Zahlreiche E-Sportler sind mit Sexismusvorwürfen konfrontiert.

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In der Gaming-Branche brodelt es gewaltig. Angestoßen durch den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegenüber einem Protagonisten der Szene, berichten hunderte Menschen über ihre Erfahrungen. Es geht um Sexismus, Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung und Nötigung. Die #MeToo-Bewegung ist auch im E-Sport angekommen.

In einem Dokument sammelt die Community die Vorwürfe, deren Zahl mittlerweile bei über 180 liegt. Mehrere große Persönlichkeiten haben sich infolgedessen aus der Szene zurückgezogen. Diverse Unternehmen kündigten Untersuchungen und Konsequenzen an.

Keine Überraschung

Für Kristin Banse, die sich seit Juni beim eSport-Bund Deutschland (ESBD) als für Diversität zuständiges Präsidiumsmitglied auch für die Sichtbarkeit von Frauen in der Szene einsetzt, sind die Vorwürfe keine große Überraschung. "Für viele Frauen im E-Sport sind Sexismus und Übergriffigkeiten leider trauriger Alltag", sagt Banse im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.

Dass nun so viele Fälle an die Öffentlichkeit kämen, liege eher daran, dass einige in der Szene lange weggeschaut und Probleme ignoriert hätten: "Viele Akteurinnen sprechen bereits seit Jahren darüber und machen auf die Thematik aufmerksam."

Auch bekannte Persönlichkeiten aus dem E-Sport finden sich unter den Beschuldigten. Dem Dota-2-Kommentator Grant "GranDGranT" Harris beispielsweise warfen mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vor. Er entschuldigte sich via Twitter und kündigte seinen Rückzug aus der Szene an.

Vor allem in der Szene des Videospiels "Super Smash Bros" haben sich die Vorwürfe in den vergangenen Wochen massiv vermehrt. So erzählen zahlreiche Nutzerinnen von sexueller Belästigung, aber auch Anschuldigungen angeblicher pädophiler Übergriffe stehen im Raum.

Auch in der Freizeit

Doch das Problem beschränkt sich nicht auf die Profiszene. Auch Frauen, die in ihrer Freizeit Games spielen, sind von Sexismus betroffen. In vielen Mehrspieler-Games werden Teams zufällig gebildet, für die Kommunikation gibt es integrierte Sprach-Chats.

Immer wieder berichten Frauen davon, dass Belästigungen und Beleidigungen hier alltäglich seien. Doch die Spieleentwickler machten hier Fortschritte, sagt Banse: "Kluge Maßnahmen sind zum Beispiel nonverbale Kommunikationsmöglichkeiten, die das Spiel für Frauen zugänglicher machen." Auch Schulungen und Workshops für die Entwickler sollen dabei helfen, das Problem anzugehen.

Ende vergangenen Monats sorgten Vorwürfe gegen den enorm bekannten Games-Autor Chris Avellone für Aufruhr. Frauen beschuldigen ihn sexueller Übergriffe. Mehrere Studios haben als Reaktion die Arbeit mit ihm eingestellt.

Twitch in Kritik

Auch Twitch, die mit Abstand größte Streamingplattform im Videospielmarkt, ist in den letzten Wochen zunehmend unter Kritik geraten. Twitch gab auf Twitter bekannt, zu verschiedenen Fällen interne Ermittlungen einzuleiten. Wie genau diese aussehen und gegen wen ermittelt wird, verrät die Amazon-Tochter allerdings nicht.

Geschäftsführer Emmett Shear schrieb in einer öffentlichen Stellungnahme, dass das Unternehmen sich bessern müsse. "Obwohl das Problem die ganze Szene betrifft, erkennen wir an, dass die Erfahrungen vieler Leute auf unserer Plattform nicht das waren, was wir anstreben." Twitch müsse sich dazu ernster mit dem Thema beschäftigen. Auf konkrete Vorwürfe ging er jedoch nicht ein.

Gleiche Chancen

Auch Banse ist der Meinung, dass sich in der E-Sport-Szene etwas tun müsse: "Grundlegend hat jeder im E-Sport unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder körperlichen Gegebenheiten dieselben Chancen. Wir müssen uns aber stärker dafür einsetzen und Diskriminierungen entgegentreten – im Text- und Sprach-Chat sowie im analogen Leben." (muz, APA, dpa, 8.7.2020)