Eine Hauswand in Johannesburg dient Robin Rhode zugleich als Leinwand und als Fotostudio: Hier entstanden die meisten seiner Arbeiten – sie werden fotografisch festgehalten.

Foto: robin rhode

Kamen die Soldaten aus dem Krieg zurück, erhielten sie ein Stück Land – vorausgesetzt, sie waren weißer Hautfarbe. Kehrten dagegen Soldaten nichtweißer Hautfarbe aus dem Zweiten Weltkrieg zurück, dann erhielten sie ein Fahrrad. Für Schwarze und Mitglieder der Coloured Communities, also Menschen mit gemischtrassigen Eltern oder Großeltern, ist das Fahrrad bis heute in Südafrika ein diskriminierungsgeschichtlich aufgeladenes Objekt.

Man tut gut daran, solche Details zu wissen, wenn man durch die große Robin-Rhode-Personale in der Kremser Kunsthalle schlendert. Der in Berlin lebende südafrikanische Künstler nimmt in seinen Fotosequenzen immer wieder Bezug auf die spezifische Geschichte seiner Heimat – zumal auf die Geschichte der Coloured, jener mit besonders vielen Diskriminierungen kämpfenden Community, der er auch selbst angehört.

Da werden Flaggen aus Ziegelsteinen geschwenkt, überlebensgroße Kämme auf den Rücken geschnallt oder ein Klappmesser zeichnerisch auf- und zugeklappt. Letzteres ist das Abbild eines deutschen Fabrikats, das bis Ende der 1980er-Jahre vornehmlich nach Afrika exportiert wurde und auch heute noch in den Ghettos Südafrikas Verwendung findet.

Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte: Besonders hat es Rhode der Minimalismus angetan.
Foto: robin rhode

In einem solchen, in Westbury in Johannesburg, entstehen bzw. entstanden die meisten künstlerischen Arbeiten von Robin Rhode. Hier hat der 1976 geborene Künstler Anfang der Nullerjahre eine Hauswand entdeckt, die ihm genauso zur Leinwand wie zum Fotostudio wurde. Gemeinsam mit einer Gang von beinahe zwei Dutzend Schulabbrechern, Obdachlosen oder Drogensüchtigen übermalt, besprüht oder bekritzelt Rhode die Wand für jede künstlerische Arbeit wieder und wieder von Neuem und hält das Ergebnis anschließend mit der Kamera fest.

Interaktion mit Zeichnungen

So entstehen Rhodes hybride Kunstwerke, bei denen er sich genauso als Maler, Performer wie auch als Fotograf betätigt. Die Charakteristik seiner Gattungsgrenzen sprengenden Arbeiten besteht darin, dass er selbst (oder einer seiner Mitstreiter) mit den Zeichnungen oder Malereien in ausgeklügelten Choreografien in Interaktion tritt und die verschiedenen Bewegungssequenzen als Fotoabfolge festgehalten werden. Das erinnert genauso an den frühen Film mit seinen slapstickartigen Sequenzen wie an kurze Comics. Nur dass Rhode immer mit doppeltem Boden arbeitet und mit Anspielungen auf die politische Geschichte Südafrika genauso aufwartet wie auf die westliche Kunstgeschichte.

Besonders angetan hat es Rhode die Ästhetik des Minimalismus, sei es in seiner Faszination für alles Serielle oder die Kraft von Farben und Geometrie. Die Abstraktion der Moderne trifft bei ihm auf die politische Ikonografie des Apartheidregimes und die Tradition der Street-Art. Es ist diese Verschmelzung höchst unterschiedlicher Traditionslinien, die Rhodes Arbeiten gleichermaßen ästhetisch reizvoll wie politisch hintergründig machen – und sie natürlich kompatibel mit dem internationalen Kunstmarkt machen. Besonders gut sieht man das in Arbeiten wie "Black Friday" oder "Under the Sun", in denen Rhode auf den ersten Blick dem Werk der Suprematisten oder der Farbenlehre Josef Albers huldigt, die abstrakten Motive aber auf vermummte Gestalten mit Einkaufswägen oder Autoreifen treffen lässt.

Brennendes Klavier: Rhode erzählt mit seinen Fotografien Kurzgeschichten. Hier eines von rund zwei Dutzend Motiven aus der Arbeit "Piano Chair" aus 2011
Foto: robin rhode

Die politische Gegenwart des bis heute von Gewalt und Rassenkonflikten beherrschten Südafrika schwingt dadurch unweigerlich bei fast allen Arbeiten Rhodes mit, auch wenn dieser sich selbst nicht unbedingt als politischer Künstler sieht.

Das hat vielleicht damit zu tun, dass die Arbeiten Rhodes weniger Botschaften als Zeichen transportieren, die in einem postkolonialen Kontext gelesen werden wollen. Immer wieder bezieht sich Rhodes auf das Werk des südafrikanischen Schriftstellers Don Mattera, der vom Anführer einer Gang zum Kämpfer gegen die Apartheid mutierte. Der Titel der Schau, "Memory ist the Weapon", ist der Titel von Matteras Autobiografie. Aus unterschiedlichen Generationen stammend und mit gänzlich anderen Mitteln thematisieren beide die Geschichte der Coloured Communities, die in der Dichotomie von Schwarz und Weiß allzu oft vergessen wird.

"Wesen der Zwischenwelt" hat Mattera die Coloured genannt, und ein bisschen trifft dieses Wort auch auf den Künstler Robin Rhode und seine multimedialen Arbeiten zu. Die Zeichnung, der Körper und die Wand: So klar das Universum des Robin Rhode definiert ist, so vielschichtig und hybride sind dessen Arbeiten. (Stephan Hilpold, 9.7.2020)