Mit der versprochenen Freiheit scheint es auf Parler nicht allzu weit her zu sein.

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Nachdem Twitter erstmals Tweets von US-Präsident Donald Trump mit einem Factcheck bedacht bzw. ausgeblendet hat, rumorte es bei den Republikanern. Einmal mehr wurden Vorwürfe laut, dass die sozialen Netzwerke mit "antikonservativer Voreingenommenheit" agieren würden. Schon wenige Tage später unterzeichnete Trump ein Dekret, mit dem diese stärker in die Verantwortung genommen werden sollen. Einige Rechtsexperten zweifeln die Durchsetzbarkeit jedoch stark an.

Der Konflikt hat allerdings eine neue Plattform ins Gespräch gebracht: Parler. Das 2018 gegründete Portal flog bislang weitgehend unter dem Radar. Doch mittlerweile empfehlen zahlreiche republikanische Politiker ihren Twitter-Followern, dorthin zu wechseln. Denn Parler vermarktet sich gezielt an rechtes Publikum und verspricht "echte" Meinungsfreiheit. Doch gar so frei wie behauptet scheine es auch dort nicht zuzugehen, berichten der "Guardian" und "Engadget".

Sperre für "die Kuh von Devin Nunes"

Eine Reihe von neuen Parler-Nutzern berichten von schnellen Sperrungen ihrer Accounts. Zu einem guten Teil soll es sich dabei um User handeln, die sich nur angemeldet haben, um weiter ein Stachel im Fleisch bekannterer konservativer Nutzer zu sein.

Darunter auch der Betreiber des Kontos "Devin Nunes' Cow". Dabei handelt es sich um einen Account, der auf Twitter satirische Beiträge in Bezug auf Devin Nunes verfasst, der für die kalifornischen Republikaner seit 2003 im Repräsentantenhaus sitzt.

Nunes hatte versucht, die Stilllegung des Satirekontos auf Twitter gerichtlich durchzusetzen, war damit aber gescheitert. Er hatte 250 Millionen Dollar an Entschädigung gefordert und angegeben, dass ihn dieses und ein anderes Parodieprojekt beinahe seine Wiederwahl gekostet hätten. Das Virginia Circuit Court sah in seiner Klage den Versuch, Twitter zu seinem persönlichen Herausgeber oder Pressesprecher zu machen, und wies sie ab.

Wenig überraschend meldete der Macher des Kuh-Accounts sich auf Parler an, nachdem Nunes angekündigt hatte, künftig auch dort zu kommunizieren. Bereits wenige Tage später war sein Konto jedoch ohne weiterer Begründung gesperrt worden. Auch andere Betroffene berichten, dass sie nicht nachvollziehen können, warum ihr Auftritt entfernt wurde.

"Wenn man es in New York auf der Straße sagen kann, kann man es auch auf Parler sagen", proklamierte Firmengründer noch vor einigen Tagen. Nun lieferte er etwas genauere Angaben, die aber viele Fragen offen lassen und längst nicht jede Sperre erklären dürften. Das Posten von Fäkalienfotos als Zeichen der Nichtzustimmung sei nicht erlaubt, ebenso wenig wie obszöne Nutzernamen, Pornografie, Spam oder Morddrohungen.

Freiheit doch nicht so groß

Wirft man aber einen Blick in die Richtlinien des Dienstes, so erschließen sich viel mehr Grauzonen mit jeder Menge Auslegungsspielraum für die Betreiber und nicht allzu viele Unterschiede zu Twitter. In den Nutzungsbedingungen ist zudem festgehalten, dass Parler jederzeit auch ganz ohne Begründung Postings entfernen darf, selbst wenn kein Regelverstoß vorliegt. Zudem gibt man die Prozess- und Anwaltskosten an die Nutzer weiter, sollte man aufgrund eines Postings geklagt werden.

Derzeit sucht Parler nach Moderatoren, die ihre Arbeit aber aktuell noch unbezahlt erledigen müssen. In Zukunft soll eine Art Trinkgeldystem für sie eingerichtet werden.

Gegenüber CNBC erklärte Matze weiters, dass man auch mehr Nutzer aus dem progressiven Lager an Bord holen wolle. Man sei bereit, einer "offen linken" Stimme, die auf Facebook oder Twitter mindestens 50.000 Follower hat, 20.000 Dollar dafür zu zahlen, auf Parler aktiv zu werden. Es ist unklar, ob bereits jemand versucht hat, dieses Angebot anzunehmen.

Gab-Gründer sauer auf Republikaner

Über die durch die Republikaner erzeugte Popularität von Parler ist Andrew Torba, Gründer der ebenfalls an die Rechts-außen-Szene gerichteten Plattform Gab, gar nicht erfreut. Gab war bereits ein Jahr vor Parler an den Start gegangen und sollte damals vor allem Nutzer auffangen, die auf Reddit und Twitter nicht mehr geduldet wurden.

"Die Republikaner sind voller impotenter Idioten", schrieb Torba kürzlich in einem Newsletter an die Mitglieder. Nachdem er lange immer wieder Stimmung für Trump gemacht hatte, geht er nun auf Distanz zur Partei. Er lobt dabei den Fox-News-Moderator Tucker Carlson, der als Einziger "die Wahrheit" ausspreche und die "Fakes, Betrüger und rückgratlosen Narren unter den Republikanern und in der Trump-Regierung" bloßstelle. Die "Speichellecker" würden nur "unsinnigen Quatsch über die 'intoleranten Linken'" zur Ablenkung verbreiten, während das Land, seine Kultur und seine Geschichte in Flammen stünden. Damit bedient er das Kulturkampf-Narrativ von Trump, wenn auch in etwas anderer Konstellation der beteiligten Parteien.

Gab-Gründer Andrew Torba ist sauer auf die Republikaner, weil diese Parler empfehlen.
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Worum es ihm eigentlich mit seinem Angriff auf von ihm als unehrlich empfundene Konservative geht, offenbart sich erst am Ende der Aussendung. "Das Beste an diesen nützlichen Influencer-Idioten ist, dass sie in den letzten paar Wochen Parler anpreisen", schreibt er. Dies enttarne die Rechte im Republikaner-Establishment als "komplett rückgratlos".

Und obwohl diesen Personen Gab schon seit drei Jahren ein Begriff war, hätten sie sich gefreut, als Gab einst seinen Hosting-Provider verlor und Zahlungsdienstleister die Zusammenarbeit quittierten. Gleichzeitig schwiegen sie darüber, dass Parler linke Stimmen sperre. Torba stellt zudem in den Raum, dass manche der Personen, die gerade öffentlich für ihren neuen Parler-Auftritt werben, vielleicht dafür bezahlt worden seien. (gpi, 6.7.2020)