So kann es ja nicht ewig weitergehen.

Foto: imago/Jürgen Fromme /firo Sportphoto/P

Frankfurt/Leipzig – Keine Gesänge, zurückhaltender Jubel, Sicherheitsabstand und eine vermeintliche "Überwachung": Die Aussicht auf die neue Normalität in deutschen Fußballstadien schreckt die organisierte Fanszene ab. "Wir sehen das sehr, sehr skeptisch und können den Plänen nicht viel abgewinnen", sagte Sprecher Sig Zelt vom Bündnis Pro Fans dem SID. Selbst ein Boykott mancher Fangruppen sei deshalb "durchaus denkbar".

Am Dienstag hatte die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) aufgezeigt, wie die teilweise Rückkehr von Zuschauern während der Corona-Pandemie aussehen könnte. Bereits ab 1. September seien demnach Veranstaltungen mit mehr als 1000 Zuschauern im Freistaat wieder möglich, wenn Hygieneregeln befolgt und die Kontakte gegebenenfalls nachverfolgt werden. Zudem sollen die Anhänger doch bitte "rufen, singen und schreien vermeiden", forderte Köpping: "Und was noch nicht gelten wird, ist, dass das Stadion voll ist".

Widerstand

Für Zelt sind diese Kriterien realitätsfern und deshalb praktisch kaum umsetzbar. "Natürlich gehören die Nähe, das laute Äußern und die Gesänge zu einem Fußballspiel dazu", sagte er. Und die Kontaktnachverfolgung würde zudem "vielen überhaupt nicht" schmecken, "sie befürchten, dass das missbraucht wird". Unter anderem hatte Borussia Dortmund bei seiner Entwicklung eines Konzepts deshalb heftigen Widerstand aus der Fanszene erfahren.

Die unterschiedlichen Auffassungen der Fans, vor allem aber die ungleichen Fallzahlen an Infizierten in den Regionen, dürften in den kommenden Wochen bis zum geplanten Saisonstart am 18. September in der Tat die größten Hindernisse bei der Erarbeitung eines Hygienekonzepts sein. Das müsste ja auch dafür sorgen, dass der Wettbewerb unter halbwegs fairen Bedingungen über die Bühne geht – in Bremen also vor vergleichbarer Kulisse wie in Stuttgart, Köln oder Leipzig der Ball rollt.

Einheitliche Lösung gefordert

Leipzigs Vorstandsboss Oliver Mintzlaff forderte in der Bild-Zeitung daher "im Sinne der Gemeinschaft der Bundesliga eine einheitliche Lösung für alle Klubs", er nahm dabei auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) in die Pflicht. DFL-Boss Christian Seifert stellte aber schon in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" fest: "Einen Regelbetrieb in dieser Corona-Situation zu etablieren, das wird die nächste große Herausforderung. Man wird immer individuelle Lösungen finden müssen."

Auf dem Weg dahin wollen die DFL und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auch den Dialog mit den Fans suchen. So verwies Sprecher Rainer Vollmer vom Bündnis Unsere Kurve auf aktuell laufende Gespräche. "Es wird ein schwieriges Unterfangen", sagte Vollmer.

Fakt ist, und das haben DFL und alle Beteiligten immer wieder betont: Durch den Betrieb in den Ligen dürfe keine zusätzliche Gefahr für die Entwicklung der Pandemie entstehen. Dass genau dies aber mit der Rückkehr der Fans geschieht, befürchten die Experten.

"Die großen Ausbrüche in Italien und Spanien sind eben auch durch Fußballspiele und insbesondere durch die Fans verstärkt worden", sagte der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit der ARD. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist ebenfalls skeptisch.

Eine Maßnahme wie die geplante in Sachsen tauge als "perfekte Vorbereitung einer zweiten Welle im Herbst", befürchtete Lauterbach im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Es wird einfach auf Risiko gespielt in der Hoffnung, es werde noch gut gehen. Ich halte Fußballspiele mit Zuschauern für nicht verantwortbar." (sid, 8.7.2020)