Privatisierungen sowie Liberalisierungen verdienen eine öffentliche Debatte.

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Beinahe im Tagestakt dringen derzeit "Geheimprojekte" nach außen, die eine kleine Gruppe im türkisen Finanzministerium klandestin ausgearbeitet hat. Am größten ist die Überraschung über all diese Planspiele wohl beim blauen Ex-Partner, der laut eigenen Angaben nicht eingebunden wurde. Die Aktenlage unterstützt diese Aussagen bisher. Man hätte dafür gerne Erklärungen, doch bei journalistischen Anfragen oder Befragungen vor dem U-Ausschuss setzt bei den Beteiligten akute Amnesie ein.

Das erste Mal passierte das beim "Projekt Edelstein", der geplanten Teilprivatisierung des Bundesrechenzentrums. Hier hatte der STANDARD Einblick in tausende Seiten an Dokumenten. Aber alle Beteiligten stellten die Angelegenheit quasi als "Brainstorming" dar, als Angelegenheit, die man nicht intensiv betrieben habe. Dann tauchte ein fast fertiger Entwurf eines Glücksspielprojekts auf: dieselbe Reaktion. Ein Spitzenbeamter bestritt, mit der Sache zu tun gehabt zu haben, obwohl er als Vorsitzender des Projektlenkungsausschusses geführt wurde.

Die neuesten Enthüllungen zum geplanten Börsengang oder Teilverkauf der staatlichen Immobiliengesellschaft ARE schlagen in dieselbe Kerbe. Hätte er Bescheid gewusst, hätte er "massiven Widerstand" geleistet, so Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache. All das vor dem Hintergrund, dass ein Glücksspielgesetz bereits zurückgezogen worden war, weil die FPÖ kein grünes Licht gegeben hatte.

Langsam wird klar, dass das türkise Finanzministerium ein groteskes Eigenleben entwickelt hat. Seit 17 Jahren wird dort schwarz-türkis durchregiert, offenbar ist man Transparenz, Absprache und Kooperation nicht mehr gewohnt. Rückblickend muss sich die FPÖ gefrotzelt vorkommen. Aber auch die Öffentlichkeit wurde in die Irre geführt: Im türkis-blauen Regierungsprogramm fanden sich nur Stehsätze zu den Projekten, die detailliert ausgearbeitet wurden. Mediale Statements dazu gab es nie. Dabei sind gerade Privatisierungen, ob beim Bundesrechenzentrum oder von Staatsimmobilien, sowie Liberalisierungen in der Glücksspielbranche Themen, die eine öffentliche Debatte verdienen.

Mit alldem kann auch Kanzler Sebastian Kurz nicht glücklich sein, dessen Dementi über seine eigene Involvierung glaubhaft sind. Doch die Aktionen seiner Minister zeigen die ÖVP als arrogante, egozentrische Partei, die auf Öffentlichkeit, Parlament und Koalitionspartner pfeift. (Fabian Schmid, 13.7.2020)