Die österreichische Polizei soll in Zukunft dabei helfen, den Gesundheitszustand von Menschen mit Corona-Verdacht zu überprüfen.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT
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Antonia Rauth [00:00:16] Die österreichische Polizei bekommt in Sachen Corona immer mehr zu tun. Bald soll sie nicht mehr nur Abstandsregeln und Sperrstunden kontrollieren, sondern auch die Symptome von möglicherweise Erkrankten überprüfen. Warum das für Aufregung sorgt und ob das nicht vielleicht doch besser jemand mit medizinischer Ausbildung tun sollte, das erklärt Fabian Schmidt vom STANDARD. Ebenfalls für Wirbel rund um Corona sorgen die neuen Reisebestimmungen, berichtet Noura Maan, ebenfalls vom STANDARD. Erst einmal zu dir Fabian: Laut der Gesetzesänderung soll die Polizei in Zukunft bei der Erhebung von Symptomen bei Corona-Verdachtsfällen mitwirken. Was heißt das konkret? Was darf die Polizei ab jetzt, was bisher nicht ging?

Fabian Schmid [00:00:53] Die Polizei erhält jetzt mehr Befugnisse, kann auch auf Meldedaten in Bezug auf Gesundheitsprobleme zurückgreifen. Das heißt, im Grunde kann die Polizei aber nicht viel mehr machen, als wir machen können, um Corona bei jemandem zu diagnostizieren. Unter Anführungszeichen, das heißt, sie kann fragen: "Haben Sie Fieber? Haben Sie trockenen Husten? Fühlen Sie sich vielleicht müder und schlapper als sonst?" Und dann, wenn die Person zu einem dieser Symptome ja sagt, dann wird ein echter Arzt hinzugezogen. Das heißt, es liegt jetzt nicht die gesamte Behandlung in den Händen der Polizei. Es gibt keine tiefgehende Diagnostik, sondern es ist ein oberflächlicher Check, wie er jetzt zum Beispiel bei Eingangskontrollen bei öffentlichen Gebäuden schon durchgeführt wird. Teilweise ja auch von Securitys, die keine medizinische Ausbildung haben.

Antonia Rauth [00:01:44] Genau hier liegt ja der Knackpunkt. Wie sollen denn Polizisten ohne medizinische Ausbildung diese Symptome im Ernstfall richtig einordnen können?

Fabian Schmid [00:01:52] Das ist nur als ganz oberflächlicher Check gedacht. Wenn die Person das alles abstreitet, sagt sie fühlt sich topfit – dann kann die Polizei davon ausgehen, dass hier kein Verdachtsfall vorliegt. Und sonst muss ohnehin ein Arzt hinzugezogen werden. Das heißt, man erhofft sich, dass man einfach die Anzahl der Personen, die ein Arzt anschauen, untersuchen muss, dass die gesenkt wird. Aber es stimmt natürlich – wie du schon in der Frage implizierst: die Sinnhaftigkeit, darüber kann gesprochen werden. Und die Opposition kritisiert das ja auch recht heftig. Übrigens auch die Ärztekammer, die von einem Armutszeugnis spricht.

Antonia Rauth [00:02:31] Was will die Regierung denn dann mit dieser Gesetzesänderung bezwecken?

Fabian Schmid [00:02:34] Also es geht da um die Cluster-Kontrolle. Die Strategie der Regierung ist ja, dass man jetzt, wenn irgendwo das Coronavirus ausbricht, dass man dann ganz schnell schaut: "Mit wem war diese Person in Kontakt? Und wer könnte sich infiziert haben?" Und dafür braucht man sehr schnell sehr viele Menschen. Und offenbar ist das Gesundheitssystem selbst nicht in der Lage, da das Nötige Personal zu liefern für diese Aufgabe. Deshalb greift man auf die Polizei zurück. Die Alternative wäre vielleicht noch das Bundesheer. Das wäre jetzt auch nicht unbedingt besser, würde ich meinen.

Antonia Rauth [00:03:12] Du hast es schon angesprochen: die Ärztekammer, die Opposition, die haben alle keine besondere Freude mit dieser Gesetzesänderung. Aber auch Verfassungsexperten haben da ein flaues Gefühl im Magen. Was stört die denn daran?

Fabian Schmid [00:03:24] Die Sonderstellung des Arztes unter den Berufen ist natürlich eine ganz wichtige, genauso wie bei uns Journalisten. Dass der Arzt eine Schweigepflicht hat ist zum Beispiel enorm wichtig, damit ihm der Patient das vollste Vertrauen entgegenbringt. Und wenn jetzt die Polizei jemanden fragt: "Haben Sie trockenen Husten?", dann wird der oder die darauf nicht antworten: "Ja, aber das ist, weil ich so viel Marihuana geraucht habe", sondern eventuell eben nicht die Wahrheit sagen. Was beim Arzt anders wäre, weil er nur in ganz, ganz speziellen Ausnahmefällen die Schweigepflicht brechen kann oder muss. Das heißt, das ist schon mal schwierig, das hier die Schweigepflicht nicht existiert, wenn Polizisten nach Symptomen fragen. Und abgesehen davon ist es ja als Gesellschaft ganz wichtig, dass wir Krankheiten nicht kriminalisieren. Und allein die Symbolik, dass sich die Polizei auf die Suche nach möglichen Kranken macht – das weckt Assoziationen, die angsteinflößend sind für viele Menschen und vermutlich auch mit Recht. Und ich glaube, deshalb ist es auch wenn das, was die Polizei jetzt konkret macht, nicht wahnsinnig dramatisch ist, ist das allein schon der Tabubruch, zur Krankheit Bekämpfung Polizisten heranzuziehen.

Antonia Rauth [00:04:46] Für große Aufregung sorgt nicht nur der Inhalt der Gesetzesänderung, sondern auch, wie dieser durch den Nationalrat gewunken werden soll. Das hat ja bei der Opposition für Ärger und Kritik gesorgt. Was steckt dahinter?

Fabian Schmid [00:05:00] Diese Regelung wurde im Wirtschaftsausschuss behandelt. Nicht im Gesundheitsausschuss, sondern im Wirtschaftsausschuss, und zwar als Antrag zum Konjunkturpaket. Und der Grund dafür ist offenbar, dass man das recht schnell durch den Nationalrat und durch den Bundesrat bringen wollte. Der tagt nämlich diese Woche zum letzten Mal vor der Sommerpause. Ich meine, man kann natürlich immer Sondersitzungen einberufen, aber offenbar wollte man das schnell erledigt haben. Das ist einerseits verständlich, weil wir ja jetzt auch sehen, dass immer wieder regionale Cluster ausbrechen. Und wir wollen, dass da vor dem Herbst eine gute Regelung kommt, um damit umzugehen. Aber andererseits leben wir jetzt doch schon einige Monate mit diesem Virus, und man hätte sich erwarten können, dass es für die Cluster-Kontrolle Strategien gibt und dass man die vielleicht länger besprechen kann. Das Problem an der ganzen Art und Weise, wie diese Regelung in den Nationalrat gebracht wurde, ist ja, dass wieder mal die Begutachtungsphase ausfällt. Die ist aber ganz wichtig bei Gesetzesänderungen, damit sich Experten und auch Bürgerinnen und Bürger zu Wort melden können und ihre Meinung sagen können. Das ist einerseits wichtig, weil so vielleicht, oder man hofft zumindest darauf, kluge Bedenken in die Gesetzgebung einfließen. Es soll einfach transparent sein: was sagt die Ärztekammer, was Krankenhäuser dazu? Können sich alle diese Institutionen zu Wort melden? Und das ist dann für immer abrufbar auf der Parlaments-Website. Und das ist auch im Nachhinein sehr wichtig zu sehen: Wer hat was vielleicht richtig vorhergesagt? Diese Debatte findet so nicht statt. Jetzt wird eingebracht im falschen Ausschuss, damit es schnell geht. Und dann soll es übermorgen quasi im Nationalrat beschlossen werden. Und dass ist irgendwie so zack, zack, zack, dass der parlamentarische Prozess stark in der Qualität eingeschränkt wird.

Antonia Rauth [00:06:59] Irgendwie ist es ja gerade schwierig zu beurteilen, wie der bundesweite Kurs der Regierung in Sachen Corona aussieht. Einerseits gibt es Lockerungen, andererseits eben solche Gesetzesänderungen. Heißt das, wir müssen eigentlich schon wieder mit mehr österreichweiten Einschränkungen rechnen?

Fabian Schmid [00:07:13] Zunächst einmal glaube ich, dass jede Österreicherin, jeder Österreicher Verständnis dafür hat, dass das im März ziemlich überraschend – darüber kann man diskutieren – aber eine einmalige Situation war. Eine Ausnahmesituation, wo die Regierung schnell handeln musste. Zumindest hat sie das gedacht. Und wir sind ja auch gesundheitspolitisch ganz gut durch die Krise gekommen im Vergleich mit anderen Staaten. Jetzt hat man aber seither das Gefühl, dass es widersprüchliche Botschaften gibt. Je nachdem, wer spricht. Wenn das der Gesundheitsminister ist, der ist immer sehr mahnend und vorsichtig. Dann hat man aber wieder in anderen Belangen das Gefühl, wenn man zum Beispiel bei Tourismusministerin Elisabeth Köstinger zuhört, dass wir in Österreich keine Probleme haben mit dem Coronavirus. Und es kann oder soll sogar ganz Europa zu uns auf Urlaub kommen. Das zieht sich dann weiter, wenn es um die einzelnen Bundesländer gibt. Wir können uns, glaube ich, noch sehr gut erinnern, wie das war, als in Wien die Fallzahlen rasch gestiegen sind und es hier ein paar Cluster gab, zum Beispiel auch im Bereich von Asylwerbern. Da war dann plötzlich ein großes Tamtam, und der Innenminister hat sich zu Wort gemeldet und die Integrationsministerin etcetera. In anderen Bundesländern sehen wir, dass Oberösterreich etwa gerade Krankheitsausbrüche hat. Da ist es wieder ruhiger vonseiten der Bundesregierung. Man hat das Gefühl, dass die ganze Krisenbewältigung politisiert wird, und das ist kein besonders angenehmes Gefühl. Als Bürger, der darauf vertrauen muss, dass die Regierung da die richtigen Entscheidungen nach objektiven Gesichtspunkten trifft. Und ich glaube persönlich, nur als eine Einschätzung: Es könnte sein, dass vielleicht die Maskenpflicht wiederkommt in den Supermärkten, in den Öffis ist ja beibehalten worden. Aber ich glaube nicht, dass wir so einen Lockdown noch einmal erleben werden wie im März, weil das einfach wirtschaftspolitisch eine riesige Katastrophe wäre. Ansonsten denke ich, dass wir regional sehr unterschiedlich in Österreich damit umgehen werden. Und immer, wenn irgendwo etwas ausbricht, dann vielleicht in bestimmten Gemeinden einschränkungen kommen so wie ja eigentlich in ganz Europa. Dass das jetzt so funktioniert. Und deshalb glaube ich als Schlußsatz, dass es sehr wichtig ist, dass wir da keinen Wettstreit der einzelnen Bundesländer daraus machen und sagen: "Oberösterreich ist so schlecht, weil dort gibts einen kleinen Lockdown. Und , Kärnten ist so super, weil dort gibt's keinen", sondern wir müssen das einfach akzeptieren und nicht gleich Schlüsse daraus ziehen, dass ein Bundesland besser oder schlechter gehandelt hat, wenn dort Krankheitsfälle auftauchen.

Antonia Rauth [00:09:56] Es ist also gut möglich, dass in manchen Gegenden durchaus wieder Einschränkungen kommen. In Sachen Reisefreiheit rudert die Regierung jedenfalls weiter zurück. Noura, welche neuen Beschränkungen gelten denn seit heute?

Noura Maan [00:10:08] Das österreichische Außenministerium rät seit heute auch von Reisen nach Rumänien, Bulgarien und in die Republik Moldau dringend ab. Sollte man dennoch dorthinreisen, muss bei der Rückkehr ein negativer Covid-Test vorliegen oder eine 14-tägige Quarantäne eingehalten werden. Und wer diese Quarantäne nicht einhält, riskiert eine Strafe von bis zu 1450 Euro. Vergangene Woche hat das Außenministerium auch schon Reisewarnungen für die Westbalkanstaaten ausgesprochen, darunter Bosnien-Herzegowina, den Kosovo, Mazedonien, Albanien, Montenegro und Serbien.

Antonia Rauth [00:10:44] Warum gibt es denn nun Reisebeschränkungen für genau diese Länder und zum Beispiel nicht für Kroatien?

Noura Maan [00:10:49] In Rumänien und Bulgarien ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen seit Anfang Juni eigentlich stetig gestiegen. Bulgarien hat sogar Mittwoch mit 188 neuen Corona-Fällen einen Rekord seit Beginn der Pandemie verzeichnet. Das gilt allerdings nicht für die Republik Moldau, die eigentlich seit zwei Wochen einen Rückgang verzeichnet. Kanzler Sebastian Kurz hat in der heutigen Pressekonferenz von rund 170 Fällen mit Auslands Bezug in den letzten Wochen gesprochen und gesagt, dass die Masse dieser Fälle auf die Balkanstaaten zurückzuführen sei. Genaue Zahlen oder konkrete Länder hat er aber nicht genannt. Und so ein Auslandsbezug geht auch aus den offiziellen Zahlen des Gesundheitsministeriums gar nicht hervor. Bei Kroatien sieht das Außenministerium derzeit keinen Anlass für eine Reisewarnung. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen dort seit etwa zwei Wochen stetig steigt. Die Mehrzahl der neuen Fälle geht aber von zwei konkreten Clustern aus: Einer psychiatrischen Klinik in Zagreb und einer von Nonnen aus dem Kosovo geführten Schule in Slawonien. Istrien und die Küste Dalmatiens sind weit weniger betroffen, was vor allem für Touristinnen und Touristen entscheidend ist. Und weil nach Kroatien auch viele Leute aus Österreich auf Urlaub fahren, zögert das Außenministerium hier vielleicht eher oder überlegt vielleicht auch nur eine partielle Reisewarnung auszusprechen, wie sie zum Beispiel derzeit für die Lombardei in Italien oder den Landkreis Gütersloh in Deutschland gilt. Die Situation wird auf jeden Fall laufend beobachtet, heißt es aus dem Außenministerium.

Antonia Rauth [00:12:14] Wenn wir uns jetzt die internationale Entwicklung ansehen, müssen wir damit rechnen, dass diese Reisebeschränkungen in nächster Zeit noch verschärft werden?

Noura Maan [00:12:21] Das ist ganz schwer vorauszusagen und hängt von den Infektionszahlen und den regionalen Clustern ab. Für Drittstaaten ist auf jeden Fall vorerst keine Lockerung zu erwarten. Priorität hat für die EU der innereuropäische Raum.

Antonia Rauth [00:12:34] Egal ob in Österreich oder auch bei Reisen ins Ausland. Ist es im Moment also schwierig zu sagen, wie es mit den Bestimmungen weitergeht? Danke Nora Manen und Fabian Schmidt für eure Einschätzung.

Noura Maan [00:12:34] Gerne.

Fabian Schmid [00:12:36] Danke.

(red, 8.7.2020)