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Wegen mauer Witterungsverhältnisse lief die ohnehin erst mit rund einem Monat Verspätung gestartete Badesaison in den öffentlichen Bädern äußerst schleppend an. Mit Ferienbeginn erreichte sie jedoch rasant den Kulminationspunkt – wenngleich nicht in dem Ausmaß wie 2015, als dieses Bild entstand.

(Anm. Ergänzung im letzten Satz nachträglich)

Foto: picturedesk/Gerhard Deutsch

Das waren noch Zeiten, als sich an vielen Junitagen bei wechselhaftem Wetter nur vereinzelt Badegäste ins Wiener Kongressbad begaben und wesentlich mehr Krähen scheinbar verzweifelt bei der Futtersuche auf der Liegewiese herumstaksten, weil es mangels Publikums keine Pommes zu stibitzen gab. Ganz anders aber am vergangenen Sonntag, als im Schwimm-, Luft- und Sonnenbad im 16. Bezirk der Teufel los war. Badespaß pur zu Ferienbeginn bei Prachtwetter und 30 Grad. Wäre da nicht dieses Virus.

Ruhe vor dem Ansturm.
Foto: Standard/Hirner

Nach kurzem, diszipliniertem Schlangestehen vor den Abstandsmarkierungen bei den Kassen (Drei Euro, bitte!) und der Schlüsselausgabe (Kästchen? Ja, bitte!) geht es flugs ins bereits vor Mittag gut besuchte Badeparadies. Vom im Fitnessstudio mit viel Schweiß geformten Cornetto bis zum mit viel Leidenschaft antrainierten Bierbauch, vom dezenten Schmetterling bis zur Rücken füllenden Fleischfliege in Sachen Tattoos wird im "Kongerl" allerhand zur Schau gestellt.

Die braungebrannten Damen und Herren in Weiß mit Sonnenbrille und Pfeife (vulgo Badewaschel) haben unter normalen Umständen einen vergleichsweise beschaulichen Job, nun aber sind sie schwer gefordert, die durch Corona verschärften Regeln den Besuchern stets in freundlichem Ton näherzubringen. Einige scheren sich aber überhaupt nicht darum, stellen sich dumm, provozieren.

Babyelefanten?

Absperrbänder umspannen das Sport- und das Erlebnisbecken. Sie sollen die Badegäste hindern, überall vom Trockenen ins Nasse und umgekehrt zu wechseln. Auf kleinen Schildern sind die Ein- und Ausstiege gekennzeichnet sowie die Maximalzahl der erlaubten Menschen im Pool ausgewiesen. Diese sollte zwar selbst am späteren Nachmittag nicht erreicht werden, als die via Smartphone abrufbare Bäderampel für nahezu alle Wiener Freibäder auf Rot und damit die Auslastungsgrenze erreicht war, doch am Rand tummeln sich bisweilen zu viele schwimmmüde Gäste, als dass Babyelefanten zwischen ihnen Platz finden würden. Noch Krasseres wird aus dem Gänsehäufel und dem Stadionbad berichtet, wo die Menschen in den Becken regelrecht aneinanderkleben. In Zeiten der sich wieder ausweitenden Pandemie.

Ein Pfiff. "Das ist der Ausstieg, der Einstieg ist gegenüber." Unmittelbar danach ertönt wieder eine Pfeife. "Nicht reinspringen." Es dauert wieder nicht lange, dann folgt der nächste Pfiff. Synchron auseinandergleitende Arme symbolisieren zu wenig Abstand. Drüben bei der breiten Einstiegstreppe, wo man noch Kopf über Wasser stehen kann, herrscht Gedränge. "Alle weg vom Eingangsbereich!" Die Reaktion: gleichgültige und verständnislose Blicke. Der Aufforderung wird prompt Nachdruck verliehen: "Gemma!" Widerwillig rückt die Gruppe weiter in die tieferen Bereiche.

Martin Kotinsky, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Vereinsschwimmen bei der MA 44, ist sich der Probleme bewusst. Während die Verantwortlichen der einzelnen Bäder zu Anfragen der Presse in der Corona-Zeit lieber auf Tauchstation gehen, muss er alles ausbaden: "Im Sportbecken, wo man nicht stehen kann, drängt es die Leute eher zum Beckenrand und nicht in die Mitte." Kotinsky sieht Verbesserungspotenzial beim Verhalten der Badegäste. Die Mindestabstände würden nicht immer eingehalten, manchmal werde auch gedrängt. "Es ist für uns alle eine neue Situation, und wir schauen, dass wir alles so gut wie möglich machen", sagt er.

Spielt das Wetter nicht mit, ist vor allem vor Ferienbeginn im "Kongerl" nicht viel los, auch wenn die Wassertemperatur stets bei rund 25 Grad liegt.
Foto: Standard/Hirner

Für vergangenen Sonntag hat er den ersten Härtetest vorhergesehen, an dem die zulässige Auslastung von gesamt rund 43.000 Besuchern für die Wiener Bäder erreicht wurde. Hat man allein im Kongressbad an Rekordtagen bei regem Kommen und Gehen insgesamt schon an die 12.000 Besucher gezählt, so sind aktuell nur rund 3150 erlaubt. Was tun, wenn Vernunft und Einsicht baden gehen? "Wenn wir sehen, dass es nicht funktioniert, können wir nur die Höchstzahl runtersetzen", sagt Kotinsky.

Tohuwabohu

Nach dem Check der völlig vernachlässigten Rutsche, die wegen eines technischen Gebrechens gesperrt ist, wie ein Schild aufklärt, fallen im Strömungskanal und in der Sprudelbucht kurzzeitige Unterschreitungen des Mindestabstands auf. Im Kinderbecken herrscht derweil das übliche Tohuwabohu, kontrollierende Blicke können hier und auf der Liegewiese im Großen und Ganzen aber keine Verstöße erkennen.

Aktuell nicht in Betrieb: die 64 Meter lange Rutsche, bei der wegen Corona nur alle 30 Sekunden jemand runterdüsen dürfte.
Foto: Standard/Hirner

Höchste Zeit für den Besuch des Buffets. In der Schlange der Einbahn Richtung Gaumenfreuden wie Eis, Pommes und Langos offenbaren sich die leidigen Eigenschaften der Menschen wie Egoismus, Gier und Ungeduld. Babyelefant? Hunger!

Zurück zum Sportbecken. Dort wird eben die mittig angebrachte und wegen Corona auf drei Meter Breite ausgedehnte Schwimmbahn für die Längenhamster entfernt, weil kein Bedarf mehr dafür besteht. Das 1928 auf einer stillgelegten Sandgewinnungsstätte erbaute, damals größte und modernste künstliche Freibad Wiens, verfügt neben dem Stadthallenbad, Stadionbad und Laaerbergbad über ein bei Sportschwimmern heiß begehrtes 50-m-Becken, das ursprünglich sogar 100 Meter lang war.

Konfliktpotenzial

Vereine können ab 20 Uhr trainieren. Bis vergangene Saison auch noch vor Öffnung von 7 bis 9 Uhr. Wegen zusätzlicher Reinigungsarbeiten und veränderter Dienstpläne des Personals nun allerdings nicht mehr. Das führt zu verstärktem Betrieb untertags und zu Konflikten zwischen sich eingeengt fühlenden Genussschwimmern und sportlichen Schwimmern, die teilweise versuchen, Flossen und Handpaddel zu Trainingszwecken einzusetzen, obwohl diese während des Betriebs wegen Verletzungsgefahr verboten sind. Kotinsky registriert abnehmende Rücksichtnahme und zunehmende Beschwerden. Er verweist darauf, dass die MA 44 in Frei- und Hallenbädern in Summe über die Nachfrage hinaus ausreichend Schwimmzeiten für Vereine und auch private Schwimmschulen zur Verfügung stellt.

Diverse Schwimmutensilien für Sportschwimmer. Flossen und Handpaddel dürfen während der Betriebszeiten nicht verwendet werden.
Foto: Standard/Hirner

Die Gefahr der Ansteckung mit Sars-CoV-2 ist natürlich auch in Bädern nicht zu unterschätzen, laut Weltgesundheitsorganisation aber nicht über den Wasserweg, da Desinfektion mit Chlor nicht nur Bakterien, sondern auch Viren deaktiviert. In den Wiener Bädern geschieht dies vollautomatisch. "Kommen mehr Leute, dann reagiert die Anlage, und es kommt mehr Frischwasser dazu, das auch wieder neu chloriert wird", so Kotinsky. Er empfiehlt, auf Badeplätze an der Alten und Neuen Donau auszuweichen, wenn es eng wird.

Wenn dann die Badegäste gen Abend zusammenpacken, finden sich wieder Krähen ein und kümmern sich um Reinigungsarbeiten. Vor allem im Buffetbereich. (Thomas Hirner, 8.7.2020)