Der 32-jährige Angeklagte gab vor dem Geschworenen zwar die Schüsse zu, bestritt aber die Tötungsabsicht und sprach von Notwehr.

Foto: Stefanie Ruep

Salzburg – Ein Jahr nachdem ein 46-jähriger Mann vor einem Lokal im Salzburger Stadtteil Lehen erschossen wurde, startete am Dienstag der Mordprozess gegen zwei Männer aus Albanien. Laut Anklage soll ein 32-jähriger Albaner den Bosnier erschossen und dessen 24-jährigen Sohn durch einen zweiten Schuss schwer verletzt haben. Der Zweitangeklagte soll die Tatwaffe zur Verfügung gestellt haben. Der 32-Jährige gab vor dem Geschworenen zwar die Schüsse zu, bestreitet aber die Tötungsabsicht und sprach von Notwehr.

Das spätere Opfer feierte zusammen mit seinem Sohn die Geburt seines Enkels. Der Sohn sei laut Staatsanwältin Sandra Lemmermayer draußen auf der Terrasse mit dem Angeklagten in eine verbale Auseinandersetzung geraten, worauf der 32-Jährige ihm eine Ohrfeige mit der Rückhand verpasste. Der Bosnier ging in das Lokal, um seinen Vater und andere Bekannte zu holen. Daraufhin soll der Albaner in die Umhängetasche seines Bekannten gegriffen und eine Glock herausgeholt haben. Er feuerte zunächst auf den Oberschenkel des Sohnes, zielte dann mit ausgestreckter Hand auf die Brust des Vaters und drückte erneut ab. Der 46-Jährige verstarb "noch an Ort und Stelle", sagte Lemmermayer in ihrem Eröffnungsvortrag.

"Gegen den Willen" getroffen

Der 32-jährige Angeklagte gab bei seiner Einvernahme zwar zu, geschossen zu haben, doch er habe niemanden töten wollen. "Ich habe Angst gehabt, weil so viele Personen entgegengekommen sind", sagte der Mann zur Richterin, übersetzt von einem Dolmetscher. Einer der Männer habe auch ein Messer gehabt. Er habe die Waffe aus der Umhängetasche des Zweitangeklagten genommen und auf den Oberschenkel des Sohnes geschossen, "damit ich diese Aggression stoppe". Doch die Männer seien noch aggressiver geworden, der Vater sei auf ihn zugegangen, und er habe erneut abgedrückt. "Ich weiß es nicht, ich hab einfach getroffen. Das war gegen meinen Willen", sagte der 32-Jährigen.

"Aber eine Waffe schießt nicht von selbst, man muss schon den Abzug betätigen", hakte die Vorsitzende Richterin Bettina Maxones-Kurkowski nach. "Ich richtete die Waffe auf ihn mit der Absicht, ihn zu verletzten, damit ich weglaufen kann. Ich wollte ihn nicht töten", erklärte der Angeklagte. Er habe erst in Deutschland erfahren, dass das Opfer gestorben sei. Am 22. Juni war der 32-Jährige dann in Deutschland verhaftet worden, im September wurde er nach Salzburg ausgeliefert.

Bier, Schnäpse und ein paar Lines Koks

Sein Verteidiger Mirsad Musliu sagte den Geschworenen, der 32-Jährige habe an jenem 4. Juni unter Drogen und Alkoholeinfluss gestanden. 15 bis 20 Bier, ein paar Schnäpse sowie Whiskey Cola und ein paar Lines Kokain habe der 32-Jährige intus gehabt. Musliu gab zudem zu bedenken, dass der Abend sich schwer rekonstruieren lasse, da viele Zeugen nichts gesehen haben wollten und alle anderen Freunde oder Verwandte des Opfers seien. Der 32-Jährige habe niemanden töten wollen. Ein Schuss in den Oberschenkel "passt nicht, um jemanden zu töten".

Kurt Jelinek, der Verteidiger des Zweitangeklagten, sagte, es sei "ein tragischer, unerwarteter plötzlicher Vorfall" gewesen. Es gebe kein Motiv, die Situation sei eskaliert. Sein Mandant habe deeskalieren wollen, das habe auch ein bosnischer Zeuge ausgesagt. Er habe keine Waffe zur Verfügung gestellt, eine Beitragstäterschaft sei keineswegs gegeben. Denn ein Dritter habe dem Schützen die Waffe übergeben.

Trotz der strengen Abstandsregeln am Landesgericht war der Schwurgerichtssaal auf den zugewiesenen Platzkarten gut besucht. Auch die Familie des Toten saß auf den Zuschauerbänken. Bei der Einvernahme des Schützen kam es deshalb auch zu kurzen Zwischenrufen, woraufhin Richterin Maxones-Kurkowski die Angehörigen bat, kurz den Saal zu verlassen, um sich wieder zu beruhigen. Der Prozess wird Mittwoch und Donnerstag fortgesetzt. (Stefanie Ruep, 07.07.2020)