Mithilfe von Infrarotkameras erkrankte Personen finden: Das gehört zunehmend zur Normalität.

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Es ist ein Bild, das in den vergangenen Monaten Teil der Normalität geworden ist: Menschen, die vor dem Betreten eines Geschäfts oder auch ihres Arbeitsplatzes eine Fiebermessung absolvieren müssen. Doch das ist alles nur ein Teil eines größeren Trends sein. Und zwar eines, der bei Datenschützern die Alarmglocken schrillen lässt.

Wärmebilder

Der Einsatz von Wärmebildkameras, um erkrankte Personen aufzuspüren, erlebt derzeit einen rasanten Aufschwung. So setzt etwa Amazon in seinen Warenhäusern zum Teil bereits auf eine solche Technologie, auch die Sandwichkette Subway experimentiert mit entsprechenden Systemen. Und der Kreuzfahrtanbieter Carnival Cruise will künftig sämtliche seiner Kunden schon vor dem Betreten des Schiffs screenen.

Die Idee dahinter ist simpel: Die manuelle Fiebermessung bei jeder einzelnen Personen mag am Höhepunkt der Covid-19-Krise hilfreich gewesen sein, auf Dauer sei dies aber kein probates Mittel, da es schlicht nicht skaliert – in vielen Bereichen also endlose Warteschlangen entstehen lassen würde. Also sollen Systeme her, die das selbe das automatisch machen, das Interesse an diesen ist derzeit entsprechend groß.

Die Sinnfrage

Dabei ist die zentrale Frage nach gar nicht geklärt: Nämlich wie sinnvoll das alles überhaupt ist. Immerhin gebe es in der Praxis massive Unsicherheitsfaktoren, wie die New York Times in einem aktuellen Bericht betont. So sei es gerade in der Masse oft schwer eine exakte Messung zu erhalten. Der Abstand zur Person spielt ebenso eine Rolle, wie der exakte Punkt an dem die Messung durchgeführt wird – am Auge lässt sich etwa eine andere Temperatur feststellen als direkt daneben an der Stirn.

Vor allem aber: Die Körpertemperatur variiert nicht nur stark zwischen einzelnen Personen, sie verändert sich auch im Laufe des Tages. Selbst was man gegessen hat, hat hier einen Einfluss. Und dann wäre da noch ein Punkt, der angesichts der aktuellen Situation eigentlich noch präsent sein sollte: Nämlich, dass nicht nur viele Covid-19-Erkrankungen asymptomatisch verlaufen, also zum Teil auch ohne Fieber, sondern dass die Träger des Virus bereits Tage vor Ausbruch der Krankheit infektiös sind.

Normalisierung der Überwachung

All diesen Unsicherheiten stellen Datenschützer eine ganz andere Perspektive gegenüber: Es bestehe hier nämlich die Gefahr, dass Massenüberwachung weiter normalisiert werde, warnt Ed Geraghty von Privacy International, einer britischen Nichtregierungsorganisation, die sich auf das Thema Privatsphäre spezialisiert hat. "Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert", fasst er die aktuelle Diskussion rund um diese Technologien zusammen.

Schon jetzt würden eigentlich für die Verkehrsüberwachung gedachte Kameras immer öfter von der Polizei für andere Überwachungsaufnahmen missbraucht, illustriert Geraghty die Problematik. Es wäre naiv zu glauben, dass dies nicht auch mit anderen neuen Kameras passieren würde. (red, 06.07.2020)