Wenn es wirklich pressiert und Sie ein wenig Mondlicht nach dem "Tatort" benötigen und alle Apotheken geschlossen haben: Dann haben Sie Glück, wenn Sie in München wohnen. Dort steht, fast rund um die Uhr, der "homöopathische Notdienst" parat mit einer ganzen Batterie von Arzneien. Und der Mond ist tatsächlich eine davon: "Bei der Herstellung von Luna werden die Strahlen des Vollmondes verwendet", das verrät die Webseite der Notfall-Homöopathen. Wie oft die Strahlen unseres Trabanten geschüttelt werden, das wird leider nicht bekannt gegeben. Indiziert ist "Luna" unter anderem bei Personen, die auch "ohne Alkohol ein Katergefühl haben." Ich füge hinzu: Und bei Personen, die ohne Distanzseiterl auf dieser Webseite surfen müssen.

"Heilpraktiker" stehen parat für Notfälle

Den homöopathischen Notfall- oder Bereitschaftsdienst gibt es seit 1997. Im Team ist zwar kein einziger Arzt, dafür ein ehemaliger Polizist, eine Juristin und eine Konditorin. Die verrät in ihrem Curriculum: "Als Zuckerbäckerin hab ich begonnen und bin dann immer mehr zu den zuckersüßen Globuli gekommen." Insgesamt sind es sieben Heilpraktiker, die sich ohne falsche Bescheidenheit unter anderem für diese Fälle empfehlen: akute Erkrankungen, seelische Notsituationen und Geburten. Und vielleicht auch dann, wenn einmal der Strom ausfällt. Denn auch das feine Mittel "Electricitas" finden wir im Portfolio der Feinstoff-Feuerwehr: "Das Mittel wird aus mit Strom gesättigtem Milchzucker hergestellt." Ab welcher "Potenzierung" es zur Gefahr von Stromschlägen kommt, wird leider nicht dazugesagt. Indiziert ist Strom in homöopathischer Dosierung unter anderem bei "Beben des ganzen Körpers", "krampfhaften Bauchschmerzen" und bei einem "Einschnürungsgefühl in der Brust". Intensiv-Ambulanzen hassen diese Globuli, schnappen ihnen doch die Heilkundigen damit glatt die besten Herzinfarkt-Patienten weg. 

Die heilende Macht des Mondlichts.
Foto: AP Photo/Charlie Riedel

Auch "Südpol", "Nordpol" und die "Sonne" im Notfallkoffer

"Mond" und "Strom" sind nicht die einzigen "Imponderabilien" im Notfallkoffer der schnellen Einsatztruppe. Wir finden dort auch "X-Ray", wahlweise den "Südpol" oder den "Nordpol", und nicht zuletzt ein paar Strahlen der "Sonne". Dieses Heilmittel wird hergestellt, "indem man Milchzucker konzentrierten Sonnenstrahlen aussetzt und immer wieder mit einem Glasstab verrührt." Indiziert ist die Sonne unter anderem bei "starkem Blutzustrom in das Gehirn morgens im Bett." Um ein klassisches Männerleiden handelt es sich dabei vermutlich nicht.

Doktorspiele der besonderen Art

Mangelndes Selbstbewusstsein quält die medizinische Laientruppe jedenfalls nicht. In einem Homöopathiemagazin schildert die Heilpraktikerin Jutta Fritton eine typische Nachtschicht. Die Eltern eines Kleinkindes rufen an, Asthma mit schlimmer Atemnot quält das Kind. Fritton, die nach eigenen Angaben Psychologie und Soziologie studiert hat, verordnet per Telefon "Natrium sulphuricum C30, aufgelöst in Wasser, stündlich einen Schluck." Einer Mutter, deren einjähriger Sohn wegen Meningitis in der Intensivstation einer Klinik liegt und soeben aus dem Koma erwacht ist, verordnet sie Honigbienen-Globuli ans Intensivbett. Als homöopathische Beraterin sei sie "nach Rücksprache mit den Ärzten" zugezogen worden.   

Auch auf "homöopthische Krebsheilkunde" verwiesen

Das Team der Heilpraktiker scheint nicht nur für Notfälle gerüstet zu sein. Es verweist auf seiner Webseite auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Behandlungsansätze, darunter auch auf die Lehren des indischen Hochstaplers A.U. Ramakrishnan. Der behauptet, mit einer von ihm entwickelten homöopathischen Therapie 80 Prozent von Krebs im Frühstadium heilen zu können. 

Gegen Selbstüberschätzung helfen übrigens Globuli mit einem Hauch von Coca Cola, nur so als Tipp. (Christian Kreil, 22.7.2020)

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