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Charlize Theron macht in "The Old Guard" ihrem Namen Andromache alle Ehre. Dieser bedeutet: kämpft wie ein Mann.

Foto: AP

Das englische Wort für Königin kann man so und so schreiben: Queen ist die normale Variante, wenn stattdessen aber Quynh steht, kriegt man gleich eine ganz andere Ahnung von Altertümlichkeit und Ehrwürdigkeit. Genauso verhält es sich bei Andy, der wichtigsten Heldin in dem neuen Netflix-Actionfilm The Old Guard.

Sie lässt irgendwann beiläufig ihren vollständigen Namen fallen, und da wird es so richtig antik und mythisch: Andromache die Skytherin. Mit diesem cleveren Manöver lassen die Comic-Künstler Greg Rucka (Text) und Leandro Fernández (Bild) die Welten von Homer mit der Gegenwart in eins fallen und öffnen einen historischen Resonanzraum, der nun allerdings in der Verfilmung nur bedingt nachschwingt. Denn da geht es doch in erster Linie um eine sehr heutige Geschichte, und für die Rekapitulation der eigentümlichen Schicksale der alten Garde bleibt nur wenig Zeit. Dass es sich bei Andy, Booker, Joe und Nicky um Unsterbliche handelt, ist im Grunde schon der erste Spoiler, da aber selbst Netflix in der Kurzbeschreibung das schon verrät, ist der quasi offiziell erlaubt.

Ein schönes Detail ist der erste Hinweis auf die besonderen Umstände der alten Garde: Andy erkennt bei einer türkischen Süßspeise das Terroir der verarbeiteten Granatäpfel. Das weiß nur jemand, der schon ein Weilchen auf diesem Planeten unterwegs ist. Wenig später laufen die vier im Südsudan in eine Falle, aus der sie sich aber aufgrund ihres (un)natürlichen Vorteils befreien können.

Konventionelle Handlung

The Old Guard hat danach zweierlei zu tun: eine relativ konventionelle Actionhandlung herunterzuspulen, in der Charlize Theron eine neue Partnerin namens Nile bekommt. Theron macht ihrem Namen Andromache (er bedeutet: kämpft wie ein Mann) alle Ehre, sie schreibt in Tanktop und mit Kurzhaarschnitt die Tradition von Linda Hamilton oder Angelina Jolie als wehrhafte Frau weiter. Die Afroamerikanerin Nile stößt von den Marines in Afghanistan zur alten Garde, muss aber erst über ihre Selbstheilungskräfte ins Bild gesetzt werden, damit sie dann an der Auseinandersetzung mit einem Pharmaindustriellen teilnehmen kann. Der will unbedingt das Genom der (beinahe) Unsterblichen analysieren, weil er sich davon ein Blockbuster-Medikament verspricht.

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Die zweite Ebene ist im Vergleich dazu deutlich interessanter: Sie besteht vor allem aus Andeutungen über frühere Taten der Garde und aus der näheren Bestimmung ihres Privilegs. Es besteht, vereinfacht, darin, dass Andy Nile eine Kugel in den Kopf jagen kann, woraufhin die tödliche Wunde sich relativ schnell wieder schließt und im Handumdrehen verheilt. Vor Schmerzen aber ist die Spezialeinheit nicht gefeit, und es gibt auch Mittel und Wege, wie man ihren evolutionären Vorsprung einkassieren kann. Das erfährt vor allem Quynh in einer knappen, aber wirkungsvoll schauerlichen Rückblende.

Hochgerüstete Söldner

"Das hängt vom Jahrhundert ab", heißt es zwischendurch als Antwort auf die Frage, ob die Garde sich immer auf die Seite des Guten geschlagen hat. Sie sind ja doch so etwas wie Superhelden, und zu Beginn werden sie auch in erster Linie wie eine spezielle Eingreiftruppe präsentiert, die dort auftaucht, wo die CIA nichts mehr ausrichten kann.

Sie sind hochgerüstete Söldner, die im Zweifelsfall aber auf Waffen zurückgreifen, die schon vor 2500 Jahren gebräuchlich waren. Dass der Industrielle Merrick (eine wenig subtile Karikatur auf den Typus eines Elon Musk) die besonders Befähigten als "Labormäuse" sieht, büßt er mit einer gröberen Wunde, für die kein DNA-Kraut gewachsen ist.

Am Ende muss Chiwetel Ejiofor den Zusammenhang schaffen, den The Old Guard in diesem zweistündigen Film (Regie: Ginas Prince-Bythewood) wohl erst etablieren will: Der afroamerikanische Star spielt einen zweideutigen Verbindungsmann der Garde. Bei ihm daheim findet sich an einer Pinnwand die Übersicht über all die guten Taten, von denen Andy und Co kein großes Aufheben machen wollen. Das Bild erinnert, mit den ausgeschnittenen Zeitungsartikeln, Fotos und handschriftlichen Notizen und Verbindungslinien, nicht zufällig an einen "writer’s room", in dem Serien geschrieben werden.

The Old Guard hat jedenfalls noch genug Stoff für Fortsetzungen in der Hinterhand, womöglich sogar bis weit hinter Homer. (Bert Rebhandl, 10.7.2020)