Die Neigungsgruppe Maria Fekter trifft sich auf einem schattigen Plätzchen links vor dem Gebäude. Die Fächer mit türkisem Logo und Schriftzug der Politischen Akademie lassen sich hier gut auf der halbhohen Mauer ablegen.

Es ist der bisher heißeste Tag dieses Sommers. Gut, das konnte das Team der ÖVP-Bildungseinrichtung bei der Planung ihres Tages "für Pionierinnen" natürlich nicht wissen. Gekommen sind trotzdem einige, wenn auch vielleicht eher 40 statt der erwarteten 60 Frauen. Selbstermächtigung und "unser Aufbruch aus der Krise" stehen einen Nachmittag lang auf dem Programm. Denn besonders Frauen seien in der pandemiebedingten Ausnahmesituation noch einmal besonders belastet – so jedenfalls die These der türkisen Thinktanker. Eröffnungsredner Matthias Horx wird das später anders sehen.

Mit Tai-Chi durch die Krise: In der Parteiakademie der ÖVP wird Energie getankt.
Foto: Regine Hendrich

In der Kaffeepause vulgo "Ideencafé" haben gerade vier Frauen unterschiedlichen Alters anhand visitenkartengroßer Maria-Fekter-Porträts (Pionierin als erste Finanzministerin Österreichs!) zueinandergefunden. Wie war’s im Lockdown? "Mein Mann – systemrelevant – war jetzt drei Monate lang höchstens körperlich anwesend", blickt eine von ihnen auf eine durchaus aufreibende Zeit mit drei Kindern im Volksschul- und Gymnasiumsalter zurück. Auf die "schönen Worte" des Zukunftsforschers Horx über die "vermeintliche Stärke der Frauen" und dass diese "nur um einen kleinen Prozentsatz mehr gemacht" hätten, erwidert sie spöttisch: "Schön, dass ich so belastbar bin!"

Genau solche Gefühle der Überforderung will man hier und heute im Springer-Schlössl im zwölften Wiener Gemeindebezirk reflektieren, daraus lernen und wachsen – und natürlich Energie tanken.

Corona, Nutella und der Kuli

Wie? Eine Session mit dem vielversprechenden Titel "Managing the unexpected", also zum Umgang mit dem Unvorhergesehenen, könnte helfen. In Seminarraum 2 steht eine Gruppe von Frauen im Kreis und wirft sich einen kleinen, gelben Ball zu. Wer ihn fängt, sagt ein Wort, die Nächste muss einen passenden Begriff dazu assoziieren. "Corona" – "blöd" – "dumm" schwirrt durch die Luft. Aber auch "Nutella" und "Marmelade" regen den Geist zu Kreativem an. Nächste Runde. Ein Kugelschreiber wird zu Requisite oder handelndem Subjekt eines Krimis, so jedenfalls sollen sich die Anwesenden das vorstellen. Und wenn dann eine vom Kuli behauptet: "Das ist der Mörder", müssen alle anderen laut bestätigen: "Ja, genau!" Wie das Von-Hand-zu-Hand-Reichen des Stiftes mit den geltenden Hygieneregeln zusammengeht? Sei’s drum, wir haben gelernt: "Let go."

Bettina Rausch ist die Hausherrin hier. Die Leiterin der Politischen Akademie weiß, dass im engen Nebeneinander von Homeoffice und Home-Familie "traditionelle Rollenbilder" wieder hervorgekommen sind. Wer kümmert sich ums Mittagessen? Um den Haushalt? Um die Kinder im Homeschooling? Ihre Antwort, verbalisiert: "Natürlich die Frau und Mutter." Ihre Antwort, organisiert: Selbstermächtigungsworkshops, denn das Durchbrechen dieser Muster verlange auch "Zivilcourage" – und die lernt es sich "besser bottom-up".

Gesetzlich verordnete Hausarbeitsaufteilung

Was es strukturell brauche, wo politische Lösungen gefunden werden müssen? Bei der Verbesserung der Kinderbetreuung habe man "schon große Schritte gemacht", sagt Rausch. Aber es sei "immer noch viel zu tun". Was die partnerschaftliche Aufteilung der Hausarbeit anlangt, fehle es ihr "an Fantasie, was der Staat da machen soll". Man könne ja schlecht ein Gesetz erlassen, das besagt: "Jeder Mann soll seine Wäsche selbst zusammenlegen."

Das ist ein wenig schade. Denn am späten Nachmittag schaut Susanne Raab auf einen Sprung vorbei und fragt schon leicht ungeduldig: "Wann rock’ ma?" Kurzes Briefing noch, was sie auf der Bühne rüberbringen soll – und als dann die Moderatorin endlich auch "die Tai-Chi-Damen" im Saal erblickt, stimmt die ÖVP-Frauen- und -Integrationsministerin zunächst das Lied vom harten Politikerinnenlos an. "Die Corona-Zeit war für uns in der Bundesregierung enorm anstrengend", erklärt Raab. Und sie wolle das zwar "nicht romantisieren", aber sie habe nach der Zeit der Ausgangsbeschränkungen auch von vielen Müttern gehört: "Für uns war die Krise eine schöne Zeit."

Auch ÖVP-Frauenministerin Susanne Raab (li.) schaut kurz in der Parteiakademie vorbei – bei einem Nachmittag voll Workshops zur besseren Bewältigung einer Ausnahmesituation.
Foto: Regine Hendrich

Message an Raab

Wer nicht die Gelegenheit bekommt, sich direkt an die Ministerin zu wenden, kann ihr einen Wunschzettel mitgeben. Was die Neigungsgruppe Brigitte Bierlein (Pionierin als erste Kanzlerin!), die die Nähe der wabernden Koffeinluft sucht, wohl draufschreibt? Gastgeberin Rausch lässt sich dann doch zu etwas politischem Druck auf ihre Parteifreundin Raab motivieren. Dass Bildung und Kinderbetreuung von der Regierung erst lange nach der Öffnung der Baumärkte zum Thema gemacht wurden, habe wohl nicht den Erwartungen vieler Eltern entsprochen. Zwar liege das selbstverständlich nicht daran, dass Kanzler und Co diese Angelegenheiten als nachrangig sehen würden, aber "wahrscheinlich hätte man die Pläne für Kindergärten und Schulen lauter kommunizieren müssen", glaubt Rausch.

Eine aus der Empowermentrunde ist nicht nur Chefin einer Wiener ÖVP-Frauen-Bezirksgruppe, mit ihren kosovarischen Wurzeln ist sie auch als Integrationsbotschafterin für die Türkisen unterwegs. Was sie über die von der Ministerin problematisierten "Parallelgesellschaften" denkt? Politisch dürfe sie sich nicht äußern. Bei ihren Besuchen in den Schulen der Hauptstadt versuche sie, besonders den Mädchen zu vermitteln, dass ihnen mit entsprechender Bildung alle Wege offenstünden. Dass das Problem mitunter mehr bei wenig einfühlsamen Lehrkräften liege denn bei lernunwilligen Jugendlichen, sei aber auch eine Tatsache – es gebe eben "solche und solche". Irgendwann ist es der Mitt-50erin wichtig zu betonen, dass es "nicht nur schlechte Ausländer" gibt. Bei Raab fragt sie um einen Besuch in der ÖVP-Frauenrunde an. Vielleicht funktioniert Bewusstseinsbildung auch andersrum. (Karin Riss, 13.7.2020)