Der Finanzskandal um Wirecard ist längst ein Fall für den Staatsanwalt.

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In der Affäre Wirecard ist die Suche nach den Schuldigen längst angelaufen. Im Fokus stehen klarerweise die früheren Vorstände und andere Mitarbeiter, doch darüber hinaus geraten auch Prüfer und Aufsicht ins Visier. Wie konnte ein Mitglied des deutschen Leitindex Dax jahrelang falsche Bilanzen vorlegen, obwohl es schon länger Hinweise auf Manipulation der Geschäftslage gab?

Diese Frage stellen sich Gläubiger und Aktionäre, die hoffen, wenigstens einen Teil ihres verlorenen Geldes wiederzubekommen. Besonders brisant ist die Lage für die Prüfgesellschaft EY (früher Ernst & Young), eine der vier großen weltweit operierenden Gruppen in diesem Feld. Das Unternehmen setzte zweimal – 2017 und 2018 – einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk unter den Wirecard-Abschluss.

Lange nichts entdeckt

Erst im Juni, als KPMG wegen der verschiedenen Vorwürfe eine Sonderprüfung vorgenommen hatte, verweigerte EY das Testat für 2019. Anwälte und Anlegerschützer haben sich bereits auf die Prüfgesellschaft eingeschossen, Klagen und Anzeigen eingebracht.

Nun sind auch einige österreichische Investoren aktiv geworden und haben die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingeschalten. Sollte die Behörde Anklage erheben, könnten sich die Anleger dem Verfahren als Privatbeteiligte anhängen und Ansprüche besser durchsetzen, so das Kalkül. In ihrer Anzeige erheben die Anwälte Jörg Zarbl und Johannes Neumayer schwere Vorwürfe: Sie verdächtigen den Wirecard-Vorstand, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Abschlussprüfern der deutschen EY GmbH agiert zu haben.

Lage verschleiert

Dadurch seien die wahren Finanzverhältnisse des Zahlungsabwicklers verschleiert und österreichische Anleger getäuscht worden, lautet der Vorwurf. Die angesichts eines Bilanzlochs "inhaltlich unwahren" Bestätigungsvermerke unter den Abschlüssen von 2017 und 2018 hätten Anleger dazu verleitet, Wirecard-Aktien zu kaufen oder nicht rechtzeitig abzustoßen.

Die Prüfer seien verpflichtet gewesen, Saldenbestätigungen für die nichtexistenten Guthaben auf den Philippinen einzuholen, meinen Zarbl und Neumayer. Zudem sei es undenkbar, dass jahrelang unverändert große Geldsummen auf Konten liegen sollen. Die Advokaten untermauern ihre These mit den Berichten und anderen Hinweisen auf Ungereimtheiten, die seit Jahren kursieren.

EY bestreitet Vorwürfe

EY hat die Vorwürfe stets bestritten, und es gilt die Unschuldsvermutung. Einige Experten haben die Prüfer in den letzten Wochen in Schutz genommen und darauf verwiesen, dass diese keine forensische Durchleuchtung von Betrieben vornehmen könnten. Abschlussprüfer suchten nicht gezielt nach Betrug und hätten auch nicht die gleichen Befugnisse wie Sonderprüfer, meint etwa der deutsche Professor Kai-Uwe Marten. Ihre Aufgabe sei es festzustellen, dass der Abschluss mit Rechnungslegungsstandards übereinstimme. (Andreas Schnauder, 10.7.2020)