Die Journalistin Swetlana Prokopjewa wurde für einen kritischen Kommentar über ein Selbstmordattentat verurteilt.

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Pskow/Moskau (APA) – Die russische Journalistin Swetlana Prokopjewa ist laut Medienberichten am Montag in einem umstrittenen Prozess von einem Militärgericht im westrussischen Pskow zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Anklage hatte zuvor verlangt, dass die Journalistin für einen kritischen Kommentar über ein Selbstmordattentat wegen "Rechtfertigung von Terrorismus" zu sechs Jahren Haft verurteilt werden soll.

Nach einem spektakulären Selbstmordanschlag eines 17-Jährigen Anarchisten in der Geheimdienstzentrale in der russischen Stadt Archangelsk hatte die liberale Pskower Journalistin im November 2018 über die Mitverantwortung einer zunehmend autoritären Politik des Kreml für derartige Verzweiflungstaten reflektiert. Insbesondere zog sie dabei Parallelen zum linksradikalen Terrorismus im autokratischen Zarenreich des späten 19. Jahrhunderts.

Aus der Sicht der Medienaufsichtsbehörde und der Anklagebehörde erfüllten diese Reflexionen den Tatbestand der "Rechtfertigung von Terrorismus", der mit bis zu sieben Jahren Haft sanktioniert werden kann. Nach Journalistenprotesten, unter anderem am Freitag auch vor der Zentrale des Geheimdiensts FSB in Moskau, verurteilte das örtlich zuständige Militärgericht Prokopjewa nun zu einer Geldstrafe von 500.000 Rubel (etwa 6.100 Euro). Für den russischen Journalismus gilt die Causa und der nunmehrige Schuldspruch dennoch als Präzedenzfall, der Selbstzensurtendenzen verstärken dürfte. (APA, 6.7.2020)