
Die heurigen Sommerferien bringen mehr Herausforderungen als sonst.
Der letzte Schultag ist immer etwas Besonderes. Ohne Rucksack, nur mit Klarsichthülle für das Zeugnis in der Hand, in die Schule. Dann – noch in der Früh – wieder raus aus dem Gebäude und neun Wochen Freiheit vor sich. Eine verlockende Leere, ohne Wecker, Hausübungen und Stundenplan.
Auch heuer wird das Gefühl für die Schülerinnen und Schüler ähnlich sein. Irgendwie ist es aber doch anders als sonst. Immerhin waren die Schulen schon neun Wochen lang weitgehend geschlossen – wegen des Coronavirus. Und so anders die Zeit des Homeschooling war, so anders werden wohl auch die Sommerferien werden. Jetzt wirklich: Corona-Ferien.
Eine bewusste Pause
Gerade weil die Kinder und Jugendlichen während der regulären Schulzeit viele Wochen daheim gewesen seien, bräuchten sie einen klaren Schritt in die Sommerferien, sagt Barbara Schober, Professorin für psychologische Bildungs- und Transferforschung an der Universität Wien. "Der Übergang ist heuer fließender." Deshalb sei es wichtig, sich sehr bewusst eine Pause zu gönnen.
Es habe während des Lockdowns viele Herausforderungen und Schwierigkeiten gegeben, weiß Schober durch eine eigene Studie, für die tausende Schülerinnen und Schüler sowie Studierende zum Lernen während der Zeit von Corona befragt wurden. "Sie mussten sich selbst organisieren, sich spezielle digitale Kenntnisse aneignen, selbstständig lernen. Die Ferien sollen sie jetzt bewusst als Freizeit sehen." Immerhin sei unklar, was im Herbst noch auf die Schulen zukomme, da sei Erholung wichtig.
Urlaub bei Oma und Opa nicht möglich
Auch Jürgen Bell, Abteilungsleiter des schulpsychologischen und schulärztlichen Dienstes der Wiener Bildungsdirektion, sieht für die heurigen Sommerferien mehr Herausforderungen als sonst. "Die Kinder vermissen ihr Verwandten und Freunde, zum Beispiel in Serbien und der Türkei", sagt er. Aufgrund der Reisewarnung für den Westbalkan verschärfe sich die Lage zunehmend. Die Schulpsychologen bekämen vermehrt Anfragen zu Ferienbetreuung und Sommerschulen. Einerseits, weil die Eltern ihren Urlaub aufgebraucht hätten, andererseits, weil die Kinder normalerweise die Sommerferien bei den Großeltern im Ausland verbrächten, während die Eltern in Österreich arbeiten.
Die klare Struktur, die bei vielen Familien aufgrund fixer Reiseziele bestehe, falle heuer weg. "Schöne Ferien zu haben muss nicht gleich bedeuten, in ferne Länder zu fahren", sagt Bell dazu. "Es kann durchaus spannend sein, die eigene Umgebung als Urlaubsort anzusehen und mit touristischen Augen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen." Schober rät dazu, im Familienrat gemeinsam zu diskutieren, wie der Urlaub trotzdem schön werden könne.
Ziele der Sommerschulen unklar
Einige Schülerinnen und Schüler brauchen die Ferien auch, um aufzuholen, was sie während des Lockdowns verpasst haben. Dafür hat das Bildungsministerium Sommerschulen eingerichtet. In zwei Wochen am Ende der Ferien sollen Schülerinnen und Schüler mit Problemen im Fach Deutsch eine Art Nachhilfe bekommen. Es gehe aber nicht um Paukerei, sondern um projektbezogenen Unterricht, hat Bildungsminister Heinz Faßmann mehrfach betont.
Schober findet die Grundidee der Sommerschulen begrüßenswert. Ob das Ministerium damit aber tatsächlich sein Ziel erreiche, sei für sie fraglich, zumal die Ziele nicht ganz klar seien. "Alles in zwei Wochen aufzuholen ist jedenfalls illusorisch." Einerseits sei der Fokus auf die deutsche Sprache nicht ganz nachvollziehbar. Schließlich hätten viele Kinder und Jugendliche auch Probleme in anderen Fächern. Andererseits sei vieles insgesamt eher unklar, und die Psychologin sieht es als sehr herausfordernd für die Lehramtsstudierenden, die unterrichten sollen, und fragt sich, ob alle schon ausreichend qualifiziert seien.
Mehr Pläne für den Herbst
Es sei wichtig, dass die Sommerschulen vonseiten des Ministeriums ausreichend Unterstützung bekommen, sagt Schober. Um später sagen zu können, was die Sommerschulen gebracht haben, rät die Wissenschaftlerin dazu, die Umsetzung gut zu begleiten und zu dokumentieren.
Für die Zeit nach den Sommerferien empfiehlt Schober dringend, klare Kriterien für den Umgang mit Verdachtsfällen oder Infektionen zu entwickeln. "Sofortige Schulschließungen können nicht der einzige Plan sein". Österreichs Schulen seien klare Struktur gewohnt. "Da war bisher geregelt, wo ein Handtuch hängen muss." Die aktuelle Situation verlange viel Eigenverantwortung am Standort, und das sei für die Schulen nicht üblich. Man müsse den Sommer nutzen, um verschiedene Szenarien gut vorzubereiten. (Lisa Kogelnik, 8.7.2020)