Der Saisonauftakt endete für Red Bull in einem Desaster. Dennoch gibt es im Lager der Bullen Grund für Optimismus, weil man grundsätzlich um den Sieg mitmischen hätte können.

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Spielberg – Österreich hat der Formel 1 nach monatelanger Corona-Pause einen packenden WM-Start ermöglicht. Mehr ausgerechnet hätten sich aber die Red-Bull-Piloten. Sowohl Max Verstappen als auch Alex Albon hätten den historischen ersten WM-Auftakt in Österreich gewinnen können. Am Ende stand bei Red Bull die Doppelnull sowie Spielberg-Spezialist Valtteri Bottas als Start-Ziel-Sieger fest.

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Erfrischung für die nicht unbedingt erwarteten drei Herren am Podium: Norris, Leclerc und Bottas (v. li.).
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Chance zur Revanche

Der Finne holte mit seinem Mercedes den achten GP-Sieg und bewies einmal mehr, wie wohl er sich auf dem Red Bull Ring fühlt. Zwei Siege und drei Poles in den vergangenen vier Jahren sprechen für sich. Schon kommenden Sonntag bekommt Red Bull aber die Möglichkeit zur Revanche. Denn da wird unter Corona-Bedingungen erneut auf der Heimstrecke der Österreicher gefahren, dann aber beim Grand Prix der Steiermark.

Turbulent verlief der verspätete und mit Spannung erwartete Saison-Einstieg. Neun Ausfälle belegten, dass die Teams nach der langen Corona-Pause noch vieles nachschärfen müssen. Red Bull scheint trotz technischer Probleme aber doch der aussichtsreichste Mercedes-Jäger zu sein. Auch wenn bei beiden RB16-Autos rätselhafte Antriebs-Probleme auftraten. Auch Mercedes hatte wegen der Rumpeleien über die hohen Spielberg-Randsteine zwischendurch Sorgen, brachte dank einer kurzen "Schonzeit", unterstützt durch die Safety-Car-Phasen, aber beide Autos in die Punkte.

Vorteil Hamilton

Der Titelkampf ist jedenfalls eröffnet. Weil keiner wegen der anhaltenden Pandemie weiß, über wie viele Runden er gehen wird, zählt jeder Punkt. Und da ist der um seine siebente Krone kämpfende Lewis Hamilton nun trotz des strafenbedingten Rückfalls im Rennen von Platz zwei auf vier im Vorteil gegenüber Verstappen. Er hält seit Sonntag bei zwölf WM-Zählern, der um den Titel des jüngsten Weltmeisters kämpfende Niederländer hingegen bei null.

"Ich wäre locker aufs Podium gekommen", bedauerte der Vorjahressieger, der beim Ausfall mit klar günstigerer Reifenstrategie auf Platz zwei gelegen war. "Max so früh zu verlieren war schon bitter", gab Teamchef Christian Horner zu. Dass man später auch dem furios nach vorne stürmenden Albon bald nach der Kollision mit Hamilton das Auto abdrehen musste, machte das Desaster perfekt. "Wir hätten gewinnen können. Mir fehlen die Worte", war Horner frustriert.

Zwei Proteste gegen Mercedes

Der erste Saisonlauf war schon vor dem Start ein Scharmützel zwischen den beiden Teams gewesen. Zwei Mal protestierte Red Bull am ersten WM-Wochenende gegen Mercedes. Der Einspruch gegen die neue DAS-Lenkung wurde abgelehnt. Die Rückversetzung von Hamilton in der Startaufstellung klagte man hingegen erfolgreich ein. Dann krachte es auch noch im Rennen zwischen Albon und Hamilton.

"Zum zweiten Mal in drei Rennen hat ihn Lewis nun unverständlicher Weise aus dem Rennen genommen", erinnerte der verärgerte Horner an das letzte Rennen in Brasilien. Auch Albon fühlte sich um einen möglichen Sieg geprellt. "Ich muss echt aufpassen, was ich sage", kämpfte er nach dem Rennen um Beherrschung.

Hamilton hingegen blieb zurückhaltend. "Strafen muss man akzeptieren. Es war nicht mein Wochenende", meinte er angesichts seiner Zeitstrafe und der Rückreihung auf Platz vier. Beim Versuch, Michael Schumachers Rekordmarke an WM-Titeln einzustellen, muss der Brite nun erst einmal am Teamkollegen Bottas vorbei.

Überraschungen

Der Red Bull Ring erwies sich jedenfalls trotz leerer Zuschauertribünen und seiner Kürze als ideale Aufwärmbahn für den Start der seit März brachliegenden Formel-1-WM. Viele Prognosen wurden auf der Strecke von Dietrich Mateschitz auch über den Haufen geworfen. Charles Leclerc im schwachen Ferrari als Zweiter sowie der sensationell fahrende Mercedes-Youngster Lando Norris (20) als Dritter nach schnellster Rennrunde lieferten Überraschungen.

"Ich bin sprachlos" meinte Norris, der nun hinter Verstappen und Lance Stroll drittjüngster Podest-Fahrer der Formel 1 ist. Der jüngste Pilot im Feld war trotz der leeren Ränge so außer sich vor Freude, dass er beim Umarmen mehrmals Probleme mit der aktuellen Corona-Distanzregel bekam. Später musste er auch seinen champagnergetränkten Mund-Nasen-Schutz tauschen.

Knien als Geste

Keine Probleme mit dem Abstand gab es bei einem symbolischen Akt vor dem Rennen. Hamilton hat Verständnis für seine sechs Fahrerkollegen, die nicht zum gemeinsamen Kniefall als Zeichen gegen Rassismus bereit waren. "Niemand sollte gezwungen werden. Ich bin denen dankbar, die mit mir gekniet haben", sagte der Mercedes-Pilot. Jeder habe das Recht zu tun, was er für richtig halte.

Nicht alle knieten am Sonntag vor dem Rennen nieder.
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Vor dem Rennen waren 14 der 20 Fahrer als Geste für mehr Vielfalt und Chancengleichheit auf ein Knie gegangen. Charles Leclerc von Ferrari, Red-Bull-Fahrer Max Verstappen, McLaren-Pilot Carlos Sainz, Kimi Räikkönen und Antonio Giovinazzi von Alfa Romeo sowie Daniil Kwjat von Alpha Tauri blieben stehen. Alle Piloten trugen schwarze T-Shirts, die meisten mit der Aufschrift "End Racism". Hamiltons Shirt trug die Botschaft "Black Lives Matter".

Die Möglichkeit des Kniefalls sei zuvor von den Fahrervertretern Sebastian Vettel und Haas-Pilot Romain Grosjean angesprochen worden. "Ich habe niemanden aufgefordert, in die Knie zu gehen", versicherte Hamilton, der zuletzt immer wieder das Wort im Kampf gegen Rassismus ergriffen hatte. Die verstärkten Bemühungen in der Formel 1 und gerade bei seinem Mercedes-Team für mehr Diversität dürften "keinen leisen Tod sterben", mahnte der 35-Jährige.

Er werde weiter seine Stimme erheben, sagte Hamilton. Noch offen sei, ob er auch vor den nächsten Rennen wieder auf ein Knie gehen werde. Vorbild für die Geste ist Football-Profi Colin Kaepernick, der auf diese Weise gegen Rassismus und Polizeigewalt protestiert hatte. "Das war ein kraftvolles Statement", sagte Hamilton. Er habe vor ein paar Jahren mit dem US-Amerikaner Kaepernick darüber gesprochen. Vor dem damaligen Rennen in den USA sei er aber selbst von einem Kniefall abgebracht worden. (APA, red, 6.72020)