Wenn der Hunger groß ist, muss es schnell gehen. Gut 3600 Betriebe nehmen an der Gastrogutscheinaktion der Stadt teil – und profitieren.

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Es gibt sie noch, die kritischen Stimmen, aber sie sind leiser geworden. Gut zwei Wochen nach Start des Experiments Gastrogutscheine für alle in Wien gemeldeten Haushalte ist die Zahl der teilnehmenden Wirte, Kaffeehaus- und Barbetreiber weiter im Steigen begriffen. Waren es in der Anfangsphase noch weniger als 1.000, sind es mittlerweile schon fast 4.000.

An teilnehmende Wirte seien schon 4,3 Millionen Euro geflossen – "schnell und unbürokratisch", wie Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) anlässlich einer Zwischenbilanz der städtischen Corona-Hilfsmaßnahmen wissen ließ. 4,3 Millionen, das ist gut ein Zehntel der für die Aktion budgetierten 40 Millionen Euro.

Bons im Wert von 25 und 50 Euro

Zur Erinnerung: Rund um den 23. Juni sind auf Initiative der Stadt und der Wirtschaftskammer Wien (WKW) Gastrogutscheine in die Briefkästen von rund 950.000 Wiener Haushalten geflattert. Single-Haushalte erhielten einen im Wert von 25 Euro, Mehrpersonenhaushalte einen über 50 Euro – einlösbar bis Ende September.

Zwei Gründe nannte Ludwig für die Aktion, die Interesse an Nachahmung in Europa hervorgerufen habe: "Wir wollten der Wiener Bevölkerung Danke sagen für das sehr disziplinierte Verhalten in der Corona-Krise. Und wir wollten die Gastronomie unterstützen, die unter dem Lockdown besonders gelitten hat." Manche sehen darin freilich auch ein Wahlkampfzuckerl der Wiener Sozialdemokraten im Hinblick auf den Anfang Oktober stattfindenden Urnengang in der Bundeshauptstadt. Was die SPÖ von sich weist.

Konjunkturbelebende Maßnahme

Ludwig spricht von einer konjunkturbelebenden Maßnahme: "Wer haben will, dass sein Wirts- oder Kaffeehaus ums Eck überlebt, muss jetzt essen und trinken gehen." Zudem habe er die Hoffnung, dass nicht nur die Summe auf dem Gutschein verbraucht wird, sondern durchaus mehr und dass dadurch ein richtiger Hebel entsteht. Tatsächlich habe er, Ludwig, Rückmeldungen, wonach Gutscheine in manchem Wirtshaus die Hälfte, in einigen Fällen sogar bis zu drei Viertel des Umsatzes eines durchschnittlichen Tages ausmachten.

Es gibt auch Fälle, wo kein Gutschein angekommen ist und wo Briefkästen aufgebrochen worden sind. "Wir haben einige Tausend Gut scheine gesperrt", berichtet der zuständige Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ). Kriminelle sollten nicht auch noch dadurch belohnt werden, dass sie gestohlene Gutscheine einlösen könnten. Bei 950.000 in Umlauf befindlichen Gutscheinen bewege man sich allenfalls im Promillebereich. Dass der Gutschein zudem fälschungssicher ist, zeige der Umstand, dass bis dato kein einziger nachgemachter Schein aufgetaucht sei.

160.000 Gutscheine eingelöst

Jeder Gutschein ist mit einem Code versehen, den der Wirt beim Abrechnen der Konsumation in eine spezielle Maske am elektronischen Gerät oder Handy eintippt. Damit ist der Gutschein drei Tage lang gesperrt und kann nicht missbräuchlich ein weiteres Mal eingelöst werden. Innert dreier Tage ist der Gutschein auch tunlichst mit der Stadt abzurechnen, andernfalls liegt das Missbrauchsrisiko beim Wirt. Das Geld fließe unmittelbar danach, sagt Hanke. Bis dato seien bereits 160.000 Gutscheine eingelöst worden.

Eine weitere Gutscheinaktion in Sachen Corona liegt schon etwas zurück. In Wien gemeldete Personen über 65 wurden im März per Post informiert, dass sie einen Taxigutschein im Gegenwert von 50 Euro anfordern können. Damit wollte man die Mobilität der älteren Generation auch in Corona-Zeiten sicherstellen und das mögliche Infektionsrisiko in öffentlichen Verkehrsmitteln gering halten, sagt Ludwig. An die 300.000 hätten das gemacht, 2,1 Millionen Euro seien bereits ausgezahlt worden; einlösbar sind die Taxigutscheine noch bis Ende Oktober.

Stärkung der Eigenkapitalbasis

Eine Aktion, bei der auch die Wirtschaftskammer mit Geld drinhängt, zielt auf die Stärkung der Eigenkapitalbasis von Unternehmen. Durch die Beteiligung mit maximal 20 Prozent, befristet auf sieben Jahre, soll so einigen durch Corona arg gebeutelten Wiener Unternehmen geholfen werden.

Das Kapitalvolumen der "Stolz auf Wien Beteiligungs GmbH" setzt sich aus 20 Millionen Euro der Stadt und fünf Millionen der WKW zusammen. Banken, Versicherungen und private Geldgeber könnten das Volumen noch vergrößern; Gespräche seien im Laufen, sagt Finanzstadtrat Hanke. Im August denkt man erste temporäre Beteiligungen bekanntgeben zu können. Insgesamt hätten 20 Unternehmen aus Hotellerie, Gastronomie sowie dem Veranstaltungsbereich Interesse an einer Kapitalinjektion angemeldet. Die werden jetzt geprüft.

Kammerpräsident Ruck sieht gute Chancen für Wirtschaft

WKW-Präsident Walter Ruck sieht im frühzeitigen Agieren der Stadt und in den bereitgestellten Hilfspaketen die Chance für die Wiener Wirtschaft, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Wie die Unternehmen mehr Eigenkapital bilden könnten, darüber müsse freilich unabhängig von Corona nachgedacht werden.

Alle bisher geschnürten Corona-Hilfen der Stadt summieren sich auf 150 Millionen Euro. Wegen Ertragseinbrüchen und Mehrausgaben sei das ursprünglich angestrebte Nulldefizit 2020 in die Ferne gerückt. "Im Moment geht es darum, uns aus der Krise hinauszuinvestieren", sagt der Wächter der Finanzen, Stadtrat Hanke. "Das allein zählt im Moment, und nichts anderes." (Günther Strobl 10.7.2020)