Seit Jahren nimmt die Beschäftigung bei Jobs mit mittlerer Qualifikation ab. Die OECD fordert in Anbetracht der fortschreitenden Automatisierung eine Anpassung der Bildungssysteme für derartige Berufe.

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Wien – Zwar fühlen sich die Lockerungen nach dem Shutdown für viele Menschen so an, als wäre die Corona-Krise überstanden. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Das unterstreicht die Industrieländer-Organisation OECD mit ihrem aktuellen Beschäftigungsausblick. Trotz des massiven Einsatzes von Telearbeit ging in allen Ländern die tatsächliche Beschäftigtenzahl zurück, denn die Unternehmen haben Neueinstellungen auf Eis gelegt.

Zusätzlich halten Betriebe einen beträchtlichen Teil ihrer Beschäftigten durch Kurzarbeit oder andere staatlich subventionierte Programme in einer Art Warteposition. Sozial schwächere Gruppen, gering qualifizierte junge Menschen, Migranten und Frauen traf die Krise am schwersten.

Mehr Arbeitslose

In den ersten Monaten der Krise sei in vielen Ländern die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosengeld in die Höhe geschnellt, hält die OECD fest. Prognosen zufolge wird die Arbeitslosenquote in den OECD-Ländern deutlich stärker steigen als zum Höhepunkt der globalen Finanzkrise.

Erst vor rund einem Monat prognostizierten Experten der OECD in ihrem Konjunkturausblick schwere coronabedingte Langzeitfolgen für die Wirtschaft. Bis Ende 2021 werden die weltweiten Einkommensverluste demnach größer sein als in jeder anderen Rezession der vergangenen hundert Jahre – ausgenommen des Zweiten Weltkriegs.

Historisch beispielloses Krisenmanagement

Die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reaktionen auf die Krise bezeichnet die OECD als "historisch beispiellos". Dazu zählen in etwa Maßnahmen, um den Zugang zu Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Transferleistungen für Arbeitslose zu erleichtern. Und natürlich die Kurzarbeit, die in gewaltigem Umfang in Anspruch genommen worden sei.

Diese Modelle zielen auf Schadensbegrenzung ab. Sobald die Wirtschaftstätigkeit wieder stärker anzieht, müsse die Politik das Gleichgewicht finden zwischen weiterer Unterstützung der immer noch betroffenen Beschäftigten, Haushalte und Unternehmen und der Förderung wirtschaftlicher Aktivität. Ein elementarer Bestandteil dessen sei, notwendige Umstrukturierungen zu ermöglichen.

Höheres Armutsrisiko für atypisch Beschäftigte

Personen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen erfüllen oft nicht die Kriterien, um Arbeitslosenunterstützung zu beziehen. Mindestbeschäftigungsdauer oder Mindestverdienst stellen für Teilzeitkräfte oft kaum zu überwindende Hürden dar – was ein höheres Armutsrisiko für die Betroffenen zur Folge hat. Ähnliches gilt für Personen, die häufiger zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit wechseln. Auch wenn die politischen Optionen nicht einfach umzusetzen seien, brauche es Veränderungen. Ein Gleichgewicht zwischen Beschäftigungsanreizen und Einkommenssicherheit auch für atypisch Beschäftigte müsse ermöglicht werden, fordert die OECD in ihrem Bericht.

Jobs mit mittlerer Qualifikation rückläufig

Weniger junge Menschen ergreifen Jobs im mittleren Qualifikationssegment wie beispielsweise Lastwagenfahrer und Maschinenarbeiter bei Männern oder Kassiererin und Sekretärin bei Frauen. So erklärt die OECD den Beschäftigungsrückgang in dieser Sparte. Ein Trend, der sich seit Jahren bestätigt. Die berufliche Laufbahn von älteren Jahrgängen habe sich nach dem Eintritt in den Jobmarkt jedoch nicht wesentlich verändert. Personen mit mittlerem Kompetenzniveau ergreifen heutzutage eher Berufe, die niedrige Kompetenzen erfordern.

Berufliche Bildung muss sich ändern

Stellen, die mittlere Qualifikationen erfordern, sind strukturellen Veränderungen und einem immer größer werdenden Automatisierungsrisiko ausgesetzt. Die Berufsbildungssysteme müssten sich der rasch zunehmenden Nachfrage nach höheren Kompetenzen anpassen, ergibt sich aus dem Beschäftigungsausblick. Andernfalls könne sich ein Berufsbildungsabschluss nicht weiterhin positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken. (and, 7.7.2020)