Es ist eine Frage, die derzeit alle beschäftigt: Kommt eine zweite Coronavirus-Welle und wenn ja, wann? Dass die Zahl der mit Sars-CoV-2 Infizierten übers Wochenende in Österreich wieder über 1000 gestiegen ist, erzeugt ein ungutes Gefühl. Die meisten Neuinfektionen waren in Oberösterreich zu verzeichnen, schon vergangene Woche wurden dort Schulen geschlossen, mittlerweile wurden auch zwölf Infizierte in drei Schlachthöfen entdeckt. Viele Fälle sind auf Menschen zurückzuführen, die von Reisen ins Ausland nach Österreich zurückgekehrt sind.

Eine zweite Welle ist das aber nicht. Die Fallzahlen steigen nicht exponentiell, die Infektionsketten sind unter Kontrolle, so die Behörden. Was wir derzeit, anders als im März, nicht erleben, sind fortlaufende Ansteckungen, über die ganze Bevölkerung verteilt.

Die Entwicklung ist auch nicht überraschend. Mehr Kontakt unter den Menschen führt zu mehr Infektionen. Dass die Zahlen steigen, damit war zu rechnen, als die Gegenmaßnahmen gelockert wurden – das haben Experten auch immer vorausgesagt. Noch dazu, weil es um eine Infektion geht, die noch vor Symptombeginn übertragbar ist. Das Virus war nie weg und wird auch nicht so schnell verschwinden.

Masken sind ein wichtiges Mittel zur Vermeidung von Infektionen.
Foto: APA/Sebastian Kahnert

Ja, die Zahlen sind gestiegen – aber das Ausmaß ist bewältigbar, weil Ansteckungen rekonstruierbar sind. Genau so funktioniert Pandemiekontrolle: Cluster ausfindig machen, Kontaktpersonen testen und Betroffene schnell abschirmen. So bleibt die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle.

Lernprozess

Und es wird regional gehandelt, wie aktuell in Oberösterreich. Das hat den Zweck, einen österreichweiten Lockdown zu verhindern und ist richtig so. Denn das Virus verbreitet sich lokal sehr unterschiedlich. Während der ersten Welle gab es in manchen Bundesländern nur sehr wenige Fälle und trotzdem strenge Maßnahmen. Dass österreichweite Konzepte nicht immer zielführend sind, ist auch ein Lernprozess.

Dieses regionale Vorgehen ist eines der Szenarien, das Experten schon vor Monaten für den weiteren Verlauf der Pandemie entworfen haben. Es ist eines der erträglichsten. Denn möglicherweise verläuft die zweite Welle, wenn sie denn kommt, ganz anders als die erste – ohne nationalen Lockdown, dafür mit regionalen Ausbrüchen, die zwar Ausgangssperren und Kontaktreduktionen notwendig machen, aber nicht überall und für alle in Österreich.

Womöglich ist es aber auch höchste Zeit, sich vom Begriff Welle zu verabschieden. Eine solche überrollt uns, ein Anstieg der Infektionen wie jetzt tut das nicht. Wir sind besser vorbereitet als beim ersten Mal, wissen, welche Hygienemaßnahmen sinnvoll sind, haben aus Fehlern gelernt, der medizinische Betrieb ist besser gewappnet, und uns ist klar, was oberste Priorität hat: die Risikogruppen zu schützen. Immerhin zählt nicht nur, wie viele Erkrankte es gibt, sondern auch, wer sich ansteckt.

Vorbei ist Corona jedenfalls nicht, auch wenn viele im Alltag wohl dieses Gefühl haben. Das ist mit ein Grund, warum manche Ärzte kritisieren, dass die Maskenpflicht gelockert wurde. Denn Masken sind nicht nur ein Mittel zur Vermeidung von Infektionen, sie sind auch eine Warnung, deren Anblick immer wieder in Erinnerung ruft: Wir sind mitten in einer Pandemie, es liegt an uns allen, wie wir sie überstehen. Schon jetzt bestimmt jeder Einzelne mit, was uns im Herbst erwartet. (Bernadette Redl, 6.7.2020)