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Die Kauflaune der Konsumenten beeinflusst das Tempo der Erholung.

Foto: AP / Mark Lennihan

An den Börsen gibt es derzeit drei Indikatoren, die für Anleger wichtig geworden sind: Welche Rettungspakete werden geschnürt, wie entwickeln sich die Corona-Zahlen, und wie sind die Unternehmen durch das zweite Quartal gekommen?

Vor allem die Rettungspakete haben sich als Push für die Märkte erwiesen, weil Staaten und Notenbanken damit gezeigt haben, alles Nötige zu tun, damit die Wirtschaft nicht kollabiert und die Unternehmen nicht allzu sehr absacken. Das Aufkaufen von Anleihen im großen Stil durch die Notenbanken hat aber auch dazu geführt, dass die Zinsen für sichere Anleihen noch tiefer gesunken sind und Aktien für eine Wertsteigerung immer unverzichtbarer werden. Manche Experten sprechen sogar davon, dass Aktien alternativlos geworden sind. Hinzu kommt, dass viele Titel durch die Kurskorrekturen mittlerweile billig geworden sind.

In Summe preisen die Märkte eine rasche Rückkehr zur Normalität ein. Eine zweite Covid-19-Welle wird zwar auch an den Finanzmärkten gefürchtet, doch vorerst gilt der Blick der Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität. "Die Börsen bauen eine Brücke in die Welt nach Corona", sagt Martin Lück, Chief Investment Strategist für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei Blackrock. Diese Welt sieht für Investoren optimalerweise so aus, dass es wenige Insolvenzen gegeben hat, die Wirtschaft sich gut erholt hat und es für die Banken keine großen Nachwirkungen in Form ausgefallener Kredite durch Unternehmen und Private gegeben hat. Der Optimismus an den Börsen wird in Summe eben darauf gebaut, dass Regierungen und Zentralbanken unterstützend wirken.

Zeit wird teuer erkauft

"Die regulierende Kraft des Marktes ist damit ein Stück weit außer Kraft gesetzt", sagt Lück. Regierungen kauften sich mit den Rettungspaketen Zeit – ist die Corona-Krise kurz, werde sich das wohl ausgehen. Dauere die Krise aber länger, werde sich die Frage stellen, ob man die gesamte Wirtschaft samt Ausfällen abfedern könne. Zudem werde die Frage lauter werden, ob es sinnvoll sei, Branchen durchzufüttern, bei denen es fraglich sei, ob sie je wieder ihre alten Niveaus erreichen würden. Die logische Antwort darauf werde wohl Nein heißen, indiziert Lück – noch sei es für solch eine Einschätzung aber zu früh.

"Die entscheidende Frage ist, wie schnell und gut die wirtschaftliche Erholung verläuft", sagt der Blackrock-Experte. Da es zur Pandemie keinen Vergleich aus der Vergangenheit gebe, sei eine Bewertung der Lage schwierig. Das zeige sich auch daran, dass sich Experten oft uneins seien.

In Bezug auf die wirtschaftliche Erholung spielt der Konsument eine wichtige Rolle. In den USA hängt das BIP zu zwei Dritteln am Konsum. Explodierende Arbeitslosenzahlen und die Angst vor weiterer Unsicherheit wirken sich zwangsläufig negativ auf die Kauflaune aus. In den USA gibt es aber kaum einen Kündigungsschutz, daher "werden Mitarbeiter rasch freigesetzt, aber gegebenenfalls auch wieder rasch zurückgeholt", sagt Lück. Derzeit erholt sich der US-Arbeitsmarkt schneller als von Experten erwartet. In Europa herrsche keine solche Hire-fire-Politik wie in den USA, damit würden nach einer Krise Leute aber auch weniger rasch wieder eingestellt.

Sparen oder Ausgeben?

Das große Fragezeichen für die Wirtschaft bleibt laut Lück aber die Veränderung bei den Menschen. Covid-19 stelle eine Gefahr für Leib und Leben dar. Das könnte dazu führen, dass Verhaltensweisen verändert und bisherige Konsumausgaben überdacht werden. Die Sparquote könnte steigen, weil das Bedürfnis wächst, vorzusorgen und besser abgesichert zu sein. Das wiederum würde aber die rasche und V-förmige Erholung der Wirtschaft, von der derzeit noch ausgegangen wird, massiv infrage stellen. (Bettina Pfluger, 11.7.2020)