"Es muss fetzen", wünscht sich SP-Chefin Rendi-Wagner zum Konjunkturpaket – und griff die Arbeit von Finanzminister Blümel entsprechend an.

Foto: APA/Robert Jäger

Neos-Chefin Meinl-Reisinger begrüßt viele Entlastungschritte der Regierung, hat aber an der Abwicklung der Hilfen einiges auszusetzen: "Das geht besser, das geht unbürokratischer"

Foto: APA / ROBERT JAEGER

Wien – Fundamentalopposition war diesmal rot gefärbt: Niemand sonst im Hohen Haus ging am Dienstagvormittag derart hart mit den Vorhaben der Regierung ins Gericht wie Pamela Rendi-Wagner. "Planloses Stückwerk" glaubte die SPÖ-Chefin zu erkennen, die vorgelegten Gesetze seien "mehr als unambitioniert". Erst hätten ÖVP und Grüne durch "verzögerliches, schlechtes Handeln" in der Corona-Krise die Misere verschärft, nun reagiere die Koalition mit "Minialmosen". Ihr Anspruch: "Es muss fetzen."

Dabei nimmt die Regierung bei den Nationalratssitzungen dieser Woche ein Ziel in Angriff, das bei allen Parteien an sich unumstritten ist. Weil Österreichs Wirtschaftsleistung als Folge des Lockdowns laut jüngster EU-Schätzung heuer um 7,1 Prozent einbrechen wird, soll der Staat die Konjunktur anheizen, damit die Zahl der Arbeitslosen – derzeit 442.089 Menschen – nicht ins Unermessliche steigt. Am Dienstag standen die ersten Teile zur Debatte.

Steuersenkung: Wie noch von der alten türkis-blauen Regierung geplant, sinkt der Eingangssteuersatz bei der Lohn- und Einkommenssteuer von 25 auf 20 Prozent, und zwar rückwirkend ab Jahresbeginn. Für den Einzelnen bedeutet dies eine Entlastung von bis zu 350 Euro im Jahr, sofern die Person mehr als 14.700 Euro brutto (11.000 Euro Bemessungsgrundlage) verdient – darunter fallen keine Steuern an. Für Kleinverdiener wird die Negativsteuer – eine Gutschrift – um 100 Euro erhöht. Im Gegenzug wird der Höchststeuersatz von 55 Prozent für Spitzenverdiener bis 2025 verlängert. Was für Rendi-Wagner eine "Ministeuerreform" ist, preist die Koalition als Kaufkraftstärkung.

Wirtschaftsförderung: Zu nichts Geringerem als einer "wirtschaftspolitischen Revolution" adelt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) einen neuen Vorteil für Unternehmen. Künftig ist eine degressive Abschreibung für Abnutzung möglich. Damit können Investitionen rascher zu einem größeren Prozentsatz abgeschrieben werden. Dazu kommt eine siebenprozentige Investitionsprämie, die sich für Investitionen im Zusammenhang mit Digitalisierung, Ökologisierung, Gesundheit verdoppelt. Und: Per Verlustrücktrag können Corona-Verluste mit Gewinnen der vergangenen zwei Jahre gegengerechnet werden.

Auch für Bauern gibt es Steuererleichterungen, etwa eine Dreijahresverteilung für Gewinne.

Flugticketabgabe: Mehr dem Klimaschutz als der Konjunkturförderung geschuldet sind die neuen Tarife der Flugticketabgabe. Für die Kurzstrecke bis 350 Kilometer sollen künftig 30 Euro pro Ticket anfallen, bei allen anderen Flügen soll die Steuer zwölf Euro betragen.

Hilfe für Wälder: Mit 350 Millionen Euro ist ein neuer Waldfonds dotiert, aus dem Förderungen in Maßnahmen wie Wiederaufforstung, Waldbrandprävention oder mechanische Entrindung fließen sollen. Aber auch Entschädigungszahlungen sind vorgesehen: Die Forstwirtschaft hat stark mit Borkenkäferbefall zu kämpfen

Angesichts dieses Angebots gab sich ÖVP-Klubchef August Wöginger perplex über die viele Kritik der SPÖ und versuchte es auf die moralische Tour. Lege sich die größte Oppositionspartei im Bundesrat quer, drohe sich die Entlastung zu verzögern: "Stimmen Sie mit, dann wird alles gut."

"Wir stimmen mit, damit alles gut wird", tönt es zurück – allerdings von blauer Seite. Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs kann sich schlecht über Schritte wie die Einkommenssteuersenkung beklagen, die er einst selbst mitgeplant hat. Ganz Steuerberater, findet der FPÖ-Mandatar das Kritikwürdige in den bürokratischen Details: Das Investitionsprämiengesetz sei ein "Musterbeispiel für schlechte Legistik".

Milliardenschlacht

"Das geht besser, das geht unbürokratischer", sagt auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und behauptet, dass von geplanten 50 Milliarden an Corona-Hilfe erst drei ausbezahlt worden seien. Blümels Einspruch: Bereits 25 Milliarden seien rechtsverbindlich zugesagt und weit mehr als drei bereits faktisch ausbezahlt.

In Summe urteilt aber auch Meinl-Reisinger – "wir begrüßen viele Entlastungsschritte" – kulanter als Rendi-Wagner. Für die Abstimmung machte das aber keinen Unterschied. Die SPÖ stimmte dem Gesetz zur Konjunkturstärkung genauso wie Neos und die FPÖ zu, letztere Partei mit Ausnahme eines Investitionsgesetzes. Der Waldfonds wiederum ging mit den Stimmen der Koalition und der FPÖ durch.

Die gemeinsamen Beschlüsse hinderten die Parlamentarier nicht an weiteren Scharmützel. SP-Mandatare Jan Krainer kritisierte, dass Arbeitslosen – wie am Mittwoch beschlossen werden soll – nur eine Einmalzahlung von 450 Euro gewährt werde, während pensionierten Bauern durch diverse Verbesserungen die gleiche Summe alljährlich winke, obwohl Corona diesen null Pensionsverlust beschert habe. Einen Anwalt finden die Landwirte im Innviertler Wöginger: Es seien die Bauern gewesen, "die uns in der Krise den Tisch gedeckt haben".

Nicht nur die Landwirte unter den Pensionisten betrifft, was Ingrid Korosec, Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes berichtet: Kanzler Sebastian Kurz habe ihr zugesagt, dass kleine Pensionen 2021 über die Inflationsrate hinaus angehoben werden sollen. Gemeint seien jene rund 1,2 Millionen Pensionisten, die unterhalb der Steuerpflicht liegen und die daher von der beschlossenen Senkung der ersten Steuerstufe nicht profitieren. (Gerald John, APA, 7.7.2020)