Chefin Brigitte Annerl hatte in der Saison viel zu klatschen.

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Live-Ticker: Play-off-Final-Hinspiel: Austria vs. Hartberg, Sa., 17 Uhr

Hartberg/Wien – Brigitte Annerl jammert nicht. Die Pandemie nimmt zwar vieles, aber nicht alles. "Ich lasse mir die Emotionen nicht nehmen", sagt die sponsernde Präsidentin des TSV Hartberg. Sie gehört, da sie intensiven Kontakt zur Mannschaft pflegt, der "Roten Gruppe" an. Das bedeutet laut Präventionskonzept der Bundesliga: mindestens ein Corona-Test pro Woche. Diesmal sind es zwei, da ein Hartberger Ergänzungsspieler am Montag positiv auf Covid-19 getestet wurde. Es weist keinerlei Symptome auf, wurde isoliert.

Der Rest, also auch Annerl, befindet sich in Quarantäne. Die anderen Spieler durften natürlich trainieren, eine am Dienstag vorgenommene Testserie brachte ausschließlich negative Ergebnisse. Am Freitag wurde das Prozedere wiederholt. Annerl ist überhaupt nicht panisch. "Es war zu befürchten, dass es irgendwann passiert. Dass es uns getroffen hat, ist einfach nur Pech."

Die Unternehmerin (Pharmabranche) wird, negatives Resultat vorausgesetzt, selbstverständlich am Samstag in der Generali-Arena sein. Für Hartberg ist es Teil eins einer vereinshistorischen Geschichte, nur mehr die Wiener Austria steht dem ersten Auftritt im europäischen Fußball (Qualifikation zur Europa League) im Wege. Das Retourmatch steigt am Mittwoch in der Steiermark. Trainer Markus Schopp sagt: "Wir können eine fantastische Saison zu einer unglaublichen machen." Annerl stimmt dem zu. "Das wäre überragend."

Nicht lustig

Sie empfindet Geisterspiele als "derzeit notwendig, aber nicht als witzig. Es sind Überlebensspiele." Annerl hat dem Fußball zugehört. "Durchaus interessant, was die Spieler miteinander reden." Die Stille führte zu merkwürdigen Reaktionen. "Einmal hat mein Smartphone geläutet, ich wurde hektisch, habe gesagt, bitte leise, es ist gerade Fußball."

Trainer Markus Schopp hatte in der Saison viel zu lachen.
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Hartberg hat die Meistergruppe förmlich gerockt – Platz fünf. Gegen jedes Team wurde gewonnen, Red Bull Salzburg ausgenommen. Aber deren Fußball findet in anderen Sphären, nicht in der Profertil-Arena statt. In der Vorsaison aufgestiegen, schaffte der TSV erst in der letzten Runde den Klassenerhalt. Annerl: "Und jetzt diese Entwicklung. Wir sind die Schwankungsbreite in vielen Statistiken. Ich will niemanden langweilen, aber unser Teamgeist, unser Zusammenhalt, unsere Einstellung sind gewaltig."

Natürlich leiden die Hartberger unter Corona. Die fünf Heimpartien in der Meistergruppe wären ausverkauft gewesen. Annerl vermisste neben den Einnahmen aus Ticketverkauf und Gastronomie "die leuchtenden Augen der Fans. Es wär schön gewesen, die Freude zu teilen."

Hartberg hat mit 4,3 Millionen Euro das niedrigste Budget in der Tipico-Bundesliga. Das ist in Zeiten von Corona kein Totalschaden, immerhin 35 Prozent sind durch die TV-Gelder gedeckt. Bei den ganz oder relativ Großen, etwa Rapid, macht die Summe kaum zehn Prozent aus. Annerl schließt sogar eine Erhöhung des Budgets nicht aus. "Wir setzen auf Regionalität." In der Kleinheit liege eine gewisse Stärke. "Hartberg muss nicht. Und nicht zu müssen ist im Leben einer der größten Vorteile. Die großen Probleme haben meist die Großen."

Wege und Lösungen

Gemeinerweise läuft der Vertrag mit Schopp aus. Annerl will den Trainer unbedingt halten. "Er ist ein wesentlicher Baustein. Markus ist begehrt. Aber er weiß, was er an uns hat. Auch wir begehren ihn. Er wollte eine Entwicklung sehen, und die hat er gesehen." Annerl ist vom Naturell her Optimistin. Natürlich sei keine Planungssicherheit gegeben. "Niemand weiß, was Corona noch alles anstellt. Dürfen wir wieder vor Zuschauern spielen? Wir wissen es nicht." Wobei kein Grund zur Resignation bestehe. "Es wird immer Lösungen geben, man findet immer einen Weg."

Am Samstag (17 Uhr) freut sie sich auf ein Wiedersehen mit Schopps Vorgänger Christian Ilzer. Der kümmert sich um die Austria, die eher zu den Großen zählt. Obwohl sie das in dieser Saison verborgen hat. Annerl wird Ilzer herzlich begrüßen. Mit Mindestabstand. Schopp sagt: "Wir müssen achtsam sein, dürfen uns keine Fehler erlauben."

Brigitte Annerl will in aller Bescheidenheit mehr. Denn die Gier ist ein Hund: "Wir sind hungrig. Hartberg in Europa, das klingt wunderschön. Und auch dort wollen wir nicht nur dabei sein." (Christian Hackl, 11.7.2020)