Bild nicht mehr verfügbar.

Schon jetzt ist Neowise auf Fotografien zu erkennen – und er kommt der Erde noch ein gutes Stück näher.
Foto: AP/Peter Komka/MTI

Eine laaange Zeit der Ereignislosigkeit, unterbrochen von kurzen Phasen hektischer Aktivität: So sieht der Lebenszyklus eines Kometen aus. Energieschübe hat er immer dann, wenn er im sonnennächsten Abschnitt seiner Bahn aus der Tiefkühlruhe gerissen wird, das in ihm enthaltene Eis ausdampft und dabei Staub und Gesteinsbrocken mit ins All reißt. Es bildet sich ein spektakulär leuchtender Schweif, der von der Sonne weggerichtet ist und Millionen Kilometer lang werden kann.

Eine solche Showeinlage liefert aktuell auch ein Debütant, nämlich ein Komet, der erst Ende März dieses Jahres entdeckt worden ist. Weil seine offizielle Katalogbezeichnung C/2020 F3 etwas schwer von der Zunge geht, trägt er in guter alter Astronomentradition den Namen Neowise nach seinem Entdecker. Und das war in diesem Fall ein Beobachtungsprogramm des Weltraumteleskops Wise (Wide-field Infrared Survey Explorer), das auf Objekte in Nähe des Erdorbits spezialisiert ist. In Umlauf ist der "Neuling" allerdings schon ein bisschen länger – wie alle Kometen hat er sich in der Anfangszeit des Sonnensystems gebildet, ist also etwa viereinhalb Milliarden Jahre alt.

Sonnennähe überlebt, Erdnähe verheißt gute Sichtbarkeit

Seit Frühling fieberten Astronomen dem Moment entgegen, wenn Neowise buchstäblich in die heiße Phase eintreten würde. Niemand kann vorhersagen, wie sich ein Komet in Sonnennähe verhält. Denn niemand kennt die genaue Zusammensetzung eines solchen "schmutzigen Schneeballs" aus Eis und Gestein – bis er sein Innenleben explosiv offenbart. Im April etwa zerbröselte es den Kometen C/2019 Y4 (Atlas), bevor er noch das Perihel erreichte, also den sonnennächsten Punkt seiner Bahn. Neowise hingegen hat die Kurve gekriegt: Sein Perihel war am 3. Juli, seitdem wachsen mit der Entfernung zur Sonne auch seine Chancen, wieder ein paar Tausend Jahre lang heil und ungestört zu bleiben.

Ehe er wieder in die Anonymität des äußeren Sonnensystems entschwindet, bringt er aber noch etwas Abwechslung in den Sommerhimmel. Schon jetzt zeigt sich Neowise vor der Morgendämmerung im Nordosten. In ein paar Tagen erhöht er den Beobachtungskomfort und wird auch nach Sonnenuntergang zu sehen sein. Und wer sich jetzt verzweifelt fragt, wo auf dem Dachboden der Feldstecher unter Fonduetöpfen und Twist-Boards begraben sein mag: Keine Angst! Spätestens um den 23. Juli, wenn er der Erde am nächsten ist, dürfte Neowise mit freiem Auge zu sehen sein. (Jürgen Doppler, 9.7.2020)