"In meinem Leben gibt es derzeit nur Unsicherheit. Es fühlt sich so an, als hätte ich nirgendwo mehr ein Zuhause." Samiras Schicksal (Name von der Redaktion geändert, Anm.) liegt derzeit in den Händen ihrer Universität in San Diego. Die Iranerin studiert seit 2016 Kunst in den USA. Doch ob ihr Traum vom Doktortitel und einer US-Karriere platzt oder bestehen bleibt, hängt davon ab, ob sie dieses Herbstsemester trotz Pandemie einen ihrer Uni-Kurse persönlich besuchen kann.

Denn diesen Montag gaben die US-Einwanderungsbehörden bekannt, dass alle Studierenden, die sich mit F-1- und M-1-Visa in den USA aufhalten, das Land verlassen müssen, falls der Unibetrieb im Herbst ausschließlich online abgewickelt wird. Der einzige Ausweg, der so kurz vor Semesterbeginn im September jedoch logistisch unrealistisch erscheint: ein Transfer an eine Uni, die persönlichen Unterricht abhält.

Der Campus von Harvard ist verwaist.
Foto: AFP/Meyer

Für Samira sind Visum-Probleme nichts Neues. Aufgrund des 2017 von Präsident Donald Trump verhängten Einreiseverbots muss sie darauf verzichten, ihre Familie im Iran zu besuchen. Sie ist sich bewusst: Eine Ausreise würde das endgültige Ende ihres Studiums in den USA markieren. "Dann kann ich nie wieder einreisen", sagt sie nüchtern.

Wirtschaftsfaktor

In den nächsten Wochen fällt die Entscheidung, ob der Betrieb am Campus wieder möglich wird, um internationale Studierende zu halten, oder ob das Risiko zu groß ist und daher nur einen Online-Unterricht zulässt. Die Schwierigkeiten für Studierende, in ihren Herkunftsländern das Studium fortzuführen, scheinen unendlich: Kein oder nur ein schwacher Internetzugang, die Überwachung durch Behörden oder unterschiedliche Zeitzonen werden den Erfolg behindern. Was die Sache noch schwieriger macht: Die rund eine Million ausländischen Studierenden (die meisten mit F-1-Visum) sind ein großer Wirtschaftsfaktor. Sie steuern 41 Milliarden Dollar jährlich zur US-Wirtschaft bei und zahlen oft höhere Studiengebühren als ihre heimischen Kollegen.

Das Studium ist für viele der erste Schritt, um in den USA beruflich Fuß fassen zu können. Dann ist es meist das begehrte H1-B-Arbeitsvisum, das Aufenthalt und Job garantiert. Zumindest bisher. Denn Trump hat auch diesen Visumstyp auf unbestimmte Zeit abgeschafft. Sein Argument: Es würden damit in Corona-Zeiten neue Jobs für Amerikaner geschaffen werden. Addison Stark vom Bipartisan Policy Center in Washington sieht die Visa-Restriktionen hingegen als Rückschlag für den Innovations- und Bildungsstandort: "Egal wie lange diese Situation anhält, es wird sehr viel schwieriger werden, die besten Studenten anzuwerben und sie davon zu überzeugen, hierherzukommen, wenn es keine Jobs und langfristigen Aufenthaltsmöglichkeiten mehr gibt."

Harvard und MIT klagen

Die Harvard-Universität, die im Herbst nur Onlinekurse anbietet, und das Massachusetts Institute of Technology (MIT) wollen sich mit den neuen Vorschriften nicht abfinden. Beide Unis haben eine Klage gegen die Einwanderungsbehörden eingereicht. "Wir sind der Meinung, dass diese Anordnung schlechte Politik ist. Außerdem ist sie rechtswidrig", schreibt Harvard-Präsident Lawrence S. Bacow in einer E-Mail.

Doch nicht jeder fürchtet die erzwungene Ausreise. Auch die Einreise bereitet vielen Kopfzerbrechen. Alessandra Maluf studiert an der Universität Georgetown und hält sich derzeit in ihrer Heimat Brasilien auf. Sie weiß nicht, wie sie vor Semesterbeginn wieder nach Washington zurückkehren soll. "Wegen des Einreiseverbots, das für Brasilien gilt, müsste ich 15 Tage in einem anderen lateinamerikanischen Land verbringen. Dann erst könnte ich in die USA einreisen", erzählt sie. Falls das nicht klappt, kann Alessandra ihr Studium dieses Jahr nicht abschließen. Denn ein "Hybridmodell", für das sich nun viele Unis entscheiden, sieht vor, dass Studenten für zumindest einen Kurs persönlich anwesend sind. Eine Absolvierung von Onlinekursen reicht dann wiederum nicht. (Teresa Eder aus Washington, 9.7.2020)