Nach dem tödlichen Unfall am Sonntag beim Zustieg zur Eisriesenwelt im Salzburger Tennengebirge, bei dem ein 14 Jahre alter Iraker ums Leben gekommen ist, bleibt die Sperre der Eishöhle bis auf weiteres aufrecht. Rechtlich zuständig für solche Sperren ist die örtliche Sicherheitspolizei – sprich: der Bürgermeister von Werfen, Hubert Stock (ÖVP).

Laut Stock werden nun Geologen und Fachleute die Unfallstelle genau begutachten, um möglicherweise weitere Gefahrenstellen zu finden. Zugleich werde erhoben, welche zusätzlichen Maßnahmen notwendig sind, um die Sicherheit der Besucher des beliebten Ausflugsziels mit bis zu 2.500 Besuchern an Spitzentagen zu gewährleisten.

Trotz aufwendiger Sicherungen kam es am Zustieg zur Eisriesenwelt im Salzburger Tennengebirge zu einem tödlichen Steinschlagunfall.
LAND SALZBURG/GERALD VALENTIN

Die Eisriesenwelt steht im Eigentum der Österreichischen Bundesforste und ist an eine private Betreiberfirma rund um die Salzburger Rechtsanwaltsfamilie Oedl verpachtet. "Die Eisriesenwelt wird aufgefordert, ein entsprechendes Konzept zu erstellen", sagt Bürgermeister Stock. "Erst dann kann der Betrieb wiederaufgenommen werden."

Der Berg ist unbeherrschbar

Derzeit sind zwar große Teile des Zustiegswegs von der nahegelegenen Seilbahn-Bergstation mit mächtigen Betongalerien gesichert, Fachleute gehen jedoch davon aus, dass zusätzliche Galerien und Fangnetze weit oberhalb des Höhleneingangs installiert werden müssen. Nach Angaben des mit dem Unfall befassten Landesgeologe Gerald Valentin hat sich der Stein rund 400 Meter oberhalb der eigentlichen Unfallstelle gelöst und sei dann zersplitternd in die Tiefe gedonnert. Einer der Brocken hat dann den 14-Jährigen getroffen und tödlich verletzt.

Wobei Valentin gleich auch vor einer Illusion warnt: Man werde touristische Wege in solchen Lagen nie zur Gänze sichern können, "wir werden den Berg nicht beherrschen". Vielmehr müsse es darum gehen, das Risiko auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Der Betreiber bemauteter Anlagen im Gebirge habe zwar eine besondere Sorgfaltspflicht, könne die Gäste aber nur im Rahmen des Zumutbaren vor objektiven alpinen Gefahren schützen.

Wie es zu dem Abrutschen des etwa zwei Kubikmeter großen Felsbrockens gekommen ist, kann Valentin schnell erklären. Der Starkregen am Tag vor dem Unfall habe den auf einer Erdschicht liegenden Stein unterspült, dieser sei dann ins Rutschen gekommen und letztlich die steilen Felsen hinuntergefallen.

"Wetter, nicht Klima"

Den von Laien bei derartigen Unfällen oft hergestellten Zusammenhang zwischen Steinschlag und Klimakrise verneint Valentin entschieden: "Das war das Wetter, nicht das Klima." Ähnliches gelte wohl auch für einen Unfall in der Kärntner Tscheppaschlucht bei Ferlach, bei dem eine Frau ebenfalls am Sonntag und ebenfalls durch Steinschlag schwer verletzt worden war. Robert Supper, Vizerektor der Geologischen Bundesanstalt in Wien, ist sich ebenfalls sicher, dass das Unglück in der Bärenschützklamm nahe Graz von vergangener Woche auf den Starkregen zurückzuführen ist. Bei dem Felssturz in der für Besucher ausgebauten Klamm sind drei Personen getötet worden.

Permafrost taut

Der Umkehrschluss, die Klimaveränderung habe nichts mit den Steinschlägen zu tun, sei freilich ebenfalls falsch, betont Valentin im STANDARD-Gespräch. Nur spiele sich dieses Geschehen eben in größeren Höhen ab.

So ist es beispielsweise im September des Vorjahres in Kaprun, oberhalb des Stausees Wasserfallboden, zu einem Unfall mit einem Toten und zwei Schwerverletzten gekommen. Ein massiger Felssturz von 50 Meter Breite hatte dabei rund 500 Kubikmeter des Kalk-Glimmer-Schiefer-Gesteins in die Tiefe gerissen und einen alpinen Steig auf das Kitzsteinhorn verschüttet. Rainer Braunstingl, neben Valentin der zweite Landesgeologe in Salzburg, machte damals auftauenden Permafrost für diesen Felssturz verantwortlich.

Und ganz aktuell warnen die Bergführer aus dem Stubai vor dem Normalweg auf das berühmte Zuckerhütl. Der mit 3.507 Metern höchste Gipfel in den Stubaiern ist derart stark ausgeapert, dass der permanente Steinschlag den Normalweg nahezu unpassierbar gemacht hat.

Die Geologie

Fallweise ist freilich auch simpel die Geologie "schuld" am Steinschlag. Klassisches Beispiel ist die Bischofsmütze, die höchste Erhebung im Gosaukamm an der Landesgrenze zwischen Oberösterreich und Salzburg. Für Bergsteiger und Bergsteigerinnen war schon von jeher klar: "Die Mütze bröckelt." Die Ursache liegt im Aufbau des berühmten Kletterberges – Kalk auf Dolomit, steiler Zahn auf weichem Sockel.

"Innerhalb des massiven Kalkstocks gibt es große Hohlräume, das Fundament besteht aus labilem Dolomit. Dieses System – hart auf weich – macht die Bischofsmütze zu einem Sorgenkind", sagt der Geologe Valentin. (Thomas Neuhold, 13.7.2020)