Sie empfängt im Boutiquehotel Stadthalle in Wien, gekauft vor 20 Jahren von ihren Eltern und umgebaut zum ersten Stadthotel mit Null-Energie-Bilanz weltweit. Michaela Reitterer hat in Zeiten wie diesen viel um die Ohren, ist sie doch nebenbei auch noch Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung.

STANDARD: Berlin, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz haben schon Schulferien, Bayern folgt Ende des Monats. Wie ist es mit der Lust der Deutschen auf Sommerurlaub in Österreich bestellt?

Reitterer: Ich weiß von Kolleginnen und Kollegen aus sogenannten A-Lagen, dass es dort sehr gut funktioniert. Einige, wenn auch wenige, haben gesagt, es laufe sogar besser als im Vorjahr. Sicherheit ist ein ganz großes Thema. Die Möglichkeit, dass Hotelbetriebe ihre Mitarbeiter gratis testen lassen können, verstärkt das Sicherheitsgefühl nicht nur für den Gast, sondern auch für die Beschäftigten, wenn sie wissen, dass keiner im Team Corona hat. Wir starten diese Woche damit und werden Woche für Woche neu testen.

Wien, Stephansplatz. So leer wie in den vergangenen Monaten war das Zentrum der Bundeshauptstadt selten. Vor allem das Fehlen internationaler Gäste machte sich bemerkbar, die Auslastung in den Hotels ging stark zurück. Manche Betriebe haben erst gar nicht aufgesperrt.
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STANDARD: Auch hierzulande sind Schulferien. Machen Österreichs Familien heuer tatsächlich vermehrt Urlaub in Österreich, wie das die Regierung propagiert hat?

Reitterer: Das ist so, wobei wir im Moment beobachten, dass vor allem die Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie sehr gut gebucht ist. Betriebe mit drei Sternen tun sich schwerer; deren Gäste sind zurückhaltend, weil viele in Kurzarbeit waren oder immer noch sind, den Job verloren haben, als Selbstständige möglicherweise hohe Ausfälle hatten und sich einen Urlaub nicht so gut leisten können wie früher. Die fahren aber auch nicht ins Ausland, sondern bleiben tatsächlich zu Hause. Es ist also nicht so, dass Österreich knackevoll ist, ganz im Gegenteil.

STANDARD: Am Wörthersee geht aber nichts mehr?

Reitterer: A-Lagen rund um Seen zum Beispiel sind stark gefragt. Auch Häuser, die im Sommer immer schon eine gute Performance hatten, performen jetzt gut.

Hotels um Seen sind stark gefragt, sagt ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer.
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STANDARD: Tirol?

Reitterer: Funktioniert partiell sehr gut, aber nicht überall. Generell muss man sagen, dass heuer extrem spät gebucht wird. Man schaut, wie sich die Situation in der Urlaubsdestination entwickelt. Das gilt auch für Kroatien und Italien. Sollte sich die Lage dort nicht bessern, fahren wir eben nach Österreich, denken sich einige – bekommen werden wir schon etwas.

STANDARD: Kann Urlaub in Zeiten von Corona überhaupt ein schönes Erlebnis werden, mit Abstandhalten, Desinfizieren und fallweise Maskenpflicht?

Reitterer: Ich war selbst drei Tage auf Kurzurlaub und habe es sehr genossen. In dem Hotel wurde noch freiwillig Mund-Nasen-Schutz getragen, das hat gut funktioniert. Es ist ein Lerneffekt für alle, wie wir mit dem Virus umgehen, und es entwickelt sich eine gewisse Routine.

STANDARD: Wie spielt sich das praktisch ab im Frühstückssaal – Essen im Turnus?

Reitterer: In der Ferienhotellerie ist es um einiges einfacher als in Stadthotels, wo aus Platzgründen nicht jeder seinen fixen Tisch hat. Einige Hotels bieten nur mehr partielles Buffet an, teils auch À-la-carte-Service. Manche Hotels haben sich für eine Staffelung der Essenszeiten entschieden, wie beim Kreuzfahrtschiff.

STANDARD: Noch Anfang Winter war das große Problem der Branche, genügend Köche und Kellner zu finden. Jetzt wohl nicht mehr, oder?

Reitterer: Ja und nein. Als die Hotels wieder aufsperren konnten, war es schon ein Problem. In der Ferienhotellerie deshalb, weil viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihren jeweiligen Heimatländern festgesessen sind und nicht kommen konnten respektive dann 14 Tage in Quarantäne mussten. Jetzt beispielsweise ist es so, dass in Wien viele in Kurzarbeit sind, in der Ferienhotellerie aber Mitarbeiter fehlen. Da suchen wir gerade nach einer unbürokratischen Lösung.

"Solange es keine Impfung gibt, wird es länger dauern, bis die internationalen Gäste wieder sorglos reisen," ist die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Michaela Reitterer, überzeugt.
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STANDARD: Wie könnte die Lösung aussehen?

Reitterer: Dass etwa ein Betrieb in Wien seine Mitarbeiter, die in Kurzarbeit sind, an einen befreundeten Betrieb ausleihen kann, weil sie doch Vollzeit arbeiten und auf das Trinkgeld nicht verzichten möchten. Andererseits sollten diese Betriebe die Mitarbeiter nicht aus der Kurzarbeit verlieren, weil im Herbst, wenn sich das Geschäft hoffentlich auch in der Stadthotellerie wieder belebt, diese Mitarbeiter benötigt werden. Wir sind mit dem AMS im Gespräch.

STANDARD: Wie viel Prozent der Betriebe hat noch Kurzarbeit?

Reitterer: In der Ferienhotellerie so gut wie niemand, dafür die ganze Stadthotellerie. Die Betriebe haben eine so schlechte Auslastung, dass es ohne Kurzarbeit nicht ginge.

STANDARD: Andere Branchen könnten sich rascher erholen als der Tourismus. Keine Sorge, dass Mitarbeiter, die jetzt keine Beschäftigung finden, in andere Branchen abwandern und dann für den Tourismus verloren sind?

Reitterer: Ja, das passiert. Beim Großteil der Mitarbeiter mache ich mir aber keine so großen Sorgen. Wer das Dienstleistungsgen in sich trägt, will nichts anderes.

STANDARD: Wie lange können Hotels in der Stadt die Durststrecke verkraften?

Reitterer: Einige werden es nicht schaffen. Solange es keine Impfung oder zumindest ein Medikament zur Behandlung von Corona gibt, wird es länger dauern, bis die internationalen Gäste wieder sorglos reisen. Deshalb wird nächstes Jahr für die Stadthotellerie auch noch hammerhart. (Günther Strobl, 12.7.2020)