Die Universitätsklinik Graz hat recht klare Regeln, was Besuche in diesen Zeiten betrifft. Ein Mund- und Nasenschutz ist aus Rücksicht auf die Patienten im Haus ausnahmslos von allen Besuchern zu tragen. Aber nicht jede Ärztin des Hauses ist vom Sinn dieser Vorsichtsmaßnahme überzeugt: "Jeder, der behauptet, dass diese Masken vor irgendetwas schützen, der lügt," sagt Konstantina Rösch. Sie ist Stationsärztin auf der Kardiologie des Uniklinkums Graz und teilt diese Meinung nicht in privatem Rahmen, sondern auf einer Bühne. Rösch ist Rednerin beim "Trauermarsch" der ICI, der "Initiative für evidenzbasierte Coronainformationen" am 1. Juli in Wien. Dort trug man in einem "Staatsbegräbnis" die "Grund- und Freiheitsrechte" und die "gewohnte soziale Nähe" zu Grabe. 

Das Recht auf Wahrheit

Ärztin: "Masken sollen uns nur demütigen"

Rösch ist mit der U-Bahn zur, wenn schon nicht schönen, so doch, bizarren "Leich" angereist und zeigt sich "entsetzt" - und zwar offenbar über Menschen, die in den Waggons Masken tragen. Die Masken hätten nur einen Sinn, und zwar "uns zu demütigen." 
Rösch ist nicht nur - und das zum wiederholten Mal - Rednerin beim "Trauermarsch" der ICI, sie ist auch im "Über uns" der Initiative zu finden, ihre Selbstbeschreibung: "Kritische Denkerin, diskursfreudig." Die Initiative mit dem klingenden Namen und dem Pochen auf Evidenz sieht sich als Dreh- und Angelpunkt der Kritiker der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus. Die bisherigen Veranstaltungen der Gruppe machen den Eindruck, dass es weder Redner noch Auditorium mit Evidenz ganz genau nehmen. Impfgegner, Verschwörungsplauderer und Wutbürger prägen die Veranstaltungen. Man will "Bill Gates keine Chance geben", wähnt sich in einer "Corona-Diktatur", bei einer der Demos hielt ein Demonstrant eine Zeichnung des Eingangs zum Konzentrationslagers Auschwitz recht stolz in die Kamera eines Journalisten - die Aufschrift "Arbeit macht frei" ersetzte er mit "Impfen macht frei". 
Auf der Webseite der Initiative sammelt die Initiative unter dem Begriff "Mundtot" kreative Fotos von Leuten, die ob der Masken offenbar gar arg leiden.   

Geschmacklos: Impfgegner vergleichen sich auf einer ICI-Demo mit KZ-Gefangenen
Presse Service Wien

"Gesunde übertragen keine akuten Atemwegserkrankungen"

Zurück zur mitteilungsfreudigen Stationsärztin Rösch. Zur Ansteckungsgefahr mit dem Virus äußert sie sich in eher mutiger Interpretation: "Es ist völliger Unsinn, dass gesunde Menschen Überträger einer akuten Atemwegserkrankung sein können. Wer das behauptet, der lügt und argumentiert bar jeder Wissenschaft." Wer krank sei, der bleibe ohnehin zu Hause, wenn er vernünftig ist. Das Publikum hat seine Hetz und applaudiert. Rösch weiter, in erfrischender Nüchternheit: "Wie kann es weitergehen, wenn man so eine Verkühlung oder Grippe hat. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder man wird wieder gesund, dann ist man nicht mehr ansteckend, oder man stirbt, dann ist man auch nicht mehr ansteckend.“

Die Sache mit dem asymptomatischen Krankheitsverlauf und Superspreadern, die von ihrer Infektion nichts bemerken und die sich pumperlgesund fühlen, die müssen wir der Ärztin vermutlich noch erklären. Rösch legt noch ein wenig nach: "Dass uns weis gemacht wird, dass das eine wahnsinnige Gefahr ist für Risikogruppen und ältere Menschen, das ist nicht richtig." Virologen schlagen ob solcher Aussagen die Hände über dem Kopf zusammen. Ein steirischer Ärztekollege, der mich kontaktiert hat ob des Auftritts, sagt: "Es ist einfach irre, wenn sich eine Ärztin öffentlich so abseits der Lehrmeinung äußert." In der Uniklinik Graz nimmt man die Angelegenheit ernst, die Causa landete - sofort nach Bekanntwerden - in der Leitung des Hauses.

Gemeinderätin schimpft über "Demokratiesimulation"

Rösch geht es auch um prinzipielle Fragen. "Es geht nicht um eine Krankheit, sondern darum, wie kann man einen autoritären Staat etablieren." Rösch ruft zu einem Kurswechsel zu einer "echten Demokratie" auf, mit der die bestehende "Demokratiesimulation", bei der man "wie ein Analphabet" alle paar Jahre ein Kreuzerl machen kann, abgelöst werden soll. Am 28. Juni waren Rösch die Kreuzerl der Analphabeten und Schlafschafe bei der Demokratiesimulation offenbar recht. Sie kandidierte auf einem Ticket der SPÖ in Gössendorf und zog soeben in den Gemeinderat der Marktgemeinde am Rande von Graz ein. (Christian Kreil, 6.7.2020)

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