Strache versucht es nun mit "HC".

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Schon im Herbst des vergangenen Jahres stöhnten die Ermittler ob des Umfangs der blauen Spesenaffäre: Das "Beweismittelzimmer" der Soko Tape gehe mittlerweile "fast über, weil alles voll mit Belegen" sei, erzählte ein Mitarbeiter bei einer Besprechung. Die Polizei prüft im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien, ob der langjährige freiheitliche Parteichef Heinz-Christian Strache während seiner Obmannschaft systematisch falsch abgerechnet hat. Mittlerweile haben die Ermittler eine Vielzahl von Rechnungen zusammengetragen, die sie der sogenannten Spesenaffäre zuordnen:

  • Strache soll mit einer Parteikreditkarte monatlich bis zu 3.000 Euro beim Smartphone-Spiel "Clash of Clans" verspielt haben. Er sagt dazu, er habe Mikrotransaktionen tätigen wollen und unabsichtlich die falsche Kreditkarte angegeben. Das wurde laut Strache zurückbezahlt.
  • Die Hochzeit von Strache und Philippa Beck soll mit Bargeld bezahlt worden sein, berichtete nun "Die Presse". Die Wirtin, bei der die Feier ausgerichtet wurde, sagte bei ihrer Einvernahme, Strache habe 18.000 Euro in bar bezahlt. Sein Anwalt Johann Pauer erklärt, es habe eine Box mit Geldgeschenken gegeben.
  • Auch die Geburtstagsfeier von Straches Tochter steht im Fokus der Ermittler. Da fielen Getränkekosten in der Höhe von 8.000 Euro an. Straches Anwalt sagt, es habe sich eigentlich um eine Feier des damaligen Parteichefs gehandelt, der einen Tag nach seiner Tochter Geburtstag hat.
  • Ebenfalls mit Parteigeld in Verbindung gebracht werden Wartungsarbeiten an einem Swimmingpool, eine Whirlpool-Reparatur sowie Rechnungen einer Friedhofsgärtnerei über ein "Grab Strache".
  • Untersucht werden außerdem Nachhilfestunden und Kinderbetreuungskosten, die über die Partei abgerechnet wurden. Ebenso Kosten für Falschparken, Luxushandtaschen, Medikamente für den höchstpersönlichen Lebensbereich.

All diese Vorwürfe werden von Strache bestritten: Er gibt an, die Kosten entweder persönlich erstattet zu haben oder einen Zusammenhang mit Parteiarbeit darlegen zu können.

Die Entstehungsgeschichte

Bei den Ermittlungen kann die Soko Tape auf umfangreiches Material des ehemaligen Strache-Bodyguards Oliver R. zurückgreifen. Dieser soll auch dafür eingesetzt worden sein, Spesen falsch abzurechnen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob Straches Mitarbeiter beispielsweise fremde Restaurantrechnungen gesammelt haben, um diese dann einzureichen. Der einstige Leibwächter des FPÖ-Chefs hatte enge Kontakte zu den mutmaßlichen Hintermännern des Ibiza-Videos. Bereits 2015 soll er gemeinsam mit dem Anwalt M. versucht haben, die Spesenaffäre behördlich anzuzeigen. Allerdings soll er laut Bundeskriminalamt unerfüllbare Forderungen für eine Aussage gestellt haben, etwa finanzielle Remuneration.

Nach Auftauchen des Ibiza-Videos richteten die Beamten eine Telefonüberwachung von Straches Umfeld ein. Dadurch wurden Hinweise auf die Spesenaffäre gesammelt. Außerdem wurde die anonyme Anzeige neu eingebracht. STANDARD und "Presse" berichteten dann im Herbst 2019 über die Vorwürfe. Diese gaben letztlich den Ausschlag dafür, dass Strache aus der FPÖ ausgeschlossen wurde.

Die strafrechtliche Dimension

Ermittler prüfen momentan mehrere Varianten: Der Knackpunkt ist, ob andere Parteigranden von Straches Gebaren gewusst haben. Wenn nicht, könnte Strache die Partei geschädigt und betrogen haben. Wenn schon, ist zu prüfen, ob diese Ausgaben mit Parteigeld getätigt werden dürfen – immerhin handelt es sich dabei ja auch um Steuergeld.

Außerdem gibt es Querverbindungen zu anderen Verfahren, etwa der Causa Schellenbacher. Hier geht es um Mandatskauf durch ukrainische Oligarchen. Sie sollen zwei Millionen in bar an Strache übermittelt haben – zeigen sollen das die berühmten Fotos einer Sporttasche mit Geld, die ebenfalls Straches damaliger Bodyguard R. aufgenommen hat. Eine Rolle spielt auch das blaue Vereinsnetz: Ermittler denken, dass Vereine wie Austria in Motion oder das Institut für Sicherheitspolitik aufgesetzt wurden, um Gelder für die FPÖ oder Strache zu lukrieren. Das wird von allen Beteiligten bestritten, es gilt die Unschuldsvermutung.

Die politische Dimension

Die Spesenaffäre wird als einer der Hauptgründe für den Absturz der FPÖ gesehen. Unbestritten ist, dass Strache zusätzlich zu seinem Gehalt als Klubobmann, dann als Vizekanzler auch Mietkosten ersetzt wurden. Die Inszenierung der Partei als Vertreter einkommensschwacher Bevölkerungsschichten wurde durch die Vorwürfe stark beschädigt. Strache zeigt sich davon unbeirrt: Er will bei der Wien-Wahl im Herbst mit seiner eigenen Liste antreten. Laut Umfragen ist dann ein Einzug in den Wiener Landtag durchaus möglich. (Fabian Schmid, 8.7.2020)