Mangelnde Schutzausrüstung, prekäre Arbeitsbedingungen, Repressionen bis hin zu Kündigungen, Drohungen und sogar Festnahmen – die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) stellt Regierungen weltweit ein sehr schlechtes Zeugnis für den Umgang mit Gesundheitspersonal in der Coronavirus-Krise aus. Für den ersten derartigen Report mit dem Titel "Exposed, Silenced, Attacked" hat AI Situationsberichte aus 63 Ländern sowie Datenmaterial aus 79 Ländern ausgewertet.

Superheldinnen der Corona-Krise: Das Gesundheitspersonal wird weltweit am meisten gefordert, trägt die höchste Verantwortung – und das höchste Risiko. Doch von Regierungen wird das nicht honoriert.
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Mehr als 3.000 Menschen, die in der medizinischen Versorgung und in der Pflege tätig sind, sind demnach bisher selbst nach Covid-19-Infektionen gestorben, die Hälfte davon in den USA, Russland und Großbritannien. Diese Zahl liege allerdings sehr wahrscheinlich noch um einiges unter dem tatsächlichen Wert, betont Amnesty. Die politisch Verantwortlichen hätten es verabsäumt, gerade Helferinnen und Helfern Schutz zu bieten.

Schöne Worte

Auch in Österreich konnte das Ausmaß staatlicher Vorsorge lange nicht mit schönen Worten wie "Heldinnen und Helden der Krise" Schritt halten. Viele Ärzte und Pflegekräfte mussten sich (und müssen sich teilweise noch immer) selbst um Schutzausrüstung kümmern – ein Missstand, den Amnesty explizit verurteilt.

In anderen Ländern ist die Situation aber viel dramatischer. In Ägypten etwa dokumentierte die Menschenrechtsorganisation Verhaftungen von Ärzten. Ihnen wird Terrorismus vorgeworfen, weil sie das Corona-Management der Regierung kritisiert hatten. In Russland wurde versucht, zwei Ärztinnen mit Anklagen wegen Verbreitung von Falschnachrichten mundtot zu machen. Und in den USA verlor eine Pflegerin ihren Job, nachdem sie auf Facebook die Forderung nach mehr Schutzausrüstungen veröffentlicht hatte.

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In Ägypten und anderen Ländern muss Gesundheitspersonal befürchten, festgenommen zu werden.
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In Malaysia löste die Polizei eine friedliche Kundgebung von Krankenhausreinigungskräften auf. Der Protest richteten sich gegen die ihrer Meinung nach unfaire Behandlung von Gewerkschaftsmitgliedern durch das Reinigungsunternehmen sowie gegen den unzureichenden Schutz der Putzkräfte im Krankenhaus. Die Polizei inhaftierte fünf Protestierende und klagte sie wegen Organisation und Teilnahme an einer "nicht genehmigten Versammlung" an. Für Amnesty ein klarer Verstoß gegen das Recht dieser Menschen auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit.

Fehler nicht wiederholen

Amnesty International fordert die Staatengemeinschaft dazu auf, Covid-19 als Berufskrankheit anzuerkennen. Auf Grundlage einer derartigen Regelung müsse sichergestellt werden, dass Beschäftigte, die im Gesundheitswesen tätig sind, und andere systemrelevante Berufsgruppen im Fall einer Infektion eine Entschädigung und weitere Unterstützungsleistungen erhalten. Außerdem sollten diese Menschen Priorität beim Zugang zu Corona-Tests erhalten, so Amnesty.

"Angesichts einer Situation, in der sich die Pandemie auf der ganzen Welt weiterhin rasant ausbreitet, fordern wir von den Regierungen, das Leben und Wohlergehen von Beschäftigten im Gesundheitswesen und anderer systemrelevanter Berufsgruppen endlich ernst zu nehmen. Staaten, denen der schlimmste Teil der Pandemie noch bevorsteht, dürfen nicht die Fehler jener Regierungen wiederholen, deren Versagen beim Schutz der Rechte dieser besonders gefährdeten Berufsgruppen desaströse Folgen nach sich zog", sagt Sanhita Ambast, Amnesty-Expertin für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. (Michael Simoner, 13.7.2020)