Angesichts der jüngsten Kehrtwende von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bei der Luftraumüberwachung schütteln ranghohe Militärs nur mehr die Köpfe: Es sei wie in einer Hochschaubahn "ist eine glatte Untertreibung", sagt einer zum STANDARD. Eher gestalte sich das Vorgehen unter Tanner "wie in einer Geisterbahn – an jeder Ecke" lauere eine neue Überraschung. Das schonungslose Fazit des Uniformierten: "Wir befinden uns in einem Blindflug."

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bei der Truppe.
Foto: APA / Peter Kolb

Die jüngste Volte der ÖVP-Ministerin zur Wochenmitte: Nachdem es für ihre aufgeschobene Entscheidung zu einer Nachfolge für die betagten Saab 105 Kritik von allen Seiten hagelte, stellte Tanner in einem Ministerratsvortrag "eine Überbrückungslösung mit Leasing-Modell" in Aussicht – in ihrem Ressort erklärte man dazu, dies würde im Fall eines Eurofighter-Ausstiegs zum Tragen kommen.

Bis dato kein Szenario

Bloß: In Militärkreisen erklärt man auch, dass eine solche Variante von Experten bisher nie Erwägung gezogen worden sei. Vielmehr galt es bis dato durch Leasing allenfalls sicherzustellen, dass ein Überbrückungsgerät wie italienische Advanced Jet Trainer rechtzeitig bereitstünden, bis ein Saab-Nachfolger da ist – und auch bei Komplikationen mit dem Eurofighter wäre dann vorgesorgt.

Um den anhaltenden Turbulenzen rund um ihre Ressortführung ein Ende zu setzen, will Tanner bei Entscheidungen ab sofort die Klubs aller Parteien einbinden. In einem Brief an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ersuchte sie am Mittwoch um "die Abhaltung einer parlamentarischen Enquete-Kommission zur Zukunft der österreichischen Luftraumüberwachung". Mit Fachleuten und den gewählten Volksvertretern sollten entsprechende Entscheidungen "auf möglichst breite Beine" gestellt werden. Stattfinden solle das Ganze im Herbst, so die Ressortchefin.

Durchsetzungsfähigkeit zählt

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) rückte nach dem Ministerrat am Mittwoch aus, um ihr den Rücken zu stärken – er kenne Tanner als "sehr durchsetzungsfähige Frau". Bei der Luftraumüberwachung wünscht er sich eine rasche Entscheidung im juristischen Verfahren.

Die Begeisterung über die angebliche türkise Dialogbereitschaft ist bei der Opposition jedenfalls endenwollend – sie schoss sich erneut auf Tanner ein. SPÖ, FPÖ und Neos hielten ihr "Orientierungslosigkeit", "Unkenntnis" und einen "Zickzackkurs" vor. Zu alledem mahnte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) den verfassungsrechtlichen Auftrag des Bundesheers ein, eine aktive Luftraumüberwachung zu betreiben. Denn: Ohne Saab und bei technischen Problemen der Eurofighter müsse man dann womöglich "mit Nachbarstaaten Übereinkommen treffen".

Unübliche Einigkeit werden die drei Parteien auch am heutigen Donnerstag zeigen. Um 10 Uhr ist eine gemeinsame Erklärung der Wehrsprecher von SPÖ, FPÖ und Neos angekündigt. Eine Stunde davor wird Tanner mit Generalmajor Erwin Hameseder eine Pressekonferenz mit dem Titel "Miliz neu denken" geben. Auch dort wird das Thema Luftraumüberwachung zur Sprache kommen, spätestens in der Fragerunde.

Keine Einvernehmliche mit Airbus

Bei einem Besuch von Soldaten im Corona-Assistenzeinsatz in Linz betonte Tanner am Mittwochnachmittag, dass sie "ganz sicher nicht" eine einvernehmliche Lösung mit Hersteller Airbus, vormals EADS, in Sachen Eurofighter anstrebe. Zur Verfahrensdauer mit dem Konzern erklärte sie, diese sei nicht abschätzbar – und daher dürfe man sich jetzt nicht lange damit Zeit lassen, eine Überbrückungslösung zu suchen. (Nina Weißensteiner, red, 8.7.2020)