Als der US-Amerikaner Cody Wilson im Jahr 2013 den "Liberator" vorstellte, bedeutete dies einen Umbruch im Bereich des 3D-Drucks. Erstmals hatte jemand eine funktionstüchtige Schusswaffe hergestellt, die zum größten Teil selbst hergestellt werden konnte. Nachempfunden war sie der FP-45 Liberator, einer günstig produzierten, extrem einfach gestalteten und nur sehr kurze Schussdistanzen brauchbaren Pistole, die US-Streitkräfte zur Ausrüstung von Widerstandskämpfern gegen Japan und die Nazis über Europa und Asien abwarfen.

Während dem Vorbild zehn Patronen Munition beigelegt wurden, versagte ihr gedruckter Quasi-Nachfolger meist schon nach einem Schuss den Dienst. Dennoch: Der Nachweis war gelungen, dass man mit 3D-Druckern Waffen herstellen kann.

Cody Wilson und sein "Liberator".
Foto: Imago

Auch politisch ein Thema

Eine Entwicklung mit weitreichenden Implikationen. Wilson stellte die digitalen Baupläne für den Liberator über seine Firma Defense Distributed frei zur Verfügung. Kurz darauf verlangte das US-Verteidigungsminsterium die Entfernung der Unterlagen und berief sich dabei auf seine Rolle als Regulator für den Informationsfluss von Waffentechnologie. Zu diesem Zeitpunkt war die Vorlage aber bereits 100.000 Mal herunter geladen worden und kursierte schon bald über Torrent-Netzwerke und andere kaum kontrollierbare Kanäle.

Im Sommer 2018, mittlerweile hatte Donald Trump das Zepter im Weißen Haus von Barack Obama übernommen, kam es letztlich zu einer Einigung zwischen dem Ministerium und Wilsons Firma Defense Distributed, mit der der Verkauf von Druckvorlagen für Waffen unter Auflagen ermöglicht wurde. Eine Entscheidung, die Trump bald darauf anzweifelte. Letztlich ordnete ein Bundesgericht wieder ein Verbot der Bereitstellung an und begründete es damit, dass derlei Waffen für Detektoren schwerer zu erkennen und daher viel leichter durch Kontrollen zu schmuggeln seien.

Die ebenfalls von Wilson betriebene Plattform Defcad macht Baupläne gegen Bezahlung verfügbar und war aufgrund des Rechtsstreits jahrelang offline. Seit einigen Monaten ist sie wieder am Netz, Downloads gibt es aber nur kostenpflichtig für registrierte Waffenscheinbesitzer aus dem Bundesstaat New Jersey.

Wilson selbst fiel allerdings bei einigen Mitgliedern der Gemeinde in Ungnade, nachdem er 2018 über eine "Sugardaddy"-Plattform eine 16-Jährige kennen lernte, sie für Sex bezahlte und sich schließlich nach Taiwan absetzte. Dort wurde er bald darauf festgenommen und ausgeliefert.

Libertäres Projekt

Waffen aus dem 3D-Drucker sind primär ein "Projekt" aus der libertären, staatskritischen Ecke amerikanischer Schlagrichtung in der Maker-Szene, finden aber auch Anklang bei linksgerichteten Anarchisten. Wilson selbst ist der libertären Bewegung zuzurechnen. Ihm ging es bei der Entwicklung des Liberator explizit darum, dass Regierungen wieder mehr Angst vor ihren Bürgern haben sollten – weswegen das Vorbild der Waffe auch nicht zufällig gewählt sei.

Doch abseits der politischen und gesetzlichen Aspekte hat sich seit 2013 viel getan. Nicht nur 3D-Drucker sind seitdem besser und auch deutlich billiger geworden, auch neue Druckmaterialien haben Einzug gehalten und die Community hat viel in die Weiterentwicklung ihrer Waffen investiert. Einen Überblick über die Fortschritte gibt "Ctrl-Pew", einer der bekannteren Figuren der Szene, in einem Interview mit der Platform "3D Print General".

Szene-Größe "Ctrl-Pew" im Interview.
The 3D Print General

Von der Ein-Schuss-Waffe zur modularen Karabiner-Pistole

Mittlerweile können sie etwa konventionelle Waffen umfassend reparieren und modifizieren. Es gibt etwa Anleitungen, um sich den kompletten "Unterbau" einer Glock-17-Pistole – also im Prinzip alle Teile außer Lauf und Zug – selbst zu drucken. Auch für die metallischen Teile hat der Ersteller des Designs, der unter dem Pseudonym "Ivan The Troll" firmiert Vorlagen geliefert. Mit Lasercuttern und CNC-Fräsen, wie sie oft in Maker-Werkstätten zu finden sind, lassen sich auch diese produzieren.

Die aktuell vielleicht fortgeschrittenste Waffe aus dem 3D-Drucker ist die FGC-9 von "JStark", der nach eigenen Angaben in Europa lebt. Sie nutzt 9x19mm Luger-Pistolenmunition und ist kompatibel mit allen für diesen Typ vorgesehen Glock-Magazinen. Alternativ lässt sich aber auch ein eigenes Magazin drucken, das 25 Patronen fasst.

Ein "Werbespot" für die FGC-9.
Just Some Channel

Das gerade einmal 2,1 Kilogramm schwere Schießgerät im Karabinerformat ist modular gehalten. Es bietet eine Schiene für Visiere und kann mit einem taktischen Schaft sowie einem Mündungsaufsatz wie einem Schalldämpfer oder Kompensator bestückt werden. Ebenso gibt es einen drehbaren Abzug für Schnellfeuer-Salven.

Es gibt auch einige andere, ähnlich fortgeschrittene Designs. Diese Waffen sind in der Regel so gut wie komplett, nur noch manche metallischen Einzelteile müssen entweder zugekauft werden oder lassen sich mit dem passenden Werkzeug selber herstellen.

Unaufhaltbarer Fortschritt

"Ctrl-Pew" selbst schätzt in einem Gespräch im Podcast "Erase The State", dass es nur noch eine Frage von eher wenig Zeit ist, bis erste funktionstüchtige Maschinengewehre im Stil der AK-74 gedruckt werden.

Auch die ohnehin kleiner werdende Hürde der Metallkomponenten könnte früher oder später fallen. Die US-Armee ist bereits weit fortgeschritten in der Entwicklung von Druckern, die sich mit einem Legierungspulver füttern lassen, um einsatztaugliche Ersatzteile für Panzer und Waffen zu drucken.

Foto: JStark

Die jüngere Vergangenheit zeigt, dass derlei Technologie binnen einiger Jahre auch ihren Weg zu Konsumenten findet. Und was dann viele sinnvolle Einsatzmöglichkeiten, reichend von der Reparatur von Heimgeräten und Mobiliar bis hin zu Kunstwerken, findet, wird dann freilich auch zu einem Werkzeug, das für problematische Zwecke wie den Bau von Waffen genutzt wird.

Herausforderung für Regierungen

Für die Gesetzgeber könnte diese Entwicklung noch herausfordernd werden. In Österreich wird Eigenbau-Arsenal nicht explizit im Gesetz erwähnt. Nach Einschätzung des Anwalts Harald Hauer gegenüber der Futurezone müssten Schusswaffen aus dem 3D-Drucker aber dennoch unter das Waffengesetz fallen.

Die Nachverfolgung dürfte sich aber kompliziert gestalten. Es gibt keine Seriennummer und der Staat ist darauf angewiesen, dass jene Personen, die sich eine solche Waffe herstellen, über eine Waffenbesitzkarte verfügen und versuchen, ihr Schießgerät anzumelden. Doch gerade diese dürften eher nicht das interessierteste Publikum an solchen Projekten sein. Und auch die Verbreitung von Bauplänen über das Internet ist in der Praxis nicht zu verhindern. (Georg Pichler, 27.07.2020)