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Horst Seehofer zeichnet ein düsteres Bedrohungsbild.

Foto: Reuters / Hannibal Haschke

Berlin – Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hat am Donnerstag den aktuellen Verfassungsschutzbericht vorgestellt und musste dabei Beunruhigendes vermelden. Die Zahl der extremistischen Taten in Deutschland ist demnach im vergangenen Jahr massiv gestiegen, sagte er in Anwesenheit des Verfassungsschutzchefs Thomas Haldenwang. Mehr als 22.300 rechtsextremistisch motivierte Taten hat es 2019 gegeben, das ist ein Plus von rund zehn Prozent. Die Zahl der Taten, die von Linksextremistinnen und Linksextremisten begangen wurden, stieg sogar um 40 Prozent, ist mit 6.400 aber immer noch deutlich geringer.

Als besonders gewaltbereit charakterisierte Seehofer den rechtsextremistischen Bereich. Hier liege die Zahl der zu Taten bereiten Menschen bei rund 13.000. "Der Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland nimmt weiter zu. Dieser Bereich ist die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland", sagte der CSU-Politiker. Rassismus und Antisemitismus in Deutschland würden sich zum größten Teil aus diesem Bereich speisen, ergänzte er. Rund 90 Prozent aller antisemitischen Taten in Deutschland gingen auf das Konto von Rechtsextremisten. Aber auch im Bereich der "Fremden- und Islamfeindlichkeit" müsse man wachsam bleiben. Diese bildeten auch im Berichtsjahr 2019 Schwerpunkte rechtsextremistischer Agitation.

Reichsbürger nutzen Corona-Krise

Gruppen würden auch die Corona-Krise nutzen, um Stimmung zu machen und neue Mitglieder zu rekrutieren. Besonders auffällig würden dabei die sogenannten Reichsbürger auftreten. Gegen diese war der Polizei am Mittwoch in Deutschland und Österreich ein Schlag gelungen, bei einer Razzia wurden auch zahlreiche Waffen sichergestellt.

Seehofer nannte aber auch die rechte Partei "Alternative für Deutschland" (AfD), deren mittlerweile formell aufgelöster rechter Flügel namens "Der Flügel" im vergangenen Jahr erstmals überwacht worden war. Rund 7.000 AfD-Mitglieder gehörten dieser Gruppe demnach an. Das Politikkonzept des "Flügel" sei auf "Ausgrenzung, Verächtlichmachung und letztlich weitgehender Rechtlosstellung von Migranten, Muslimen und politisch Andersdenkenden gerichtet", heißt es im Bericht.

Probleme auch bei der Polizei

Seehofer war zuletzt in die Kritik geraten, weil er eine Studie zu Rassismus und rechten Tendenzen in der Polizei angeblich wieder abgesagt hatte. In dieser Frage soll es laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" nun statt der Studie "Erfahrungsberichte" geben. Er selbst wies dieses Berichte nun aber zurück. "Ich habe nicht abgesagt", es solle aber "schichtweise vorgegangen werden", damit man einen seriösen Überblick gewinnen könne.

Die Rassismuskommission des Europarats (ECRI) hat Seehofer allerdings nun aufgerufen, die Absage noch einmal zu überdenken. Es gebe Indizien, dass es beim Thema Racial Profiling ein "substanzielles Problem in Deutschland geben könnte", sagte die ECRI-Vorsitzende Maria Marouda der "taz": "Wir sind überzeugt, dass es im eigenen Interesse der Polizei ist, sich in eine solche Studie einzubringen, die eine Faktenbasis für weitere Maßnahmen in diesem Feld schafft."

Auch beim Linksextremismus sehen Seehofer und Haldenwang eine gesunkene Hemmschwelle für Gewalt sowie auch für "schwerste Gewalttaten", zudem sehe man hier "ganz neue Strukturen". Neben Gewalt bei Demonstrationen gebe es neuerdings auch mehr geplante und heimliche Gewaltaktionen.

Keine Entwarnung auch bei Islamismus

Keine Entwarnung gibt er bei der Bedrohung durch islamistische Extremisten: Zwar habe es seit drei Jahren keine Anschläge mehr gegeben, was auf die militärische Niederlage der Miliz "Islamischer Staat" in Syrien zurückzuführen sein könnte. Allerdings sei dies auch der Wachsamkeit der Behörden geschuldet. Die Bedrohung für Deutschland sei weiter hoch, die fundamentalistischen Salafisten beispielsweise hätten immer noch wachsenden Zulauf.

Außerdem sprachen beiden von einer gestiegenen Bedrohung durch Aktivitäten ausländischer Staaten. Diese würden die Grundordnung angreifen und die freiheitliche Gesellschaft destabilisieren wollen. Konkret werden in dem Bericht Russland und China genannt. (mesc, APA, 9.7.2020)