Der Supreme Court entschied erneut gegen US-Präsident Donald Trump.

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Es ist eine klare Niederlage für den amerikanischen Präsidenten: Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten dürfen New Yorker Staatsanwälte Einsicht in Donald Trumps Steuerunterlagen nehmen, um eventuellen Rechtsverstößen auf den Grund zu gehen. Damit muss der ehemalige Immobilienunternehmer im Streit um Steuererklärungen, um die er ein großes Geheimnis macht, zum ersten Mal eine Schlappe hinnehmen.

Im Unterschied zu all seinen Amtsvorgängern der jüngeren Vergangenheit weigert sich Trump, seine "Tax Returns" öffentlich zu machen. Das wird er nicht mehr lange durchhalten können. Am Donnerstag entschied der Supreme Court in Washington mit sieben zu zwei Stimmen, dass Mazars USA, die Kanzlei seiner Steuerberater, Dokumente zur Verfügung stellen muss, auf deren Herausgabe die Staatsanwaltschaft Manhattans drängt. Vor 200 Jahren, schrieb John Roberts, der Vorsitzende des Supreme Court, in seiner Urteilsbegründung, hätten große Juristen dieses Gerichts ein zentrales Prinzip verankert.

Pflicht, Belege zu liefern

Demnach dürfe sich kein Bürger des Landes, nicht einmal der Präsident, der Pflicht entziehen, im Falle einer strafrechtlichen Untersuchung angeforderte Belege zu liefern. Heute habe man dieses Prinzip bekräftigt und klargestellt, dass der Präsident weder absolute Immunität genieße noch das Recht auf eigene Standards habe, wenn er aufgefordert werde, Papiere aus seinem Privatbesitz zu übergeben. Trumps Anwälte hatten darauf gepocht, dass der Staatschef immun gegen Strafverfolgung sei, solange er sein Amt ausübe.

Was nicht unbedingt zu erwarten war: Auch Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh, die beiden von Trump nominierten Höchstrichter, schlossen sich der Mehrheit an, statt sich vor den Mann zu stellen, der sie ernannte. Einzig Clarence Thomas und Samuel Alito, die konservativsten Juristen der Neunerrunde, stimmten im Sinne Trumps.

Trump sieht sich als Opfer

Der quittierte den Dämpfer, indem er sich, wie schon so oft in ähnlichen Fällen, als Opfer einer Hexenjagd hinzustellen versuchte. In der Vergangenheit habe das Gericht den Präsidenten viel Respekt entgegen gebracht. "Aber nicht mir!", twitterte er. "Das ist alles nur eine politische Verfolgung", schrieb er in einem zornigen Tweet. "Unfair gegenüber dieser Präsidentschaft oder Regierung!" Cyrus Vance, der zuständige Staatsanwalt in Manhattan, sprach seinerseits von einem großen Sieg für das amerikanische Justizsystem, dessen Grundprinzip besage, dass niemand über dem Recht stehe.

Grundsätzlich hat Staatsanwalt Vance nun Anspruch auf Zugang zu den angeforderten Finanzunterlagen des Präsidenten. Allerdings geht das Verfahren nun zunächst zurück an ein Gericht unterer Instanz. Selbst wenn die Finanzunterlagen rasch an die Justiz übergeben werden sollten, gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass Details an die Öffentlichkeit gelangen könnten – insbesondere vor der Präsidentschaftswahl am 3. November.

Vance ermittelt zum einen gegen die Immobilienfirma Trumps, er versucht zu klären, ob internationale Verflechtungen womöglich politischer Einflussnahme durch das Ausland Vorschub leisteten. Zum anderen untersucht er die Hintergründe von Zahlungen, mit denen der damalige Kandidat fürs Oval Office das Schweigen zweier Frauen erkaufte, die ihn in der heißen Phase des Wahlkampfs 2016 mit Geschichten über Sexaffären hätten belasten können. Der einen, der Pornodarstellerin Stephanie Clifford alias Stormy Daniels, überwies sein damaliger Anwalt Michael Cohen 130 000 Dollar. Die andere, das ehemalige Playboy-Model Karen McDougal, erhielt 150 000 Dollar von David Pecker, einem mit Trump befreundeten Verleger.

Zweite Causa

Das Repräsentantenhaus mit seiner demokratischen Mehrheit wiederum hatte Unterlagen angefordert, die Licht ins Dunkel der Geschäftsbeziehungen zwischen Trump, der Deutschen Bank und dem Finanzinstitut Capital One bringen sollten. Gerade die Deutsche Bank hatte die Trump-Organisation ab Ende der Neunziger reichlich mit Krediten versorgt, während sich amerikanische Geldhäuser angesichts vorangegangener Pleiten des Tycoons weigerten, ihm noch Geld zu leihen. Drei Kongressausschüsse, allesamt von Demokraten geleitet, hatten argumentiert, dass sie mithilfe der Steuerunterlagen Trumps möglichen Interessenkonflikten sowie eventueller ausländischer Einmischung in Wahlkämpfe auf die Spur kommen könnten. Vor dem Supreme Court zog die Opposition nun den Kürzeren. Der Kongress, urteilte das Gericht, darf bis auf Weiteres keine Einsicht in die bislang unter Verschluss gehaltenen Akten nehmen.

Auch in diesem Fall überwies der Supreme Court den Fall zurück an ein Gericht unterer Instanz. Dieses müsse genauer prüfen, inwieweit die Anträge der Abgeordneten gerechtfertigt seien.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sagte, dass das Anliegen nun in den niedrigeren Instanzen vorangetrieben werde. "Die verfassungsrechtliche Verantwortung des Kongresses, die Wahrheit aufzudecken, geht weiter, insbesondere im Blick auf die Verbindung des Präsidenten mit Russland, die er versteckt", sagte die Demokratin. Sie wertete die Entscheidung des Höchstgerichts als schlechte Nachricht für Trump. Der Supreme Court habe das Recht des Parlaments bestätigt, die Regierung zu kontrollieren, verlange aber für das weitere Vorgehen zusätzliche Informationen. (Frank Herrmann, APA, 9.7.2020)