Zur Jahresmitte wollte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ihr künftiges Konzept zu Österreichs Luftraumüberwachung bekanntgeben: Mit Montag ist nun fix, dass die Entscheidung aufgeschoben wird – und zwar so lange, bis im Rechtsstreit mit dem Eurofighter-Hersteller Airbus, vormals EADS, Klarheit herrscht.

Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung zu Österreichs Luftraumüberwachung: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP).
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Wortwörtlich heißt es in einem Schreiben aus dem Verteidigungsministerium: "Die Republik Österreich wird weiterhin alle Rechtsmittel ausschöpfen, um das Ziel zu erreichen, den Eurofighter-Vertrag rückabzuwickeln und von Eurofighter entschädigt zu werden." Und weiter: "Bis zur endgültigen Entscheidung der Justiz werden keine Entscheidungen in Bezug auf die Luftraumüberwachung getroffen, die die Position Österreichs gegenüber Eurofighter verschlechtern würden."

Widersprüchliche Berichte

In dem Schreiben wird auch darauf verwiesen, dass sich drei Kommissionen in den letzten Jahren mit möglichen Nachbeschaffungen auseinandergesetzt haben – unter den Ex-Verteidigungsministern Hans Peter Doskozil (SPÖ), Mario Kunasek (FPÖ) sowie Thomas Starlinger. Derzeit werde die Luftraumüberwachung von fünfzehn Eurofightern und zwölf Saab 105 sichergestellt – konkret zehn Stunden am Tag, wobei 94 Prozent durch die Eurofighter abgedeckt werden und sechs Prozent durch die Saab 105.

"Die Empfehlungen der Kommissionen und Berichte zeichnen kein einheitliches Bild", wird dazu ausgeführt. Unter Doskozil wie unter Kunasek sei keine Nachbeschaffung der Saab 105 vorgesehen gewesen, die mit 2021 aus Altersgründen keine Fluggenehmigung mehr bekommt. Im Starlinger-Bericht sei hingegen vermerkt worden, dass mit einer Nachbeschaffung der Saab 105 die aktive Luftraumüberwachung durch Unterschall-Trainingsflugzeuge ergänzt werden könne. Dass die Saab 105 nun ersatzlos ausscheiden, argumentiert man damit, dass die meisten Länder ohnehin ein Ein-Flotten-System hätten.

Ausphasen statt anschaffen

Aus alledem folgern Tanner & Co weiter: "Das Verfahren gegen Eurofighter wird mit größtem Nachdruck weiterverfolgt." Und: "Selbst wenn jetzt ein Beschaffungsvorgang eingeleitet wird, würden die neuen Flugzeuge Anfang 2021 noch nicht bereitstehen."

Folgendes würde bis zur Klärung des Rechtsstreits zum Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag sichergestellt: "Die Saab 105 wird aufgrund des Endes der technischen Lebensdauer ausgephast und nicht nachbeschafft." Zudem würden Maßnahmen gesetzt, die "Luftraumüberwachung und die Ausbildung der Piloten weiterhin zu gewährleisten". Zu alledem solle "ein breiter Diskussionsprozess" auf parlamentarischer Ebene gestartet werden, "um die Optionen für die Zeit nach Abschluss des Eurofighter-Verfahrens auszuloten".

Viele Fragezeichen im Raum

Dass ein Vertragsausstieg, wie ihn die Politik erhofft, jemals möglich sein wird, ist allerdings ungewiss. Denn bisher hat die Justiz keine Anklagen gegen Airbus auf den Boden gebracht – vielmehr wurde das Betrugsverfahren gegen Eurofighter/Airbus, das auf eine Anzeige des Verteidigungsministeriums aus dem Jahr 2017 unter dem damaligen SPÖ-Minister Doskozil zurückgeht, eingestellt.

In der Praxis bedeutet Tanners Aufschieben der Entscheidung, dass die fünfzehn Eurofighter mehr Stunden fliegen müssen, um die zwölf Saab 105 zu ersetzen. Dadurch entstehen freilich nicht nur höhere Kosten – auch der Flughafen Linz Hörsching, wo die Saab 105 stationiert sind, steht somit als Standort infrage.

Doskozil attackiert Tanner

Ex-Verteidigungsminister Doskozil, mittlerweile Landeshauptmann im Burgenland, bezeichnete Tanner in der "ZiB 2" am Montagabend als "das größte Problem des Bundesheers". Die Ministerin kommuniziere nicht mit dem Generalstab, schotte sich ab, treffe keine Entscheidungen.

Der frühere Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) übt angesichts der nicht getroffenen Entscheidungen zu Österreichs Luftraumüberwachung harsche Kritik an Ressortchefin Klaudia Tanner (ÖVP).
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SPÖ sieht rot

SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer wiederum befand in einer ersten Reaktion: "Österreichs Verteidigungsministerin wird immer mehr zur Gefahr für Österreich", denn: Mit ihrer Entscheidung für ein Einflotten-System Eurofighter begebe sich Tanner in die volle Abhängigkeit der Eurofighter-Produzenten Airbus und der Nato, die darüber entscheide, ob der Flieger überhaupt vom Boden abheben könne. Tanner stelle damit nicht nur eine funktionierende Luftraumüberwachung, sondern auch die Souveränität Österreichs infrage.

Für all das müsse außerdem der Steuerzahler aufkommen, der die erheblichen Mehrkosten für den alleinigen Betrieb der Eurofighter zu zahlen habe, kritisierte Laimer – ein Ende des Verfahrens mit Airbus sei nämlich nicht in Sicht.

Den Verweis Tanners auf das Regierungsprogramm wertet Laimer gar als Drohung: "Regierungsprogramme kommen und gehen, die österreichische Verfassung bleibt." Daher sei es notwendig, die aktive Luftraumüberwachung zu jeder Zeit abzusichern und sich nicht in Abhängigkeiten zu begeben.

FPÖ spricht von Ruin

Ähnlich äußerte sich auch FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch nach der heutigen Aussprache aller Wehrsprecher mit der Ministerin: "Alle Fragen sind offen geblieben", so Bösch. "Tanner hat den ersten Schritt gesetzt, um die Luftraumüberwachung komplett zu ruinieren, und sie riskiert damit eine absolute Abhängigkeit von einem Konzern, mit dem die Republik Österreich eine juristische Auseinandersetzung führt." Damit werde "die gesamte Republik in eine Sackgasse geführt", sagte der Freiheitliche zur APA.

Die Beteuerungen Tanners, dass die militärische Landesverteidigung weiterhin die Hauptaufgabe des Bundesheers bleiben würde, stünden im "krassen Widerspruch" mit ihren Handlungen. Die Ministerin habe auch in Hinblick auf die bereits paktierte Nachbeschaffung von Hubschraubern keine Angaben gemacht. Bösch rechnet daher auch hier mit einem Rückzug.

Neos prangern Untätigkeit an

Unzufrieden nach dem heutigen Gespräch mit der Verteidigungsministerin zeigten sich auch die Neos. Die "Strategie" von Tanner zur Luftraumüberwachung laute: "Nichts tun und warten, was passiert", bemängelte Verteidigungssprecher Douglas Hoyos. Allein: "Untätig darauf zu vertrauen, dass irgendwann vielleicht doch noch eine Rückabwicklung des Eurofighter-Kaufs möglich wird", ist aus Hoyos' Sicht "verantwortungslos". (Nina Weißensteiner, 6.7.2020)