannte Fintechs, also junge, aufstrebende Finanzdienstleister, strenger reguliert? Schließlich kam die Europäische Bankenaufsicht vor drei Jahren zu dem Ergebnis, dass 31 Prozent dieser Fintechs weder auf EU-, noch auf nationaler Ebene reguliert werden – also gar nicht. Ein Branchenkenner, der nicht genannt werden will, glaubt nicht an strengere Regeln für Fintechs. Da jedes Land versuche, Standort des nächsten digitalen Highflyers zu sein, wolle man ein attraktives, also wenig reguliertes Umfeld zu schaffen. Dies zu ändern hält der Insider auch nicht für sinnvoll, schließlich sei Wirecard kein aufstrebendes Fintech mehr, sondern längst ein großer, börsennotierter Technologiekonzern.

Deutsche Bank zeigt Interesse

Dessen Filetierung nun offenbar ansteht: Am Freitag bekundete die Deutsche Bank Interesse an Teilen der insolventen Wirecard. Schon am Donnerstag hatte sie bekannt gegeben, dass sie mögliche Hilfen für die Wirecard-Bank prüft. Diese war wegen ihrer Banklizenz übrigens der einzige Konzernteil, welcher der direkten Aufsicht der Bafin unterstand. Aber dort war das 1,9 Milliarden schwere Bilanzloch ja nicht aufgetreten, sondern bei der Konzernmutter.

Wegen der dadurch ausgelösten Pleite und des Kurssturzes der Wirecard-Aktie hatte auch schon die Deutsche Börse angekündigt, ihr Regelwerk für den Leitindex Dax zu überarbeiten. Denn nach derzeitigem Stand wird die insolvente Wirecard voraussichtlich bis September in der obersten deutschen Börsenliga mitspielen. "Das Vertrauen in den Kapitalmarkt hat offensichtlich in den letzten Tagen gelitten", erklärte der Börsenbetreiber. Deshalb sollen Regeln für die Dax-Mitgliedschaft erarbeitet werden. (Alexander Hahn, 3.7.2020)